Financial Foulplay
Klubs wie ManCity, Juventus, PSG oder Barca haben einen gemeinsamen Gegner: das Financial-Fairplay der UEFA. Doch sie wissen die Regeln geradezu genial zu umdribbeln. Wie die Transfers von Barcelonas Arthur und Turins Miralem Pjanic zeigen.
Was für ein spektakulärer Transferdeal, was für fette Zahlen. Besonders in mageren Zeiten wie diesen. Italiens Rekordmeister Juventus Turin angelt sich den 23-jährigen brasilianischen Spielmacher Arthur Melo vom FC Barcelona – dem Vernehmen nach für sage und schreibe 80 Millionen Euro Ablöse. Im Gegenzug verpflichtet Barca den bereits 30-jährigen Bosnier Miralem Pjanic von den „Bianconeri“ – für noch unglaublichere 70 Millionen Euro.
Wobei Juve dem Messi-Klub auch einfach den Differenzbetrag von zehn Millionen Euro überweisen könnte – sollte man jedenfalls meinen. Doch dieser Transfer ist in Wahrheit viel komplexer, denn laut des britischen Twitter-Bloggers „The Swiss Ramble“ ist das Ding in erster Linien so eine Art, nun ja, „Luftbuchung“, um die Hüter des Financial Fairplay (FFP) zum Narren zu halten. Und für derlei „Luftbuchungen“ braucht man vor allem eines: möglichst große Geldbeträge.
Buchungsplus: 60 Millionen Euro
Sowohl Juventus Turin als auch der FC Barcelona sind nämlich in argen FFP-Nöten und müssen dringend ihre Transferbilanz aufpolieren, um Sanktionen vonseiten der UEFA abzuwenden. Da trifft es sich gut, dass beide Klubs aus diesem insgesamt 150 Millionen Euro schweren „Spielertausch“ mit einem buchungstechnischen Transferplus von jeweils rund 60 Millionen Euro hervorgehen.
Wie das bitte schön funktioniert? Im Prinzip ganz einfach. Spieler gelten buchhalterisch als Vermögenswerte, deshalb werden die bezahlten Transfersummen als Aufwand abgeschrieben – und zwar gleichmäßig verteilt über die Vertragslaufzeit. Dieser Prozess nennt sich Spieler-Amortisation. Arthur zum Beispiel kam vor zwei Jahren für 30 Millionen Euro von Gremio Porto Alegre zu Barca und erhielt einen Sechsjahresvertrag, sodass im Zuge der Spieler-Amortisation pro Jahr ein Sechstel von seinem Buchwert (hier: fünf Millionen) abzuziehen ist. Heute beträgt der Buchwert also nur noch 20 Millionen Euro. Wenn Barca den Sportsfreund Arthur nun für 80 Millionen nach Turin verkauft, dürfen die Blau-Roten ein Buchungsplus von 60 Millionen Euro an die UEFA vermelden: Transferbilanz im Sinne der FFP-Kriterien mächtig aufgehübscht.
Für alle, die diese (zugegebenermaßen komplizierten) Buchungsmechanismen noch nicht vollständig verstanden haben, hier dasselbe Spielchen noch einmal: Juventus kaufte den Sportkameraden Pjanic 2016 für 35 Millionen Euro von der AS Rom und gab ihm einen Fünfjahresvertrag. Allerdings verlängerte der Mittelfeldmann seinen Vertrag 2018 vorzeitig um zwei weitere Jahre bis 2023, was die Sache mit der Spieler-Amortisation und der jährlichen Abschreibungssumme noch etwas komplizierter macht. Pjanic‘ aktueller Buchwert jedenfalls beträgt nur noch 13 Millionen Euro. Wird der Edeltechniker nun für 70 Millionen Euro nach Barcelona transferiert, darf Juve ein Buchungsplus von 57 Millionen an die UEFA berichten: Transferbilanz im Sinne der FFP-Kriterien mächtig aufgehübscht.
Sarkastisch könnte man von einer klassischen Win-Win-Situation sprechen. Oder, wie „The Swiss Ramble“ schreibt: „Es könnte den FFP-Zwecken gedient haben. Ich denke, die UEFA würde hier nur einschreiten, wenn die Höhe der Ablösen absolut ins Lächerliche abdriften.“ Die Financial-Fairplay-Prüfer wissen natürlich, dass sie (und das ist jetzt nicht im juristischen Sinne zu verstehen) „betrogen“ werden – und zwar von zwei notorischen FFP-Problemfällen, die sich mit einem ziemlich kreativen Deal gegenseitig aus der Patsche helfen. Die realen Kosten trägt letztlich Juve, das für Arthur zehn Millionen mehr hinlegen muss, als man für Pjanic bekommt. Allerdings hat man dafür einen um sieben Jahre jüngeren Spieler mit echtem Wertsteigerungspotenzial.
„Die UEFA würde hier nur einschreiten, wenn die Höhe der Ablösen ins Lächerliche abdriften“
Wer übrigens glaubt, dass der Kuhhandel zwischen den Katalanen und der Fiat-Familie ein erschreckender Einzelfall ist, sollte vielleicht mal einen Blick auf einen reichlich merkwürdigen „Spielertausch“ zwischen Juventus Turin und Manchester City im vergangenen Sommer werfen: Damals holten die „Himmelblauen“ den portugiesischen Rechtsverteidiger Joao Cancelo (derzeitiger Marktwert laut transfermarkt.de: 36 Mio.) für erstaunliche 60 Millionen Euro auf die britische Insel – im Gegenzug wechselte der brasilianische Rechtsverteidiger Danilo (28) für ebenfalls stattliche 34 Millionen vom Pep-Klub nach Nord-Italien.
Laut „The Swiss Ramble“ dürfte man derartige Hin-und-her-Handelsabkommen im kommenden Transferfenster noch häufiger sehen. Denn einerseits sind im Zuge der Corona-Krise immer mehr Vereine in Financial-Fairplay-Trouble und könnten nun versucht sein, auf diese Weise ihre Transferbilanzen aufzuhübschen. Andererseits sind Tauschdeals in Zeiten leerer Kassen und ungewisser Perspektiven für manchen Klub die einzige Chance, sich überhaupt zu verstärken.
Ein ganz dickes Ding soll zuletzt der FC Barcelona geplant haben: Um den an Paris Saint-Germain verlorenen Sohn Neymar zurück nach Katalonien zu lotsen, heckte man ein „Tauschgeschäft“ mit insgesamt vier Spielern aus: Das Trio Ousmane Dembélé, Samuel Umtiti und Jean-Claire Todibo (zuletzt an Schalke 04 ausgeliehen) sollte im Gegenzug an PSG abgegeben werden. Natürlich hätte jeder der vier Spieler eine „angemessene“ Ablöse gekostet, so dass die Buchhalter beider Klubs ihre helle Freude gehabt hätten. Wie es aussieht, dürfte der Neymar-Deal so nicht zustande kommen. Doch Klubs wie Barca, PSG, ManCity oder Juve sind bekanntlich sehr einfallsreich, wenn es darum geht, die FFP-Regularien zu umdribbeln.
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