https://primenews.ch/articles/2019/07/w ... die-baslerFussball ist mehr als ein Sport, Fussball ist ein Lebensgefühl. In hartgesottenen Fan-Szenen destilliert sich dieses Lebensgefühl zu einer Kultur und zu einem wichtigen Stück Alltagsgeschichte.
So erstaunt es nicht, dass bei Fans und Vereinen der Wunsch nach einem Ort entsteht, an welchem sie diese Kultur zelebrieren, sammeln und ausstellen können. Sowohl der FC Basel als auch der FC Zürich haben sich dieses Wunsches angenommen und ein Vereinsmuseum gebaut.
Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass beide Institutionen sich als «Museum» rühmen, doch die Unterschiede sind frappant. Und der FC Basel macht definitiv keine gute Figur.
«Wir erzählen nicht nur Fussballgeschichte, sondern auch Sozialgeschichte und Fangeschichte.»
Saro Pepe, 48 Jahre, Leiter des FCZ-Museums
Zu Besuch im FCZ-Museum
Das FCZ-Museum, ein helles, gläsernes Gebäude, liegt rund zehn Minuten Fussmarsch vom Hauptbahnhof entfernt an guter Lage direkt neben dem Tamedia-Hauptsitz an der Werdstrasse. Gerade wird die grosse Köbi-Kuhn-Jubiläumsausstellung abgebaut.
Saro Pepe, der Museumsleiter, steht neben dem riesigen originalen Wandschrank aus Kuhns Stube und freut sich sichtlich über den Besuch. Er durchschreitet den Raum, geht zu einem Bücherregal, der Museumsbibliothek, und zieht «Erfolg isch nid alles im Lääbe», ein Buch über die FCB-Fankultur, heraus.
«Da habe ich sogar daran mitgeschrieben. Und schau mal, wir haben sogar die GC-Geschichte bei uns in der Bibliothek. Wir haben keine Berührungsängste, aber wenn ich ein GC-Objekt angefasst habe, muss ich mir immer schnell die Hände waschen gehen», scherzt er.
Saro Pepe mit einer Pappfigur von Vereinsgründer Hans Gamper. Hinter ihnen erzählen Pokale die ruhmreiche Clubgeschichte des FCZ. Bild: Luca Thoma
Egal, wie spinnefeind sich der FCB und der FCZ auch sein mögen, die gemeinsame Ablehnung der Grasshoppers verbindet. Ebenso die Liebe zur Fussball- und Sozialgeschichte. Kein Wunder also, dass Pepe schweizweit gut vernetzt ist und gute Kontakte zur Fussball-Beiz «Didi Offensiv» in Basel pflegt.
Der 48-jährige Historiker und Kulturvermittler Pepe leitet das Museum seit dessen Eröffnung im Jahr 2011. Leger in T-Shirt und Shorts gekleidet, brennt er förmlich für die Geschichte seines Clubs.
Ein Museum vom Club für die Fans
«Die Initiative kam von ganz oben», erzählt der gut gelaunte und äusserst gesprächige Pepe, als er durch die Dauerausstellung führt. FCZ-Präsident Ancillo Canepa habe seit seinem Amtsantritt mit Nachdruck auf das Ziel eines Vereinsmuseums hingearbeitet.
«An seiner ersten GV präsentierte uns Canepa seine Ideen: er wollte den Frauenfussball stärken, die Geschichte des Vereins neu aufarbeiten und ein Museum gründen – sobald das Geld da wäre. Alle lachten, denn der Club war nach der Ära Sven Hotz relativ klamm».
Mit der überraschenden Qualifikation für die Champions League im Jahr 2009 verdoppelte sich das Vereinsbudget über Nacht. «Das meiste Geld wurde wie üblich in die erste Mannschaft gebuttert, doch es blieb auch Geld für kulturelle Projekte übrig».
Saro Pepe nutzte die Gunst der Stunde. Mit Gleichgesinnten aus der Fanszene, Historikern und Archivaren, wurde er bei Canepa vorstellig und arbeitete mit ihm die Idee eines Vereinsmuseums aus.
Dieses Museum wurde ausserhalb der FCZ AG als Stiftung organisiert, 2011 beim Letzigrund eröffnet und zog 2014 an den heutigen Standort. Die Dauerausstellung, die Pepe und seine Freunde gezimmert haben, lässt sich sehen.
Sie ist sehr informativ und vielschichtig. In verschiedenen Etappen wird die Geschichte des Vereins erzählt, an einer «Wall of Fame» sind die Höhepunkte des Vereinslebens zu bestaunen, an einer «Wall of Shame» die nicht minder unterhaltsamen Flops.
Durch herausziehbare Schubladen mit Objekten und Anekdoten kann sich der Besucher in Themenkomplexe vertiefen.
Das Museum ist zudem auch sehr gemütlich und lädt mit Bibliothek, Sitzecke und Töggelikasten zum Verweilen ein: «Wir wollten kein klassisches Museum, sondern eher eine Art Wohnzimmer, einen Treffpunkt schaffen».
Das gelingt. Immer wieder finden Fan-Veranstaltungen wie Diskussionen oder gar Theaterstücke im Museum statt. Rund 8'000 bis 10'000 Besucher im Jahr schauen sich die Ausstellungen an. Ein sehr respektabler Wert im Schweizer Vergleich.
Tristesse im FCB-Museum
Einen ganz anderen, leider ziemlich desolaten Eindruck macht das FCB-Museum. Ganz hinten im menschenleeren Fanshop neben dem St.Jakob-Park stehen einige Vitrinen, die die Erfolgsgeschichte des Traditionsverein erzählen sollen.
Als wäre das Museum nicht schon versteckt genug, erschweren Absperrbänder den Zugang, und die Sicht auf die Vitrinen wird durch mehrere Kleiderständer mitunter verunmöglicht.
Das FCB-Museum wurde 2008 durch den Verein in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Sportmuseum in Münchenstein ins Leben gerufen.
Schade, wie wenig Platz ausgerechnet in Basel der illustren Geschichte des Clubs zugestanden wird.
Grundsätzlich haben die Ausstellungsmacher keinen schlechten Job gemacht: die Vitrinen zeigen schön säuberlich die Geschichte des Vereins von seiner Gründung bis in die 2010er-Jahre auf. Zur Illustration werden verschiedene Objekte genutzt, etwa Originalpokale, aber auch Panini-Heftli, alte Fotos oder Trikots.
Eigentlich eine schöne, sorgfältige Objektauswahl, aber die Gegenstände stehen derart gedrängt in den engen Vitrinen, dass sie kaum Luft zum Atmen haben. Schade, wie wenig Platz ausgerechnet in Basel der illustren Geschichte des Clubs zugestanden wird.
Desaströse Zustände im FCB-Museum: Kleiderständer verunmöglichen die Sicht auf die Vitrinen. Bild: Luca Thoma
Wo der Hund begraben liegt
Wo liegt der Kern des Problems? Was beim FCZ-Museum begeistert, ist der breite Rückhalt, den das Projekt geniesst. «Wir haben über 500 Mitglieder in unserem Förderverein, die uns jährlich rund 50 Franken spenden», erzählt Pepe. Das Museum ist eine Einmann-AG. Für seine Projekte ist er stets auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen.
Das Museum ist ein Treffpunkt und ein Ort, an dem Fankultur stattfindet und gelebt wird. So kam auch eine reiche, vielfältige Sammlung zusammen. «Die Leute wollen mitmachen, bringen uns Gegenstände von zuhause mit».
Davon zeugt auch eine Mitmach-Wand, an die Fans und Besucher persönliche Objekte mit einer Geschichte pinnen können. «Gerade neulich hat ein Schüler die neuen Gesänge aus der Südkurve hingesteckt», erzählt Pepe. Diese sind nun gemeinsam mit Jacken, Fanschals und Wimpeln Teil eines bunten Potpourris.
Von der Club-Führung und Experten am Reissbrett konzipiert und relativ lieblos in den Fanshop integriert, bietet die FCB-Ausstellung keinen Anlass, länger zu verweilen.
Gerade heute bekam Pepe mehrere Kartonkisten aus dem Nachlass einer FCZ-Anhängerin geschenkt. Er zeigt einige schöne Schwarzweiss-Fotografien von alten FCZ-Teams auf dem Platz und beim Skifahren. «Das kommt alles in unser Archiv. Mittlerweile könnten wir ganze Räume füllen».
Beim FCB hingegen scheint die Konzeption des Museums ein nüchterner Top-Down-Prozess gewesen zu sein. Von der Club-Führung und Experten am Reissbrett konzipiert und relativ lieblos in den Fanshop integriert, bietet die Ausstellung keinen Anlass, länger zu verweilen.
Platz dafür gäbe es auch keinen, geschweige denn eine Sitzecke in der kühl designten Ladenfläche.
So spiegelt sich in der Museumskonzeption die sich immer stärker vergrössernde Kluft zwischen Club und der FCB-Fanszene. Beim 125-jährigen Jubiläum offenbarte sie sich besonders krass, als die Clubführung in der Eventhalle der Messe Basel feierte und die Fans ihre eigene Party einige Hundert Meter Luftlinie entfernt auf dem Landhof veranstalteten.
Die «Mitwach-Wand», an die Fans persönliche Gegenstände pinnen, ist ein Symbol für den Erfolg des FCZ-Museums. Bild: Luca Thoma
Zu Gute halten muss man dem FCZ-Museum auch dessen Vielschichtigkeit: «Wir wollten nicht nur Fussballgeschichte zeigen, sondern auch sozialgeschichtliche Aspekte aufgreifen und eine Sammlung zur Vereins- und Fangeschichte anlegen», erzählt Saro Pepe.
So haben er und sein Team bewusst sehr breit gesammelt und viele unterschiedliche Objekte in die Sammlung aufgenommen. Sie thematisieren sowohl Alltagskultur wie auch sozialgeschichtliche Schwerpunkte im Zusammenhang mit der Vereinsgeschichte.
Als Besucher findet man im FCZ-Museum etwa heraus, dass die Nationalsozialisten 1941 ein Turnfest im Letzigrund veranstalteten und gegen das Votum des Stadionvorstands Hakenkreuzfahnen hissten.
Subkulturen, Jugendbewegungen, Fotos von aberwitzigen Schmierereien und Graffiti der 1980er-Bewegung sind ebenso Teil der Ausstellung wie Pokale und Medaillen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Basler in den nächsten Jahren zum Konkurrenten aufholen.
Diesen Mut zur Vielfalt, zur Breite, wäre auch dem FCB-Museum zu wünschen. Die reiche Geschichte der Rotblauen schreit förmlich nach einer adäquaten musealen Aufarbeitung.
In welche Richtung diese gehen könnte, zeigen etwa das ambitionierte und gelungene Buch «Der FC Basel und seine Stadt», eine Kulturgeschichte von einem jungen Autorenteam um Claudio Miozzari.
Der FC Zürich zeigt, wie man mit Liebe und Engagement viel erreichen kann. Es bleibt zu hoffen, dass die Basler in den nächsten Jahren zum Konkurrenten aufholen.