Das meint die NZZ zur Entlassung
Ancillo Canepa springt über seinen Schatten: Der FC Zürich trennt sich von Ludovic Magnin
Der in Thun zurückgetretene Trainer Marc Schneider signalisiert Interesse am frei gewordenen Job im FCZ. Auf Anfrage schliesst er nichts aus.
Flurin Clalüna
Aktualisiert
05.10.2020, 18.11 Uhr
Es ist ein sehr grosser Schatten, über den Ancillo Canepa nun gesprungen ist, vermutlich hat er sich vorher noch ein paar Mal im Kreis gedreht, aber schliesslich hat er sich überwunden. Vier, fünf Krisen hat der FCZ-Präsident in den letzten zwei Saisons über sich ergehen lassen, ohne an seiner Treue zu Ludovic Magnin zu zweifeln, die immer verhängnisvoller wurde. Die Beziehung schien unzerstörbar wie selten zu einem Trainer im Schweizer Fussball, die Magnin-Frage hat den Klub in den letzten Monaten fast gespalten, weil Canepa im Gegensatz zu anderen im Verein bis zuletzt nichts auf seinen Trainer kommen liess.
Doch das ist jetzt vorbei. Der FC Zürich trennt sich von Magnin, 31 Monate war er im Amt. Interimistisch übernimmt Massimo Rizzo, der bisherige U-18-Trainer, der schon einmal für sechs Spiele Chefcoach gewesen war, bevor der Finne Sami Hyypiä kam.
Kein Panik-Entscheid
Erst drei Runden sind gespielt. Im letzten Sommer hatte Canepa nach einem ebenfalls misslungenen Saisonstart noch gesagt: «Nach drei Runden in Panik zu verfallen, wäre wohl das Dümmste, was wir tun könnten.» Aber was nun geschieht, ist 400 Tage später kein Panik-Entscheid. Es ist vernünftig.
Im Communiqué nennt der FCZ keine Gründe für die Trennung von Magnin, auch Canepa sagt nichts, vielleicht weil es eigentlich gar nichts zu erklären gibt und die Interpretation schon längst auf dem Tisch liegt. Die Trennung von Magnin soll gemäss Communiqué «einvernehmlich» gewesen sein, es würde zum Verhältnis des Präsidentenpaars Canepa zu ihrem Ziehsohn passen. Vor eineinhalb Jahren hatte Magnin einmal gesagt: «Sollten sie mich einmal nicht mehr wollen – wir werden es trotzdem gut haben. Wir wissen, was wir aneinander haben.»
Im besten Fall ist es nun tatsächlich so gewesen. Es wäre dem FCZ zu wünschen, weil er sich in den letzten Jahren immer wieder im offenen Streit von seinen Trainern trennte, von Lucien Favre, Urs Fischer, Rolf Fringer oder Uli Forte. Wenn Magnin nun geht, geht mehr als nur ein Trainer, weil die Canepas ihn so sehr mochten, ihm nahe standen und Einfluss auf ihn nahmen.
Es ist ein Abschied, der sich angekündigt hatte wie ein Sturmtief, das immer näher kam und dem Magnin nach zwölf Spielen ohne Sieg nicht mehr entgehen konnte. Solange der FCZ den Anspruch hat, ein Spitzenklub zu sein, ist ein Trainer mit solchen Kennzahlen und einem Punktedurchschnitt von 1,29 pro Spiel nicht zu halten. Und wenn dann auch noch weiche Faktoren wie Spielstil oder Teamentwicklung gegen den Coach sprechen, kann er beim FC Zürich keine Zukunft mehr haben.
Magnins Amtszeit ist eine Zeit der unerfüllten Hoffnungen. Der Mann, der sich als Trainer für die grossen Spiele vorstellte, hat nach einem vielversprechenden Beginn zu viele kleine Spiele verloren. Er hätte die Tradition welscher Erfolgstrainer im FC Zürich fortsetzen sollen, aber ein Daniel Jeandupeux, ein Lucien Favre oder ein Bernard Challandes ist er nie geworden.
Das Experiment mit Magnin war auch immer der Versuch, eine Schuld zu begleichen, die er sich als FCZ-Spieler aufgeladen hatte. Als er im Herbst 2012 die Karriere als Fussballer beendete, tat er dies im Wissen, dem FC Zürich nicht das gegeben zu haben, was sich der Verein von ihm versprochen hatte. Als Trainer sollte dies anders werden. Einen Versuch, es mit ihm zu probieren, war es wert, aber richtig funktioniert hat auch das nicht.
Es gab eine kurze Zeit, da hatte Magnin das Interesse von deutschen Bundesligaklubs auf sich gezogen, das war im Januar 2019, er hätte sich ein Engagement in Deutschland damals zugetraut. Man kann es sich heute kaum mehr vorstellen, weil er seither so sehr mit Krisenmanagement beschäftigt war: seinem ganz persönlichen, weil er an der Seitenlinie oft so emotional war, und dem seiner Mannschaft, der er nie Konstanz beibringen konnte.
Ob das nur an ihm lag oder ob die falschen Spieler eingekauft wurden, ist eine offene Frage. Dem Vernehmen nach hat Canepa vor, auf dem Transfermarkt noch einmal tätig zu werden. Die sportliche Führung hat Canepa auf diese Saison hin umgebaut und sie dem neuen Sportchef Marinko Jurendic anvertraut. Nun wird dieser gleich mit dem schwerstmöglichen Personalentscheid betraut: mitzuhelfen, einen neuen Trainer zu suchen.
Wobei beim FC Zürich immer die Frage ist, wie frei die Hand des Sportchefs wirklich ist. In seiner kurzen Zeit als Verantwortlicher beim FCZ hat Jurendic bisher einen eher technokratischen Eindruck gemacht, er ist jemand, der viel von Analysen und Organigrammen spricht, aber wenig von den Menschen, die sie betreffen. Er hatte sich nie öffentlich über Magnin geäussert; wie er über ihn als Trainer dachte, blieb Jurendics kleines Geheimnis.
Das letzte Wort wird aber auch in der Trainerfrage ohnehin Canepa haben. Und nun wartet man also auf den zehnten Chefcoach in seiner 14-jährigen Präsidialzeit. Der Zufall wollte es, dass am gleichen Tag, an dem Magnins Freistellung bekanntwurde, auch Marc Schneider seinen Abschied vom FC Thun gab. In diesem Moment mochte man nicht recht an eine Zufälligkeit glauben. Schneider, ein früherer FCZ-Spieler, wurde in Zürich immer wieder als möglicher Chefcoach gehandelt.
Wer hat das Faible für junge Spieler?
Auf Anfrage sagt Schneider, die Zeitgleichheit der beiden Trainerwechsel sei wirklich nur Zufall gewesen. Er habe bisher keinen Kontakt zum FCZ gehabt. Aber er sagt auch: «Ich schliesse nichts aus. Natürlich würde ich es mir anhören, wenn man mit mir sprechen will. Ich habe eine Vergangenheit in Zürich.»
Die Frage wird sein, auf welchen Trainer-Typ der FCZ in Zukunft setzen will. Der Klub hat in den letzten Jahren alle möglichen Varianten ausprobiert: grosse Namen wie Hyypiä, erfahrene Trainer wie Fringer oder Forte, eigene Nachwuchsleute wie Fischer, Urs Meier oder Magnin. Aufgrund der Ausrichtung des FC Zürich scheint klar, dass der neue Chef ein Faible für junge Spieler haben muss. Aber das allein genügt nicht.
Magnin ist nicht daran gescheitert, dass er die Nachwuchspolitik des Vereins nicht befolgt hätte. In dieser Hinsicht war er ein idealer Trainer für den FC Zürich. Aber er hat viel zu wenig Punkte gewonnen. Marc Schneider könnte eine gute Lösung sein. Er hat Erfahrung, kennt Zürich, ist es gewohnt, aus bescheidenen Mitteln recht viel zu machen, und er weiss, wie es ist, mit jungen Spielern zu arbeiten