Beitragvon Stu » 17.12.20 @ 10:42
aus dem Tagi Online:
Kerzen-Adi und Querschläger-Tosin
Beim 0:0 muss man sich an kleinen Sachen erwärmen. Zum Beispiel mit sehr kuriosen Schussversuchen und einem duzenden Schiedsrichter, der sich für ungewöhnliche Aufgaben empfiehlt.
Das leere Stadion eröffnet ungeahnte Abhöraktionen.
Die Atmosphäre – gut für Abhöraktionen
Der einzige Vorteil von wenigen Zuschauer im Stadion ist, dass man den Fussballern sehr genau bei der Arbeit zuhören kann. Bei einem zähen Spiel ein nicht zu unterschätzender Unterhaltungsfaktor.
Ein Fazit der Abhörerei: Den Spielern tut es sehr schnell mal sehr stark weh. Was wiederum andere Spieler zu Kommentaren anregt. Fidan Aliti ruft über das Feld: «Die heulen die ganze Zeit.» Es ist eine syntaxfreudigere Variation von Alain Geigers «Mama, Papa, Foul, Schiedsrichter.» Luzerns Knezevic pflegt zudem eine eigenartige Motivationstechnik. Hadernd mit der eigenen, torlosen Überlegenheit, schreit er seinen Stürmern zu: «Macht mal das Scheissgoal, Mann!» Und manchmal spricht aus den Spielern das schiere Entsetzen. Mikrophon frei für Schürpf, den Flehenden: «Hey nein, nein, bitte nein, bitte nein.»
Wir lernen auch: Schiedsrichter Tschudi ist mit den Spielern per Du. Als sich auf dem Rasen eine Ansammlung von mehr als 15 Menschen bildet und die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können, ruft er, ziemlich laut: «Toni! Dejan! Die anderen weg!» Er gibt darauf den beiden Unruhestiftern Domgjoni und Sorgic je eine Gelbe Karte und löst die verbotene Ansammlung rekordschnell auf. Souverän gemacht von Tschudi – vielleicht einer für die Zürcher Polizei für den nächsten 1. Mai.
Silvan Wallner – der Taktikschüler
Klassisches Bild auf der linken Seite. Silvan Wallner blockt eine Flanke.
Wenn es einem bei diesem 0:0 garantiert nicht langweilig wird, dann Silvan Wallner. Entweder haben die Luzern den 18-jährigen Rechtsverteidiger als Schwachpunkt ausgemacht. Oder sie sind grundsätzlich linkslastiger als ein durchschnittlicher Schwarzer Block am 1. Mai.
Auf jeden Fall rollt Angriff um Angriff auf Wallner zu. Pascal Schürpf, Martin Frydek, Louis Schaub – sie alle machen auf Wallners Seite mächtig Betrieb. Gerne auch mal alle zusammen. Und Wallner stellt fest: «Wenn bei uns einer nicht mitmacht, stehe ich immer gegen zwei.»
Es macht offenbar noch häufiger einer nicht mit beim FCZ. Die Luzerner scheinen sich einen Spass daraus zu machen, den Ball immer wieder an Wallner vorbei an die Grundlinie zu spielen. Aber dieser Teenager ist ein gewiefter Taktikschüler und lernt rasch. Ohne Unterstützung zieht er sich darum immer weiter ins Zentrum zurück und wartet dort auf die Flanken der Luzerner, von denen er eine nach der anderen abblockt.
Kein einfacher Abend für den Zürcher. Aber ein lehrreicher.
Nathan – der gute Kartenleser
Nathan, der Harte. Hier muss Luzerns Dejan Sorgic diese Erfahrung machen.
Wenn nichts geht, dann gibt es wenigstens noch ihn und seine Grätschen. Der eingesprungene Nathan ist zum Klassiker geworden. Gestrecktes Bein, Sohle voraus, volles Risiko. In geglückter Vollendung ist das fast schon herzerwärmend. In der missglückten Variante wird es a) sehr schnell gefährlich oder b) kartenlastig, sicher aber c) für den Gegner schmerzhaft.
Weil der eingesprungene Nathan in der 30. Minute ziemlich klar sein Ziel verfehlt und seine Sohlen des Gegners Bein treffen, kommt diese Gelbe Karte schon sehr früh. Nathan ist ein guter Kartenleser und spielt plötzlich besonnener und mit mehr Bodenhaftung. Allerdings sinkt im Stadion darauf die Temperatur um zwei, drei Grad.
Kürzlich ist Trainer Massimo Rizzo mit Nathan zusammengesessen und hat mit ihm die Grätschszenen angeschaut. Nicht im Sinn von: «Mach das nicht mehr.» Sondern eher: «Was ist in diesem Moment die beste Lösung?» Es war eine höchst pädagogische Einheit, denn Rizzo weiss: Nimmt man Nathan seine Grätschen, nimmt man dem Künstler seine Träume. Und das wäre dann schon sehr schade.
Trotzdem bleibt die Karte nicht ohne Folgen: Es ist Nathans Vierte, er fehlt gegen Servette.
Adrian Winter – der Kerzen-Mann
Hoch den Ball. Adrian Winter schlägt den Ball weg.
Neue Impulse hat sich Trainer Massimo Rizzo von ihm erhofft und ihn zur Pause eingewechselt. Es war ein hehrer Wunsch, fast schon Fantasterei. Denn das Ergebnis kommt dann wie Nielenrauchen daher. Es will nicht so recht einfahren.
Winter ist erstens keine Gefahr nach vorne und zweitens eine nach hinten. Am besten zeigte das eine Sequenz Mitte der zweiten Halbzeit. Erst haut Winter den Ball in den Himmel, mindestens einen Kirchturm hoch. Es ist eine formvollendete Kerze mit dem Makel, dass der Ball in die falsche Richtung fliegt und im Rücken der Abwehr landet. Die Verteidiger können klären, worauf Winter den Ball wieder verliert – und es wieder gefährlich wird.
Wir fragen darum für einen Freund: Auf welcher Höhe seiner Schaffenskraft befindet sich zur Zeit der Kerzen-Adi?
Aiyegun Tosin – der Querschläger
Gewöhnlich ist Aiyegun Tosin sehr torgefährlich, gegen Luzern weilt er auf Karenz.
Er muss als Symbol für die Zürcher Offensivabteilung herhalten. Hier könnte auch Blaz Kramer, der Harmlose, stehen. Oder Antonio Marchesano, der Wirkungslose; sowie Wilfried Gnonto, der zweifach Getunnelte.
Tosin aber schafft ein Ereignis, das die Ungefährlichkeit des Zürcher Daseins ziemlich einmalig illustriert. Aus viel zu vielen Metern Entfernung wächst bei ihm der Entschluss, den Ball auf das Tor zu schiessen. Weil er den Ball so unpässlich trifft, fliegt dieser eine sagenhafte Flugbahn – und landet im Seitenaus. Ein Querschläger.
Eine richtige Chance zu einem Tor haben die Zürcher in diesem Spiel nie. Und als sie einmal in einer Drei-gegen-Zwei-Situation auf das Luzerner Tor ziehen, wählen sie derart uninspirierte Laufwege und Passentscheide, dass nicht einmal ein Torschuss resultiert. Es ist eine Ideenlosigkeit, der sich auch Trainer Massimo Rizzo nach dem Spiel anschliesst. Auf die Frage, was er sich zur Halbzeit mit seinen Wechseln erhofft hat, antwortet er: «Keine Ahnung… vielleicht dass der Ball einmal reinfällt.»
