Entmachtung des FCZ-Sportchefs Thomas Bickel
Der Super-League-Klub kommuniziert überraschende Änderungen im Führungs-Organigramm. Im Zuge von Bickels Abberufung ist klar, dass er dem Trainer kritischer gegenüberstand als der Präsident. Der U-21-Trainer Marinko Jurendic erfährt eine grosse Beförderung.
Flurin Clalüna
12.06.2020, 19.40 Uhr
Thomas Bickel (rechts) galt lange als Puffer im emotional geführten Klub, und er hat dem FCZ in dieser Hinsicht gutgetan.
Das Communiqué, das der FC Zürich am Freitag verschickt hat, klingt technisch und nüchtern. Aber dahinter versteckt sich eine Geschichte, in der es um Menschen geht, vor allem um ihn: um Thomas Bickel. Mit «Organisatorische und personelle Änderungen beim FC Zürich» übertitelte der Verein die überraschende Ankündigung, dass Bickel nach vier Jahren nicht mehr länger Sportchef des FCZ sein wird.
Auch wenn es niemand offiziell so nennt: Es handelt sich um eine Entmachtung. Bickel wird zwar vorläufig zuständig bleiben für das Transferwesen. Und der Klub hat ihm ein Angebot für eine andere Aufgabe unterbreitet, aber es ist fraglich, ob er dieses annimmt. Auf Anfrage äussert sich Bickel nicht zu seiner Degradierung und zu ihren Gründen. Es ist vermutlich ähnlich wie in anderen Fällen vor ein paar Jahren: Auch dem freigestellten Trainer Urs Meier und dem zurückgestuften Sportchef Marco Bernet hatte der FCZ andere Stellen im Verein angeboten. Geklappt hat es nie.
Was den Anstoss zu Bickels Abberufung gegeben hat, ist unklar. Der Präsident Ancillo Canepa war für die NZZ nicht erreichbar. Er soll schon länger von Bickel nicht mehr überzeugt gewesen sein. Klar ist, dass Bickel dem Trainer Ludovic Magnin kritischer gegenüberstand als Canepa. Dessen Frau Heliane hingegen stand dem Vernehmen nach Bickel näher als Magnin.
In dieser schwierigen Machtkonstellation ist Bickel nun der Verlierer. Er galt lange als Puffer im emotional geführten Klub, und er hat dem FCZ in dieser Hinsicht gutgetan. Seine Transferbilanz ist durchzogen, in seine Zeit fallen zwar die Verpflichtungen von Stephen Odey und Raphael Dwamena, die dem Verein beim Weiterverkauf viel Geld eingebracht haben. Aber auch teure Missverständnisse wie den Zuzug von Denis Popovic hat Bickel mitzuverantworten.
Bickel hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihm auch Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Gleichzeitig war die Arbeit im Dreieck Canepa-Canepa-Magnin nicht immer einfach für den zurückhaltenden Sportchef, weil das Präsidentenehepaar auch in sportlichen Fragen gern das letzte Wort behält. Manchmal entstand der Eindruck, Bickel reibe sich in diesem Gefüge auf. Es war in den letzten Jahren immer eine offene Frage: Wie gross ist Bickels Einfluss tatsächlich? Offenbar ist er zuletzt so klein geworden, dass Ancillo Canepa ihm eine Weiterarbeit in der alten Rolle nicht länger zutraut.
Bickel hätte seinen Job als Sportchef gern behalten. Aber diesen übernimmt nun per August ein anderer, Marinko Jurendic, bisher Cheftrainer des U-21-Teams des FCZ. Er ist ausgebildeter Pädagoge mit juristischer Erfahrung und stand als Trainer des SC Kriens und des FC Aarau kurz in der Öffentlichkeit. Der 42-jährige Jurendic wird für drei Bereiche verantwortlich sein: für die Profimannschaft, die Academy und die Frauen des FC Zürich.
Ausserdem wird der 53-jährige Heinz Moser, derzeit noch Ressortchef Juniorenauswahlen des Schweizerischen Fussballverbandes, die Funktion als «Leiter Ausbildung und Entwicklung» im FCZ übernehmen. In dieser Rolle ist er für die Gesamtausbildung und das Talentmanagement zuständig. Der ausgebildete Primarlehrer absolvierte während seiner Spielerkarriere knapp 500 Ligaspiele für Luzern, die Young Boys, Sitten und Thun.
Eine Woche vor dem Wiederbeginn der Meisterschaft hat der FC Zürich nun also die Weichen für die neue Saison gestellt. Thomas Bickel führten sie auf ein Abstellgleis.
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