Quelle: Tagi.ch / ABO-Artikel
Das sind die Zürcher Stadiongegner
Wer ist die IG Freiräume, die den Neubau verhindern will? Die Gruppe hat einen Draht zur Klimajugend – und einen TV-Korrespondenten auf ihrer Seite.
Marius Huber
Redaktor Zürich
Alternativ, grün, klimabewegt – das ist das Holz, aus dem die neue Generation der Stadiongegner geschnitzt sind. Jene, die einen zweiten Volksentscheid erzwingen wollen, um die Brache zu erhalten, die seit dem Abriss des alten Stadions vor gut zehn Jahren zur Oase im Quartier geworden ist.
Im Gegensatz zur letzten Abstimmung, als die mächtige Stadtzürcher SP den Widerstand anführte, macht das diesmal die wenig bekannte IG Freiräume, eine Bürgerbewegung aus dem Quartier. Sie hat angekündigt, ab dem 30. Oktober Unterschriften zu sammeln, um den Gestaltungsplan für das Projekt mit den zwei Hochhäusern per Referendum zu Fall zu bringen.
Wer sind diese Leute, die schaffen wollen, wozu die rot-grüne Gemeinderatsmehrheit ihrer Ansicht nach «nicht den Mut» hat? Das prominenteste Gesicht im Vorstand ist eines, das sich nicht in den Medien zeigen darf – so hat es Jean-Marc Heuberger mit seinem Arbeitgeber abgemacht. Der 47-Jährige ist Deutschschweiz-Korrespondent für die Tagesschau des Westschweizer Fernsehens.
Heuberger kann sich dank einer Ausnahmeregelung politisch engagieren, da das Thema so lokal ist, dass es in der Westschweiz nicht interessiert. Sollte es anders kommen, müsste er in den Ausstand treten. Er selbst wohnt in Höngg, ist aber ein resoluter Verteidiger der Stadionbrache, auf der er früher Fussballtrainings für Kinder leitete.
Die grüne Allianz
Das andere Gesicht des IG-Vorstands, Sprecherin Lisa Kromer, verkörpert das Milieu des Widerstands idealtypisch: Mitglied der Grünen, «Brachianerin der ersten Stunde» und Bewohnerin der alternativen Wohnbaugenossenschaft Kraftwerk gleich nebenan. Solche Überschneidungen sind häufig, auch wenn der Verein Hardturmbrache politisch nicht mitmischen will und sich Kromer deshalb aus dem Vorstand zurückzog.
Im Referendumskomitee macht zum Beispiel auch Genossenschaftsgründer Hans Widmer mit, in den Achtzigern unter dem Pseudonym «P.M.» ein Kultautor der anarchistischen Szene. Er setzt sich heute für ökologischere Städte ein und ist ein scharfer Kritiker jener Art von Städtebau, für die der Glattpark oder die Europaallee stehen.
Mit dabei sind auch zahlreiche Mitglieder der Grünen, die als einzige Partei gegen das Stadionprojekt kämpfen. Die bekanntesten sind das Powerpaar Markus Knauss und Gabi Petri, die zusammen den Zürcher VCS leiten und vor 15 Jahren schon das erste Stadionprojekt bekämpften. Besonders engagiert ist diesmal Knauss, das politische Schwergewicht des Widerstands, der sich aber nicht zu stark in den Vordergrund stellen will. Ein anderer prominenter Grüner, der das Stadionprojekt bekämpft, ist Maurice Maggi, stadtbekannt als Guerillagärtner.
Frauen- und Klimabewegte
Die IG ist bemüht, fürs Komitee auch Leute aus anderen Quartieren zu gewinnen und Abweichler aus anderen Parteien. Wie die Regisseurin und AL-Kantonsrätin Laura Huonker. Oder die Juristin Sandra Bienek, Vorstandsmitglied bei den Stadtzürcher Grünliberalen und im Quartierverein Kreis 5. Bienek und Kromer, beides Feministinnen, versuchten auch den Bogen zur Frauenstreikbewegung zu schlagen: Aus Frauensicht dürfe es nicht sein, dass der einzige «soziale Grünraum» in Zürich-West einem Stadion «für kommerziellen Männerfussball» weichen müsse, wo Frauenverachtung an der Tagesordnung sei.
Im Referendumskomitee findet man auch mehrere junge Leute aus der Klimastreikbewegung. Etwa der 21-jährige Aktivist Dominik Waser, Mitglied der Juso und der Jungen Grünen. Bevor er sich mit seinem Verein Grassrooted dem Kampf gegen Foodwaste verschrieb, dem Vergeuden von Lebensmitteln, arbeitete er als Gärtner.
Für ihn ist der Zusammenhang zum Klimaschutz klar: «Jeder Grünraum, den man zubaut, trägt zur Erwärmung dieser Stadt bei – und die Stadionbrache ist heute schon einer der letzten Freiräume der Stadt, wo die Natur nicht zu Tode gepflegt wird.» Zudem sei die Credit Suisse alles andere als ein klimafreundliches Unternehmen, das Stadionprojekt mit den beiden Türmen diene aber primär den finanziellen Interessen der Grossbank und ihren Investoren.
Die prominenten Abwesenden
Die Stadtzürcher SP-Leitung will laut Co-Präsident Marco Denoth im Fall eines Referendums zwar Stimmfreigabe empfehlen, hält sich aber abseits.
Ausdrücklich nicht dabei ist diesmal SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, bei der Stadionabstimmung vor einem Jahr noch Wortführerin des Nein-Lagers. Sie sei dagegen, das Referendum zu ergreifen. «Die Bevölkerung hat zum Projekt Ja gesagt, Punkt.»
Badran betont, sie habe das Stadion nie verhindern wollen, im Gegenteil: Sie habe den damit verbundenen Turmbau der CS bekämpft, weil dieser die Chancen schmälere, dass Zürich in absehbarer Zeit ein neues Stadion erhalte. Sie rechnet fest damit, dass gegen das aktuelle Projekt bis vor Bundesgericht prozessiert wird – und dass es das Vorhaben dort wegen mangelhafter Einordnung schwer haben wird.
Keine Untersützung vom Höngger Komitee
Diesen Rechtsweg prüfen will das Höngger Komitee gegen den Höhenwahn um den früheren Chefredaktor der «NZZ am Sonntag», Felix E. Müller. Von dieser Seite ist laut Kromer kein Engagement im Referendumskampf zu erwarten, trotz inhaltlicher Unterstützung. Auch die Kontakte zum Quartierverein IG Hardturm führten zu nichts. Dort gibt es im Vorstand zwar mit José Wolf eine ausgesprochene Stadiongegnerin, die am Mittwoch gemeinsam mit der IG vor dem Rathaus demonstrierte, aber mit SVP-Gemeinderat Stefan Urech eben auch einen leidenschaftlichen GC-Fan.
Die zweite prominente Abwesende im Referendumskomitee neben Badran ist die grüne Stadträtin Karin Rykart, die selbst in der Genossenschaft Kraftwerk lebt, der Keimzelle des Widerstands, und sich vor ihrer Wahl noch gegen das aktuelle Projekt aussprach: zu wuchtig die Türme, zu gross der Verlust der Brache als Freiraum. Sie wehrte sich wie Knauss schon gegen den ersten Stadionentwurf, das gescheiterte «Pentagon». Diesmal wird sie sich nicht exponieren.
Erstellt: 25.10.2019, 11:00 Uhr