Beitragvon schwizermeischterfcz » 04.11.20 @ 8:24
NZZ:
Man sollte Massimo Rizzo nicht unterschätzen – auch wenn ihm das ganz recht wäre
Massimo Rizzo gibt sich vor dem Spiel des FC Zürich gegen Basel vom Mittwochabend gelassen, was seine Ambitionen als Chefcoach angeht – aber eigentlich ist er bereit. Weggefährten bringen etwas Licht in die Blackbox, die Rizzo als Trainer ist.
Christine Steffen, Zürich
04.11.2020, 04.30 Uhr
Näher kam Massimo Rizzo der grossen Fussballwelt als Spieler nie. 2005 sass er beim Europacup-Spiel des FC Zürich gegen Bröndby auf der Bank, obwohl er nur für die U 21 spielte, wo er auch Co-Trainer war. Dass er nur dort zum Zug kam, war eine Enttäuschung für den Secondo aus Wiedikon, der FCZ war sein Klub, schon immer, und er hatte auf Einsätze in der ersten Mannschaft gehofft. Das Aufgebot hatte er dem Sportchef Fredy Bickel zu verdanken, der den Verteidiger an Lucien Favre vorbei ins Kader schmuggelte. Favre habe zwar nicht eingesehen, warum Rizzo hätte auf die Mannschaftsliste kommen sollen, erzählt Bickel. «Sicher ist sicher», habe er geantwortet, «es schadet ja nicht.»
Bickel hat Rizzo damals schon geschätzt, er wollte ihm einen besonderen Moment schenken. Nach dem Karrierenende 2010 wurde dieser Assistent des Sportchefs. Rizzo, heute 46, lehnt eine Interviewanfrage ab. Dafür beschreibt Bickel ihn. «Achtung», sagt er, «jetzt kommt eine Lobeshymne.» Gekürzt klingt sie so: Rizzo habe eine hohe Sozialkompetenz, er spüre die Spieler, sei aber auch klar und fordernd. Bickel sagt, der Assistent habe ihm viel geholfen mit seinen Überlegungen zu Spielern und Mannschaft, er sei einer der besten Sparringpartner gewesen, die er je gehabt habe. Und dann kommt noch das Wort, das im Zusammenhang mit Rizzo immer fällt: Loyalität.
Vielleicht gibt es tatsächlich niemanden, der dem FCZ so treu verbunden ist, seit der Masseur Hermann Burgermeister verabschiedet worden ist. Rizzo war FCZ-Junior, er arbeitete nach dem KV in einem Teilzeitpensum auf der FCZ-Geschäftsstelle – auch dann noch, als er mit Wil und Schaffhausen in der Super League spielte, was zur kuriosen Situation führte, dass er auf dem Feld gegen seinen Arbeitgeber antrat.
Rizzo war Teammanager, Assistenztrainer und Interimscoach, als Urs Meier gehen musste. Er trainierte die U 21 und war Coach der U 18, als er für Ludovic Magnin einsprang. Kurz: Rizzo war in verschiedenen Funktionen immer irgendwie da, manchmal in Jeans in den leicht muffigen Büros im alten Letzigrund, manchmal in kurzen Hosen auf dem Platz als solider Verteidiger oder an der Seite eines Trainers, der irgendwann ging. Rizzo blieb.
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Vielleicht fragt man sich genau darum, ob er das denn kann: Cheftrainer. Er ist so vielseitig einsetzbar, dass sein Profil verschwimmt. Er kann vieles, aber was kann er richtig? Rizzo tut gegen aussen nichts, um Konturen zu gewinnen. Er ist immer freundlich, aber in seiner Nüchternheit auch unnahbar. Tastet man seine Sätze in Interviews oder Medienkonferenzen nach Originalität ab, ist da nichts, ausser zur Meisterschaft gebrachte Trainerplattitüden. «Es geht nicht um mich, es geht um den FCZ», ist seine Antwort, sobald Fragen nur leicht persönlich werden.
Obwohl auch er einen grossen Teil seiner Trainerausbildung im FCZ durchlaufen hat, ist die Beziehung zum Präsidentenpaar Canepa nicht emotional aufgeladen wie bei Ludovic Magnin. Der «Ziehsohn» sei Magnin gewesen; was er denn sei, wird Rizzo an der Medienkonferenz vor dem Spiel gegen Basel gefragt. Er zuckt die Schultern. «Ich war einfach schon immer hier», sagt er. Nie würde er sich zu einer Aussage hinreissen lassen, er sei ein Trainer für die grossen Spiele, wie das Magnin bei Stellenantritt getan hat. Aber wofür ist er der Mann?
Ivan Previtali hat in Wil mit Rizzo gespielt, später kreuzten sich ihre Wege in der 2. Liga beim FC United Zürich; Rizzo trainierte das Team, in dem Previtali die Karriere beendete, schliesslich hospitierte Previtali in seiner Trainerausbildung bei Rizzo in der U 18. Auch er spricht von «Fingerspitzengefühl», von der Fähigkeit des Trainers, die Balance zwischen Seriosität und Spass zu finden. Er zeichnet das Bild eines Coachs, der «Raum für Zwischenmenschliches» lässt, ohne alles zu tolerieren, der kontrolliert und reflektiert ist, aber laut werden kann, wenn einer aus der Reihe tanzt, und der unprofessionelles Verhalten nicht duldet.
Previtali bringt etwas Licht in die Blackbox, die Rizzo als Trainer ist. Er sagt: «Massimo ist sehr interessiert daran, was andere Trainer machen, sehr interessiert an Trends. Er ist offen für Neues, will sich immer weiterentwickeln.» Seine Charakterisierung deckt sich mit der Einschätzung von Francesco Gabriele, dem Coach der U-18-Nationalmannschaft, Rizzo ist dort sein Assistent. Gabriele sieht in Rizzo einen modernen Trainer, einen akribischen Schaffer, der durch Fachkompetenz besteche, aber auch Nähe zu den Spielern herstelle. Er lasse einen offensiven, konstruktiven Fussball spielen, lege jedoch auch Wert auf ein solidarisches Defensivverhalten.
Wenn Previtali und Gabriele von stundenlangen Gesprächen mit Rizzo über Fussball erzählen, erscheint ein anderes Bild als jenes des etwas blassen Allzweckfunktionärs. Rizzo wird als notorischer Fussballnerd beschrieben, getrieben von der Idee, sich und sein Team ständig zu verbessern. Wird Rizzo nach seinen Ambitionen befragt, spricht er davon, dass man seine Ausbildungen gemacht habe, dass man sich über die Jahre entwickelt habe. «Man» ist natürlich er; aber lieber versteckt er sich im Unpersönlichen, als sich zu verkaufen.
Gut möglich, dass Francesco Gabriele recht hat, wenn er sagt: «Massimo besticht nicht durch Lautstärke, sondern durch Kompetenzen. Und auf Dauer wird er sich mit seinen Kompetenzen durchsetzen.» Man sollte Massimo Rizzo nicht unterschätzen. Auch wenn ihm das ganz recht wäre.
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