Beitragvon Simon Le Bon » 23.11.19 @ 12:30
«Ich möchte Schönbächler immer spielen sehen» - Tages-Anzeiger von heute 23.11.2019
Peter M. Birrer und Thomas Schifferle
Marco Schönbächler ist in Form. Beim 4:2 des FCZ gegen Sion ist er an drei Toren beteiligt, zwei Wochen zuvor gelang ihm beim 3:2 gegen Basel ein Treffer.
Als der Offensivspieler zum Interview erscheint, streicht er sich mit der Hand über die kurz geschnittenen Haare und sagt: «Wenn ich gewusst hätte, dass ich fotografiert werde, wäre ich vorher zum Coiffeur gegangen.» Und später, als er über Kritik an der Mannschaft redet, sagt er: «Die Journalisten schreiben ab und zu einen Mist zusammen. Und wir spielen ab und zu einen Mist zusammen.» Dann lacht er.
Schönbächler, der am 11. Januar 30 wird, ist FCZler durch und durch. Er wechselte als Junior von Urdorf zum Stadtclub, debütierte 2006/07 unter Lucien Favre in der ersten Mannschaft und ist 2019 immer noch da. Allerdings hat er eine lange Geschichte mit Verletzungen: Zwischen März 2015 und Februar 2019 fiel er insgesamt fast drei Jahre aus.
Wenn man Ihnen derzeit zuschaut, könnte man meinen, es handle sich um den Marco Schönbächler der jungen Jahre.
Das ist schön zu hören. Ab und zu fühle ich mich wie damals, als ich 20 war. Dann gibt es Tage, an denen ich mir älter vorkomme, weil mir alles wehtut. Aber grundsätzlich läuft es mir wieder gut. Ich habe ein paar Spiele in Folge bestritten und bin dadurch in einen Flow gekommen.
Was brauchte es, um wieder regelmässig spielen zu können?
Arbeit. Und Vertrauen: in die eigenen Fähigkeiten, aber auch in den Körper.
Sie fielen zweimal verletzungsbedingt sehr lange aus und drohten vergessen zu gehen.
Es gab Spieler beim FCZ, über die sicher mehr geredet wurde. Die Journalisten vergassen mich vielleicht, aber das störte mich überhaupt nicht. Für die Kollegen und Fans war ich nie weg. Ich wurde auf der Strasse häufig angesprochen und aufgemuntert.
Gab es Momente, in denen Sie an einen Rücktritt dachten?
Nein, nie.
Was trieb Sie an?
Meine Liebe zum Fussball. Das ist meine Leidenschaft. Aber ich muss auch zugeben: Es gab vor allem während des ersten längeren Ausfalls schwierige Phasen. Weil lange unklar war, worum es sich handelt. Beim Kreuzbandriss, wie ich ihn später erlitt, war planbar, wann ich das Comeback geben würde. Bei der ersten Verletzung liess sich keine Prognose machen. Manchmal pausierte ich eine Woche, die Schmerzen waren verflogen. Aber kaum war ich auf dem Platz, waren sie wieder da. Ich hatte immer das Gefühl: Irgendetwas ist kaputt.
Was war denn kaputt?
Ein Arzt in London fand heraus, dass das Schambeinband gerissen war. Ich wusste gar nicht, dass es das gibt.
Aber dank der Diagnose verstanden Sie, warum Sie dauernd Probleme gehabt hatten?
Genau. Was er sagte, machte durchwegs Sinn - auch wenn er Englisch sprach und ich das zur Hälfte nicht verstand (lacht).
Dafür wissen Sie nun sicher, was «Schambein» in Englisch heisst.
«Pubic bone». Bevor ich nach England flog, setzte ich mich ein bisschen mit der Materie und einigen Begriffen auseinander, damit ich mich mit dem Arzt unterhalten konnte. Als ich die Diagnose endlich hatte, ging es ziemlich schnell. Ich reiste eine Woche später wieder nach London, einen Tag nach der Operation durfte ich nach Hause.
Ohne Krücken?
Genau. Ich musste sogar noch rennen, um rechtzeitig das Flugzeug zu erreichen.
Was machten die Verletzungen mit Ihnen?
Nicht sehr viel. Ich würde nicht sagen, dass ich vorsichtiger geworden bin, aber ich achte mehr auf die Regeneration. Ich gehe noch bewusster mit mir um.
Wenn Sie darüber reden, zieht Sie das nicht runter?
Nein. Die Verletzungen gehören dazu. Wenn ich mich in unserer Mannschaft umschaue: Da haben viele Spieler schon einmal das Knie operiert.
Wie ist es am Morgen nach dem Aufstehen? Horchen Sie als Erstes in Ihren Körper?
Ich stehe auf, mache die ersten paar Schritte, gehe in die Küche, bereite das Frühstück vor. Und irgendwann ist der Körper geölt, dann geht es wieder.
Hadern Sie nicht, dass Sie gleich Jahre kaum gespielt haben?
Im Nachhinein ist es natürlich schade. Die Verletzungen kamen zu sehr dummen Zeitpunkten.
Sehr dumm, weil ein Transfer ins Ausland möglich gewesen wäre...
oder weil ich gut in Form war, weil ich in die Nationalmannschaft gekommen war, solche Sachen halt. Sicher gab es Momente, in denen ich allein daheim war und es mir weniger gut ging. Und ich mich fragte: Wieso wieder ich? Aber ich konnte es nicht ändern und schaffte es vorwärtszuschauen. Es bringt doch nichts, schlechte Laune zu haben.
Wer und was hilft in einer solchen Zeit?
Man muss sich selber helfen, man muss die Motivation selbst finden. Man hat nicht immer Leute um sich herum, die einen antreiben. Ich bin auch nicht der Typ, der andere Leute mit seinen Wehwehs und Bobos belasten will. Ich bin eher jemand, der etwas in sich hineinfrisst.
Was ist vom 17-jährigen Marco Schönbächler übrig geblieben?
Natürlich bin ich erwachsener geworden, ich habe eine andere Rolle, ich bin nicht mehr der Junge, der machen kann, was er will, ohne dass gleich etwas Grösseres daraus wird. Ich habe eine Vorbildfunktion. Ich habe nicht mehr so viele Flausen im Kopf und auch nicht mehr diese Frisuren, über die früher viel geschrieben wurde. Aber die Unbeschwertheit, die habe ich behalten. Auf und neben dem Platz.
Würden Sie auch mit 30 noch «Schönbi» aufs Leibchen schreiben, wie Sie das einmal machten?
Wieso nicht? Ich habe immer Freude, wenn jemand mit einem solchen Leibchen kommt und eine Unterschrift will. Klar gab es ein paar kritische Stimmen, aber es war ja nur ein Spass. Und als «Schönbi» auf dem Leibchen stand und es nicht lief, bekam ich das zu hören
und Sie hatten den Stempel.
Genau. Und es hiess auch, ich würde vor allem auf die Frisur schauen Aber es hatte doch jeder mal einen speziellen Haarschnitt. Ich kam leicht dazu, weil meine Schwester Coiffeuse ist.
Sie sagten einmal, dass Sie zur Bequemlichkeit neigen.
Bequemlichkeit? Wenn es gut läuft, ist man schnell einmal zufrieden. Und das Gefühl kommt auf, dass vieles von allein geht. Bei mir war das so. Irgendwann bin ich «uf d Schnurre gheit» und habe gemerkt, dass es doch nicht so einfach ist, wie ich meinte. Ich spielte nicht mehr und musste Gas geben, damit es wieder aufwärtsging.
Haben Sie wegen Ihrer Rückschläge eine grössere Karriere verpasst?
Es wäre wahrscheinlich ein Transfer ins Ausland möglich gewesen. Aber ja, vielleicht ist es auch Bestimmung gewesen, dass ich so lange beim FCZ bin.
Mönchengladbach war 2014 ein ernsthaftes Thema für Sie, Hertha Berlin war es auch einmal, und im Sommer 2018 wollte Urs Fischer Sie zu Union Berlin holen. Wenn Sie heute die Bundesliga schauen, denken Sie dann nicht: Da könnte ich sein?
Klar, habe ich die Gedanken: Es wäre schon cool gewesen Die ersten zwei Angebote waren zu früh, ich fühlte mich noch nicht bereit, und ich wollte mich auch zuerst bei Zürich richtig durchsetzen. Ich bin auch einer, der etwas Angst hat vor Neuem. Und es gab schon damals Beispiele von Spielern, die zu früh ins Ausland gingen, wieder zurückkehrten und bei schlechteren Clubs landeten. Das schreckte mich ab. Aber ich blieb auch immer gerne in Zürich - in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin.
Was ist denn der FCZ für Sie?
Das ist der Club, der mir die Möglichkeit gab, Profi zu werden. Ich bin schon so lange hier - seit ich 12 bin. Früher schaute ich die Trainings der 1. Mannschaft und wusste immer: Da will ich hin. Es ist einfach ein geiler Club.
Würden Sie in der Südkurve stehen, wenn Sie selbst nicht spielen würden?
Wahrscheinlich nicht mehr, ich wäre aus dem Alter raus. Ich würde auf der Osttribüne sitzen, weil ich den Match objektiver anschauen möchte. In der Kurve sieht man wenig vom Spiel.
Und als Zuschauer würden Sie gerne einem Marco Schönbächler zuschauen?
Ich möchte Schönbächler immer spielen sehen. (lacht)
Was gefällt Ihnen an Ihrem Spiel?
Dass ich mich immer nach vorne orientiere. Wenn ich den Ball habe: immer nach vorne. Selbst unter Bedrängnis spiele ich nicht gerne zurück.
Beenden Sie beim FCZ Ihre Karriere?
Ich werde bald 30, der Vertrag läuft danach noch ein Jahr. Dann bin ich 31. Es hängt davon ab, wie mein nächster Vertrag beim FCZ aussieht.
Welchen Vertrag würden Sie sich denn geben?
Fünf Jahre, guter Lohn
eine Stammplatzgarantie?
Das sowieso, weil ja alle Leute mich spielen sehen wollen. Und einen Anschlussvertrag beim FCZ würde ich mir auch gleich geben. (lacht laut)