Beitragvon Goose » 20.08.20 @ 8:32
Hier noch der Artikel zur gestrigen PK aus der NZZ:
Für den FCZ-Präsidenten Canepa ist klar: «Wenn jemand sagt, der FCZ sei kein Spitzenklub, habe ich Mühe, weiterzudiskutieren»
Der FC Zürich hat die Vorbereitung auf die neue Saison aufgenommen. Er will mit dem neuen Sportchef Marinko Jurendic noch stärker auf die Jungen setzen. Dennoch soll das Klubbudget «nicht dramatisch gesenkt» werden.
Drei Wochen ist es her, dass der FC Zürich zitterte. Sechs Spiele in Folge hatte er verloren, es drohte die Barrage. Diese konnte zwar abgewendet werden. Der siebente Platz entspricht aber keineswegs den Erwartungen im Verein, selbst wenn mildernde Umstände gelten wegen der Corona-Erkrankungen in Team und Staff und wegen der Quarantäne, die die Spieler arg zurückwarf.
Dass die schlechte Klassierung nicht am Selbstverständnis der Führung gerüttelt hat, bewies der Präsident Ancillo Canepa am Mittwoch an der Medienkonferenz zum Start der Vorbereitung auf die neue Saison. Als er gefragt wurde, wie sich der FCZ definiere, ob er sich immer noch als Spitzenklub sehe, antwortete Canepa: «Wenn jemand sagt, der FCZ sei kein Spitzenklub, habe ich Mühe, weiterzudiskutieren.» Das «Gesamtbild» mit Organisation, Struktur und Führung entspreche dem eines Spitzenklubs.
Das Muster im FCZ
Einen Mangel hat er trotzdem ausgemacht. Die Struktur der Sportabteilung sei nicht optimal gewesen, sagte Canepa. Als Folge davon hat Thomas Bickel die sportliche Leitung an Marinko Jurendic abgeben müssen. Es war kein Geheimnis, dass Bickel dem Trainer Ludovic Magnin schon länger skeptisch gegenüberstand, eine Konstellation, die einer weiteren engen Zusammenarbeit sicher nicht förderlich gewesen wäre.
Der 42-jährige Jurendic stiess 2018 als Trainer des U-21-Teams zu den Zürchern. Seine jetzige Ernennung folgt einem Muster im FCZ: Wiederholt wurde Personal aus dem Nachwuchs befördert. Jurendic hat – wie Magnin – eine Ausbildung als Primarlehrer gemacht. Er gilt als ausgewiesener Fussballfachmann, aber auch als ehrlicher, einfühlsamer Ausbildner. Anders als Bickel ist Jurendic für alle sportlichen Abteilungen im FCZ zuständig, also auch für die Junioren und die Frauen. Canepa erhofft sich von diesem Modell, dass noch mehr Junge den Sprung in die erste Mannschaft schaffen. «Strategisch müssen wir uns noch stärker darauf fokussieren, ein Ausbildungsklub zu sein», sagt Canepa.
Zur Kaderplanung will der neue Sportchef noch nicht viel sagen. Klar ist, dass ein Linksverteidiger kommen soll – und dass die Suche nach einer Leaderfigur weitergeht. Sie beschäftigt den FCZ eigentlich seit dem Rücktritt von Hannu Tihinen 2010, ganz sicher aber seit dem Karriereende von Alain Nef vor einem Jahr. Magnin sagt, er wünsche sich mehr Spieler, die Grinta auf den Platz bringen könnten.
Denis Popovic, vor einem Jahr als Führungsspieler angekündigt, erwies sich als Fehltransfer, der Vertrag mit ihm wurde im Februar aufgelöst. Mimoun Mahi, in den ebenfalls grosse Hoffnungen gesetzt wurden, verliess den FCZ kürzlich, offenbar auf Drängen seiner Frau, um in die Niederlande zurückzukehren. Dennoch denkt Canepa, man werde in der neuen Saison einen stärkeren FCZ sehen. Das fussballerische Potenzial sei vorhanden, sagt er, je länger die Mannschaft zusammen sei, desto stärker bildeten sich Automatismen heraus. Anders als vor den letzten Saisons, als jeweils das Erreichen des Europacups als Ziel ausgegeben wurde, bleibt Canepa jedoch vage, wenn er nun das Saisonziel formulieren soll. Man bleibe ambitioniert, sagt er.
Kaum Ferien für den Trainer
Dass die verunglückte Saison den Trainer nicht den Job gekostet hat, zeigt einmal mehr, wie eng die Beziehung zwischen dem Trainer und den Canepas ist. Ludovic Magnin sagt, er spüre «die totale Rückendeckung im Verein». Eine «knallharte Analyse» hatte er versprochen, in drei Wochen nun wurden die Puzzleteile identifiziert, die nicht passten. Ein Fehler sei gewesen, dass er die Quarantäne, in die sich seine Spieler hätten begeben müssen, unterschätzt habe, sagt er. Es sei ihm nicht gelungen, das Team wieder in Topverfassung zu bringen und auf den hohen Spielrhythmus richtig einzustellen. Ferien hatte Magnin kaum, aber bei seiner Rückkehr nach der kurzen Pause spüre er «wieder Zusammenhalt und positive Energie».
Die Zürcher werden sie brauchen. Nicht nur bei der Rückkehr auf den Platz. Auch die wirtschaftliche Zukunft ist ungewiss. Zwar dürfen ab Oktober wieder mehr als 1000 Zuschauer in den Letzigrund, doch Canepa geht davon aus, dass die Leute zurückhaltend sind mit Stadionbesuchen. Zudem bedeute es für den Klub einen Riesenaufwand, die Sicherheitsauflagen zu erfüllen. Das Klubbudget werde gleichwohl nicht dramatisch gesenkt, sagt Canepa.
Also wenn die "knallharte Analyse auf allen Ebenen" lediglich darin besteht, dass Magnin die Quarantäne-Phase unterschätzt habe, dann fehlen mir die Worte..
"Ich wechsle erst aus, wenn sich einer das Bein bricht." - Werner Lorant