Interessante Analysen! Da hat sich der Tagi bzw. Florian Raz wohl endlich mal eine Scheibe von Züri Live abgeschnitten.
Hinweis: Zwei Grafiken konnte ich nicht kopieren, vielleicht finde ich morgen noch Zeit und Lust dazu, vermutlich aber nicht. ;-)
Ist der Rizzo-Effekt bereits verpufft?
Vor dem Spiel gegen Lausanne muss der FCZ seine erste Niederlage unter Massimo Rizzo verdauen. Trotzdem zeigt vieles, dass die Zürcher weiterhin stabiler auftreten als unter Ludovic Magnin.
Irgendwann musste sie ja kommen. Aber ärgerlich war es aus Zürcher Sicht halt schon, wie der FC Zürich bei Servette in seine erste Niederlage unter Massimo Rizzo gerasselt ist. Erst der Pfostenschuss des 17-jährigen Wilfried Gnonto in der 91. Minute. Und gleich darauf der Moment, in dem die Zürcher vor dem 1:2 ihre Ordnung in der Abwehr verloren – und so das ganze Spiel.
Ist damit der Rizzo-Effekt nach fünf Spielen bereits verpufft? Die für den FCZ gute Meldung lautet: Es gibt ganz viele Hinweise darauf, dass Massimo Rizzo mehr ist als ein Durchlauferhitzer. Mehr als einer dieser Trainer, die als Feuerwehrmann geholt werden, das Team mit ein paar emotionalen Tricks heissmachen – und nach ein paar Matches bereits wieder abgenutzt sind.
Gut, das mit den feurigen Ansprachen kann sich der aussenstehende Beobachter sowieso nicht so gut vorstellen, weil er stets den kontrollierten, zurückhaltenden Rizzo erlebt. Umso beeindruckender ist, wie rasch der 46-Jährige die richtigen Stellschrauben justiert hat.
Der Blick hinter die Zahlen auf dem Totomat
Der Blick bei der Beurteilung des Nachfolgers von Ludovic Magnin muss dabei weggehen von den nackten Resultaten. Im Fussball hängen Spielstände so häufig von Zufällen ab, dass es nicht ganz einfach ist, dahinter die Leistung eines Teams zu erkennen.
Natürlich sind am Ende die Resultate entscheidend. Aber der Blick auf die Statistiken dahinter kann helfen, die Zahlen auf dem Totomat zu deuten. Hatte Magnin am Ende seiner Amtszeit nur Pech? Wäre es ein besserer Auftritt des FCZ in Genf gewesen, hätte Gnonto fünf Zentimeter weiter nach links geschossen?
Da hilft der Blick auf die sogenannten expected Goals (xG), die erwartbaren Tore. Hier wird für jeden Abschluss die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass er im Tor landet. Alle Abschlüsse addiert zeigen, wie torgefährlich die Teams in einem Spiel waren.
Natürlich kann die Mannschaft mit dem tieferen xG gewinnen. Aber es sollte sich keiner über Niederlagen wundern, der den Gegnern pro Spiel im Schnitt Chancen für rund 2,5 Tore zugesteht und sich selbst nur Gelegenheiten für 1,2 Tore erspielt. Genau das war beim FCZ am Ende unter Magnin der Fall.
<Grafik zu den "expected goals" fehlt>
Seit dem Corona-Neustart zeigten die Kurven unter Magnin in die falsche Richtung. Die Wahrscheinlichkeit für Gegentore stieg, während die Qualität der eigenen Chancen sank. Das änderte sich schlagartig mit dem Trainerwechsel. Der Rizzo-Knick vor allem in der Kurve der erwartbaren Gegentore ist frappant.
Der Grund ist ein grundsätzliches Umdenken. Unter Magnin spekulierten die vier Offensivspieler im 4-2-3-1-System im Spiel gegen den Ball auf einen möglichen FCZ-Konter. Durch diese offensive Denkweise erhielten die Gegner häufig viel Raum vor dem Strafraum der Zürcher. Die Folge waren eine überforderte Abwehr und viele Gegentore.
Unter Rizzo orientieren sich die Spieler nach einem Ballverlust nach hinten und formieren sich zu einem klassischen 4-4-2. In ein System, in dem es leichtfällt, die Ordnung zu wahren.
Die Zürcher Systeme: 4-2-3-1 bei Ballbesitz, 4-4-2 nach Ballverlust.
Es ist ein Wandel, den Rizzo sehr rasch durchgesetzt hat. Selbst offensive Freigeister wie Benjamin Kololli und Aiyegun Tosin reihen sich klaglos in die zwei Viererreihen vor dem eigenen Strafraum ein. Davon profitieren die Aussenverteidiger. Und im Zentrum vor dem Strafraum sind die Aufgaben klarer verteilt.
Rizzo festigt damit jene Zone, die unter Magnin das grösste Problem darstellte: die rund zwanzig Meter vor dem eigenen Sechzehner. Das zeigt sich auch mit dem Blick darauf, wo der FCZ den Gegner attackiert. Früher versuchte sich Zürich mit einem hohen Pressing am gegnerischen Strafraum. Dort ist das Team unter Rizzo viel passiver. Stattdessen steht es massiert am eigenen Strafraum und hindert den Gegner daran, in den Strafraum einzudringen.
<Grafik zu den Verteidigungszonen fehlt>
Unter Magnin kamen die Gegner in dieser Saison pro Spiel im Schnitt 20-mal in den Zürcher Strafraum. Unter Rizzo gelang ihnen das noch 13-mal. Gesunken sind auch die gegnerischen Abschlüsse nach Kontern, Ecken oder Freistössen sowie die Ballverluste in der eigenen Platzhälfte.
Faszinierend ist, dass dieser Fokus auf das Verhindern von Gegentoren der Offensive nicht geschadet hat. Im Gegenteil. Auch im Angriff kommt der FCZ derzeit auf bessere Werte. Was daran liegt, dass die Spieler aus aussichtsreicheren Positionen den Schuss suchen.
Unter Magnin schossen die Zürcher zu häufig aus schlechten Positionen. Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu erzielen, lag bei neun Prozent pro Schuss.
Unter Rizzo kommen die Zürcher Abschlüsse näher und zentraler ans gegnerische Tor. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu erzielen, auf 15 Prozent pro Schuss gestiegen.
Derzeit kommen die Zürcher zentraler und näher vor dem Tor zum Abschluss. Was die Wahrscheinlichkeit erhöht, tatsächlich ein Tor zu erzielen.
Stabile Abwehr, Sorgfalt im Abschluss: Massimo Rizzos Modell klingt in der Theorie erfolgversprechend. In der Praxis steht es das nächste Mal am Sonntag gegen Aufsteiger Lausanne-Sport auf dem Prüfstand.
https://www.tagesanzeiger.ch/ist-der-ri ... 0329322852