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Der FCZ im Kartenhaus: Hinter dem Klub liegt erneut eine verstörende Saison – Magnin wird dennoch Trainer bleiben
Bei wohl keiner anderen Super-League-Mannschaft ist die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit grösser. Der FC Zürich führt zum Abschluss gegen Thun 3:0 und spielt am Ende doch nur 3:3. Er hat in dieser Saison alle Ziele verpasst.
Flurin Clalüna
03.08.2020, 22.44 Uhr
Als ob diese epochale Saison nicht schon denkwürdig genug gewesen wäre, betreibt der FC Zürich am Montagabend beim 3:3 gegen Thun auch noch etwas Geschichtsfolklore. Der Trainer Ludovic Magnin lässt den Goalie Andris Vanins spielen, und damit geschieht etwas, das es beim FCZ seit über dreissig Jahren nicht mehr gegeben hat. Vanins ist der erste über 40-jährige Spieler seit dem sagenumwobenen Torhüter Karl Grob, der in einen Pflichtspiel zum Einsatz kommt. Nun verlässt der Lette Zürich nach vier Jahren, er verabschiedet sich von einem Klub, der mit sich und der Welt hadert. 3:0 hatte der FCZ geführt, 3:3 stand es am Ende. Es war, als ob die Mannschaft zum Abschluss nochmals allen zeigen wollte, wie unberechenbar und launisch sie ist.
Am 1. August wurde der FC Zürich 124 Jahre alt, aber eine solche Saison hat er noch nie erlebt. Es war eine Seuchensaison, an die er sich immer erinnern wird, obwohl es schon wieder eine zum Vergessen war. Keine andere Mannschaft litt so sehr unter Covid-19 wie der FCZ, und bei wohl keiner anderen ist die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit grösser. Der FCZ hat alle Saisonziele verpasst, den Europacup, einen weiten Vorstoss im Cup, er ist keinen Schritt weiter als vor einem Jahr. Damals sagte der Trainer Ludovic Magnin: «Der Verein wird sich nun auf jeder Position hinterfragen.» Und als dies geschehen war, meinte der Präsident Ancillo Canepa: «Wir haben das Standing und die Ansprüche eines Spitzenklubs.»
Inzwischen hat Magnin gesagt, was er davon hält, wenn man den FCZ auf seine Ambitionen behaften will: «Blabla» sei das. Er kündigt «eine knallharte Analyse» an. Das klingt so radikal wie letztes Jahr, als Canepa sagte, eine solche Saison wolle er nie mehr erleben.
Magnins Rolle
Jetzt hat er eine noch viel verstörendere Saison erlebt, zum Teil unverschuldet wegen Corona, zum Teil sind die unglücklichen Monate aber auch auf einen Cocktail von Fehleinschätzungen zurückzuführen. Der FCZ habe ausschliesslich «Topspieler und Leader» verpflichtet, sagte Canepa im letzten Sommer. Und an Magnin habe er keine Sekunde gezweifelt. Die erste Aussage ist mehr als nur diskutabel, die zweite drückt Nachlässigkeit aus, falls es wirklich so gewesen sein sollte. Wenn die Analyse nun tatsächlich so knallhart ausfallen soll, wie es sich Magnin wünscht, wird sie auch seine eigene Rolle umfassen.
Man muss sich aber nichts vormachen: Die Bereitschaft für einen Trainerwechsel gibt es im FCZ nicht, zumindest nicht bei Canepa. Magnin wird Chefcoach bleiben, auch in der nächsten Saison. Dabei gäbe es gute Gründe, dies auch anders zu sehen. Der zurückgestufte Sportchef Thomas Bickel ist schon länger ein Kritiker, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihn die Skepsis gegenüber dem Trainer am Ende auch den Job gekostet hat.
Dreissig Monate ist Magnin auf seinem Posten, über 100 Spiele stand er an der Seitenlinie, nur etwas mehr als ein Drittel dieser Partien konnte er gewinnen. Er hat die Gnade des frühen Erfolgs, den Cup-Sieg 2018 und die darauffolgenden Auftritte im Europacup, aber das alles verblasst allmählich. Argumente, die für ihn sprechen, sind schon länger keine mehr dazugekommen, nicht einmal Softfaktoren, die den Spielstil, die Entwicklung der Spieler oder die Mentalität der Mannschaft betreffen. Neun Mal hat der FCZ in dieser Saison 0:4 oder höher verloren, er ist labil wie ein Kartenhaus, und die zehntägige Quarantäne hat ihn noch anfälliger werden lassen.
Dritte Kraft
Seit neun Jahren spielt der FC Zürich nicht mehr um den Meistertitel, egal wie der Trainer gerade heisst. Nach dem Wiederaufstieg 2017 sprach man im FCZ von einer Übergangssaison, danach wollte man die Spitze angreifen und zur dritten Kraft im Schweizer Fussball werden hinter YB und Basel.
Inzwischen folgt eine Übergangssaison auf die nächste, immer erst morgen soll alles besser werden. Der FC Zürich macht nicht glücklich, die Fans nicht, die Spieler nicht und auch den Präsidenten nicht. Canepa war zuletzt nach sechs Niederlagen in Serie ungehalten über die Auftritte seiner Spieler, seine Corona-bedingte Nachsicht wird immer geringer. Vor allem in den letzten zwei Saisons war der FCZ sehr weit entfernt davon, den Wunschvorstellungen seines Präsidenten zu entsprechen. Auch am Montagabend wird sich Canepa wieder über seine Mannschaft gewundert haben.
Aber wenn Canepa nicht bereit ist, am Trainer zu rütteln: Welche Einflussmöglichkeiten hat er dann noch, besonders in dieser Wirtschaftskrise, die Investitionen in die Mannschaft unwahrscheinlich erscheinen lässt? Canepa hat die sportliche Führung umgekrempelt und Marinko Jurendic zum neuen Sportchef ernannt. Aber ob das genügt, ist eine andere Frage. Neue Spieler wird sich der Klub kaum leisten können, solange nicht einmal feststeht, ob in der neuen Saison wieder mehr als nur 1000 Zuschauer ins Stadion gelassen werden. Einnahmen aus dem Europacup gibt es ebenso wenig wie Spieler, die sich teuer verkaufen lassen. Es war schon angenehmer, FCZ-Präsident zu sein.
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