LZ vom 28.07.20
Die unheimliche Firma, die GC kaufte
Das chinesische Fosun-Konglomerat, das den Zürcher Traditionsklub übernommen hat, ist Türöffner für strategische Ziele der Regierung.
Felix E. Müller
Als das Unternehmen Fosun im Frühling den traditionsreichen Fussballclub Grasshopper Zürich übernahm, fragten sich alle: Wer um Himmels willen sind denn diese Chinesen?
Dabei war Fosun längst da. Zum Beispiel in Zürich am Limmatquai 72, dem Domizil von Fosun Management Schweiz. Das Unternehmen wurde 2015 gegründet, aber nach bloss vier Jahren still und heimlich wieder liquidiert. Oder an der Fortunagasse in Zürich, wo eine kleine Niederlassung des Rückversicherers Peak Reinsurance aus Hongkong residiert, der Fosun gehört. Oder in Luzern. Dort findet sich die Fosun Pharma an der Hertensteinstrasse. «Wir haben uns einen grossen Fisch geangelt», jubelte 2017 die Luzerner Standortförderung.
Es war ein Fischchen, denn die Chinesen belegen heute in einem Businesspark etwas Bürofläche, ohne eigenen Telefonanschluss oder eigenes Sekretariat. Auf die Frage nach den Geschäftsaktivitäten verweist der Chef, Dieter Schaffer, auf den Mediensprecher der Mutter in Schanghai, der allerdings auf keine Anfrage reagiert. Immerhin schreibt Schaffer noch, vom Kauf von GC habe er erst aus den Medien erfahren.
Man darf es ihm glauben. Die Begründung dafür findet sich in der Struktur der Firma. Fosun ist ein typisch chinesischer Mischkonzern: undurchschaubar, intransparent, medienscheu. Dabei handelt es sich um das grösste in Privatbesitz befindliche Unternehmen von China, mit einer Börsenkapitalisierung von etwa 11 Milliarden Dollar. Gegründet wurde die Firma 1992 von vier Studenten. Eine klare Strategie ist letztlich nicht zu erkennen. Das Motto scheint eher zu lauten: Man kauft, wo sich Opportunitäten bieten. Deshalb gleicht die Firma einem Gemischtwarenladen. Die Chinesen sind Hauptinvestoren des Cirque du Soleil, kaufen Immobilien zusammen, haben sich die deutsche Privatbank Hauck & Aufhäuser gekrallt oder das Reiseunternehmen Thomas Cook – ein Investment, das mit einer Pleite und einem Verlust von mehreren hundert Millionen Pfund endete. Dessen letzter Chef, der Schweizer Peter Fankhauser, liess Fragen zu Fosun ebenfalls unbeantwortet.
Der Besitzerwechsel sollte eigentlich verschwiegen werden
Um dieses kunterbunte Konglomerat etwas zu ordnen, bündelt Fosun seine Beteiligungen in drei Sektoren. Dabei ist – neben Gesundheit und Finanzen – der Dritte der originellste: Er nennt sich «Happiness». Dort wird GC künftig eingegliedert. Einige Monate ist es her, seit die Chinesen den Zürcher Traditionsverein übernommen haben. Doch an der Limmat gezeigt haben sie sich noch nie. Die «NZZ am Sonntag» schrieb unlängst: «Die Chinesen sind weder sicht- noch spürbar. Seit der Machtübernahme haben sie, abgesehen von zwei inhaltsarmen Interviews des Präsidenten Sky Sun, kein einziges öffentliches Wort mehr über ihren Klub verloren.» Sie hätten gar ursprünglich gefordert, den Besitzerwechsel öffentlich nicht zu kommunizieren. Auch die neue Besitzerin Jenny Wang tritt bis anhin nicht öffentlich in Erscheinung. An Transparenz scheint Fosun, folgerte die Zeitung, wenig zu liegen.
Also muss man den Blick nach Grossbritannien richten, um zu erahnen, welche Absichten die neuen Besitzer mit GC verfolgen könnten. Im Jahr 2016 kaufte Fosun nämlich den britischen Traditionsverein Wolverhampton Wanderers, der damals in der zweiten englischen Liga dümpelte. Präsident wurde ein gewisser Jeff Shi, seine rechte Hand ein gewisser Sky Sun. «Was die beiden beruflich früher gemacht haben, ist nicht wirklich bekannt», sagt Alex Dicken, der den Verein für die «Birmingham Mail» verfolgt. Die neuen Besitzer installierten den Portugiesen Nuno Espirito Santo als Trainer und verpflichteten zahlreiche talentierte Spieler aus Portugal. Um einen Zufall handelte es sich dabei nicht, weil sich Fosun fast gleichzeitig mit einer grösseren Beteiligung in die Spieleragentur des Portugiesen Jorge Mendes eingekauft hatte. Mendes gehört zu den ganz Grossen im Geschäft und hat etwa Christiano Ronaldo unter Vertrag. Dank der Enthüllungen von «Football Leaks» weiss man mehr über die Absichten von Fosun und Mendes: Interne E-Mails beschreiben 2016, dass mit dem Kauf und Verkauf von Fussballspielern in kurzer Zeit viel Geld verdient werden könne. Es handle sich um den «lukrativsten Teil des Fussballgeschäfts». Aus diesem Grund sollten vor allem Jungakademien übernommen werden, um noch früher an talentierte Junioren heranzukommen.
China will Weltmarktführer werden – auch im Fussball
Im Fall von Wolverhampton funktionierte das gut: Der Club stieg in die Premier League auf, was den Wert der portugiesischen Jungtalente vervielfacht hat. Entsprechend stieg der Wert des Klubs, der heute auf das Zehnfache des ursprünglichen Kaufpreises geschätzt wird. Happiness also in Birmingham! Aber auch Happiness in Peking? Das Magazin «Forbes» schrieb vor einigen Jahren, Fosun richte seine Investments offensichtlich darauf aus, «Chinas nationale Investmentziele zu unterstützen». Wie das konkret abläuft, zeigte sich unlängst, als Fosun beim Biotech-Unternehmen Biontech einstieg. Die Deutschen gehören zu den führenden Kandidaten für die Entwicklung eines Covid-Impfstoffs. Aus Sicht der Pekinger Führung kann es sicher nicht schaden, wenn man nahe dran ist und die Hand auf einen Teil der künftigen Impfstoff-Produktion legen kann.
Doch auch im Fussball will China Weltmarktführer werden. Für Präsident Xi Jinping, den grossen Fussball-Fan, handelt es sich ebenfalls um ein strategisches Projekt, zu dem Fosun mit seinem Engagement in Grossbritannien und Zürich sowie der Nähe zu Spielervermittler Jorge Mendes einen wichtigen Beitrag leisten kann. Simon Chadwick, der als Professor für Sportbusiness an der Salford University in Manchester tätig ist, legt für die Übernahme der Wolverhampton Wanderers eine interessante Erklärung vor. Fosun habe kürzlich von der chinesischen Regierung als erste Privatfirma die Lizenz für den Bau einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke erhalten. In Grossbritannien werde an einem vergleichbaren grossen Projekt gearbeitet, das eine Schnellbahn von London bis nach Leeds und Manchester und allenfalls gar Glasgow verwirklichen will. Im Zentrum dieser Strecke befindet sich Birmingham. «Fosun möchte dank seines Engagements beim lokalen Traditionsverein an Aufträge herankommen.»
Sicher sei der Fussball für sich schon ein attraktives Geschäft, aber er diene zusätzlich als Türöffner für Deals in anderen Sparten. Diese würden den strategischen Zielen der chinesischen Regierung dienen. «Chinesische Grossunternehmen operieren nicht nur als kommerzielle Organisationen, sondern auch als politische Instrumente.» Nirgends sei dieser Zusammenhang offensichtlicher als im Fall von Fosun. Dass Mitgründer Guo Guangchang bisher die Kontrolle über Fosun nicht verloren habe, erklärt Chadwick mit einer dramatischen Episode in dessen Karriere. Guo verschwand 2015 plötzlich aus der Öffentlichkeit. Niemand wusste, wo er sich befand. Als Guo nach sieben Tagen wieder auftauchte, sagte er zur Begründung seiner Abwesenheit bloss, er habe den Behörden «bei Ermittlungen» geholfen. Für Chadwick besteht kein Zweifel, dass Guo verhaftet wurde und nur deshalb auf seinen Posten zurückkehren durfte, «weil er kapituliert hat». Also: Weil er versprach, künftig stets im Interesse Pekings zu handeln.
In der Schweiz lässt sich verschwiegener geschäften
Für China ist die Schweiz als globales Zentrum der Pharmaindustrie, der Versicherungen, der Banken ein attraktiver Standort. Sie ist neutral, nicht in der EU, aber mit ihr stark verflochten. Hier lässt sich mit viel grösserer Verschwiegenheit geschäften als in der EU oder den USA. Auch gegenüber direkten Investitionen aus China ist die Schweiz weniger kritisch eingestellt als andere Länder, obwohl sich die Übernahmen von Gategroup, SR Technics oder Syngenta als Misserfolge erwiesen haben. «Für Fosun gibt es viele Gründe, in der Schweiz tätig zu sein», sagt Chadwick.
Mit GC allein lasse sich durchaus Geld verdienen, aber letztlich sei der Verein wohl «Mittel zum Zweck, sich Zugang zu andern Aktivitäten zu verschaffen». Doch da Fosun bereits jetzt nur im Verborgenen operierte, dürfte mehr Transparenz ein Wunschtraum bleiben. Für Chadwick ist die Schlussfolgerung klar: Da Peking heute alle Aktivitäten von Fosun kontrolliere, werde auch «GC künftig von der chinesischen Regierung überwacht».
Ob es wohl anstrengend ist, als Hardcore-Fan hier die Augen so fest zuzudrücken, dass man von all dem Scheiss nichts mitbekommt? Bin ich froh, dass wir bisher von so einem Müll verschont sind. Keine Ahnung wie ich unter solchen Voraussetzungen ins Letzi pilgern könnte..