Nicolás Andereggen

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Tschik Cajkovski
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Re: Nicolàs Andereggen

Beitragvon Tschik Cajkovski » 15.01.19 @ 18:55

herzlich willkommen nicolas (ps: kiyo du musst das mit dem "a" korrigieren i.e. andersrum; habs auf der tastatur auch nicht gefunden... also lass ich es mal ganz weg). hier noch ein link zur walliser auswanderer geschichte in diese region argentiniens:
http://www.emigration-valais.ch/de/1855 ... ml#!search
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk


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fczlol
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Re: Nicolás Andereggen

Beitragvon fczlol » 16.01.19 @ 7:02

Herzlich willkommen unser neuer Bomber! Ich hoffe, dass du voll einschlägst und die Super League wegballerst.. :-)
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Franky_H
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Re: Nicolás Andereggen

Beitragvon Franky_H » 17.01.19 @ 12:18

Ab und zu hat man doch einfach ein Gefühl, fern jeglicher Vernunft. Ich glaube Andereggen blüht bei uns so richtig auf! Hab ein saumässig gutes Gefühl! Herzlich willkommen bei uns! Hoffe er lebt sich schnell ein und fühlt sich wohl im kalten Zürich.
JUBEL!!!

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1896_
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Re: Nicolás Andereggen

Beitragvon 1896_ » 17.01.19 @ 13:05

Franky_H hat geschrieben:Ab und zu hat man doch einfach ein Gefühl, fern jeglicher Vernunft. Ich glaube Andereggen blüht bei uns so richtig auf! Hab ein saumässig gutes Gefühl! Herzlich willkommen bei uns! Hoffe er lebt sich schnell ein und fühlt sich wohl im kalten Zürich.


Ich freue mich, wenn dein Gefühl richtig liegt. ;-)
Libanese Blonde hat geschrieben:min coiffeur isch übrigens dä einzig typ uf däm planet woni s'oke gib wänners mir am schluss no schnäll vo hine zeigt.

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fcz333
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Re: Nicolás Andereggen

Beitragvon fcz333 » 25.11.19 @ 15:19

Im Blick:

blick.ch hat geschrieben:Er kam als grosses Versprechen, nun geht er durch die Hintertür: Der argentinische U21-Internationale Nicolás Andereggen ist beim FCZ gescheitert. Ein Gespräch über seine Schweizer Wurzeln, die Gewalt in Argentinien und wie es ist, gegen Messi zu spielen.

Trinken Sie Mate?
Nicolás Andereggen: Selbstverständlich. Wenn ich vom Training nach Hause komme, bereite ich mir gerne ein paar Mates zu. Am liebsten mit meiner Freundin.

Lebt Sie auch hier?
Ja, teilweise. Sie spielt Landhockey in Italien. Wir haben uns hier kennengelernt durch gemeinsame Freunde.

Ihr Leihvertrag mit dem FC Zürich läuft aus: Kehren Sie nach Argentinien zurück?
Ja. Ende Jahr gehe ich zurück zu meinem Stammklub Union de Santa Fé.

Wie geht es danach weiter?
Das weiss ich noch nicht. Ich habe dort noch eineinhalb Jahre Vertrag. Ich weiss nicht, ob sie mit mir rechnen.

Was ist Ihr Ziel?
Mein Ziel wäre es eigentlich gewesen, weiter in Zürich zu spielen. Leider wird das nicht klappen.

Warum konnten Sie sich beim FCZ nicht durchsetzen?
Ich kann mir nicht viel vorwerfen. Vielleicht hat dem Trainer mein Spielstil nicht gefallen, vielleicht habe ich nicht ins taktische Schema gepasst.

Sie haben lediglich zehn Minuten gespielt…
…ja, im letzten Frühling gegen Basel.

Das muss ziemlich enttäuschend sein!
Es ist frustrierend. Ich kam schon mit einem anderen Ziel. Es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Es war eine Riesenchance für mich, die ich leider nicht nutzen konnte.

Gibt es auch positive Dinge, die Sie mitnehmen?
Auf jeden Fall! Ich konnte Europa kennenlernen, die Schweiz, das Land aus dem meine Urgrosseltern kommen.

Wie viel Schweizer steckt in Ihnen?
Uh, schwer zu sagen. Eigentlich gar nichts mehr: Ich spreche kein Deutsch, ich bin durch und durch Argentinier. Aber ich habe den Schweizer Pass (lacht). Und dann habe ich noch zwei Onkel, die in der Schweiz leben. Sie haben mir sehr geholfen, als hier alles neu war für mich.

Wie muss man sich das Leben in Ihrem Heimatort San Jerónimo Norte vorstellen?
Zunächst einmal ist es ein sehr kleiner Ort. Und das Spezielle ist natürlich, dass dort sehr viele Familien mit Schweizer Wurzeln leben. Sie halten die Schweizer Traditionen aufrecht. Es gibt Schweizer Feste mit Folklore und Schweizer Trachten. Mein kleiner Bruder hat immer mitgetanzt. Man fühlt sich dort fast ein wenig wie in einem Schweizer Dorf. Es gibt auch einen Verein, wo Schweizerdeutsch unterrichtet wird.

Welche Bilanz ziehen Sie nach diesem Jahr in der Schweiz?
Es tut wie gesagt weh, dass ich nicht öfter spielen konnte. Aber ich habe sehr viel gelernt, menschlich, fussballerisch. Ich kehre sicher stärker nach Argentinien zurück. So gesehen ziehe ich trotz allem eine positive Bilanz.

Welches sind die Unterschiede zwischen dem Schweizer und dem argentinischen Fussball?
In der Schweiz hat die Taktik einen höheren Stellenwert, das Spiel ist technischer. In Argentinien wird dafür schneller gespielt, es wird mehr gelaufen. Das Spiel in Argentinien ist physischer, manchmal ein wenig dreckig.

Und die Fans sind ziemlich verrückt, oder?
Und wie! Es ist unglaublich! Beim Clasico in Santa Fe zwischen Unión und Colón sind die Fans schon Stunden vor dem Spiel vor dem Stadion und machen Lärm. Dieses Gefühl, wenn du mit dem Bus zum Stadion fährst und dich da schon Tausende anfeuern, das gibt dir einen zusätzlichen Kick. Leider läuft es dann aber auch sehr oft aus dem Ruder.

Sie sprechen die Gewalt an…
…Ja, das ist hässlich! Meine Freundin ist aus Rosario. Sie geht da nicht mehr ins Stadion. Nach einem Clásico musste sie sich mit ihrem Vater hinter einem Müllcontainer verstecken, weil die Polizei mit Gummischrot geschossen hat. Die Gewalt ist ein grosses Problem, nicht nur im Fussball. Da fehlen dir die Worte. Du musst ständig aufpassen, auf dein Handy, auf dein Portemonnaie, du musst immer nach allen Seiten schauen. Seit ich die Schweiz kenne, weiss ich, dass es auch anders gehen könnte.

Was hat Ihnen in der Schweiz am meisten gefallen?
Die Landschaften sind wunderschön, die Lebensqualität ist extrem hoch. Die Schweiz ist sehr sauber, sehr ordentlich. Die Leute gehen äusserst respektvoll miteinander um. Ich habe mich sehr wohl gefühlt.

Dinge, die Ihnen nicht gefallen haben?
Mir fällt nichts ein!

Was haben Sie am meisten vermisst?
Die argentinischen Grillfeste! Und meine Familie. Okay, in umgekehrter Reihenfolge natürlich.

Sie haben nur drei Tore erzielt. Das ist zu wenig für einen Mittelstürmer!
Das ist so. Ich hatte auch nur wenig Einsatzzeit. Seit einer ganzen Weile spiele ich überhaupt nicht mehr, weil der FCZ meinen Vertrag nicht verlängern wollte.

Wo sehen Sie sich in zwei, drei Jahren?
Ich darf nicht aufgeben. Ich will wieder das Niveau erreichen, das ich hatte, bevor ich in die Schweiz kam. Den Traum von Europa habe ich noch nicht aufgegeben. Und ich möchte auch wieder für die Nationalmannschaft aufgeboten werden.

Sie waren vor der WM 2018 mit der U21 Sparringpartner für Messi und Co. Wie war das?
Es war grossartig. Einmalig!

Wie ist Messi?
Über den Fussballer Messi müssen wir nicht sprechen. Er ist ein Crack. Vermutlich der Beste der Welt. Aber er ist auch eine herausragende Persönlichkeit. Sehr respektvoll im Umgang mit allen. Er hat keinerlei Allüren. Es ist ein Geschenk, dass er Argentinier ist.

Und trotzdem wird er in Argentinien von Teilen der Fans sehr hart kritisiert.
Das verstehe ich auch nicht. Mich erstaunt, mit wie viel Ruhe er das erträgt. Ich weiss nicht, was die Leute noch von ihm erwarten. Er kann die WM nicht alleine gewinnen. Das kann niemand.

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Tschik Cajkovski
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Re: Nicolás Andereggen

Beitragvon Tschik Cajkovski » 23.01.20 @ 8:50

bin auf diesen artikel in der nzz vom 31.12.19 erst heute gestossen. schade geht die geschichte mit ihm nicht weiter beim fcz. aber leider war da fussballerisch wirklich zu wenig:

https://www.nzz.ch/wochenende/vom-wegge ... ld.1525971

Nicolás Andereggen


Nicolás Andereggen hat es gefunden, das Haus mit den grünen Läden. (Foto: Michael Sieber)

Der Weg schlängelt sich an der Kirche vorbei den Berg hoch, und dort, wo er auch das letzte Haus hinter sich zurücklässt, steht Nicolás Andereggen und blickt hinunter aufs Dorf. «Es gibt so viele, die nicht wissen, wo sie herkommen», sagt Andereggen. Aber er weiss es: aus dem Haus mit den grünen Fensterläden, «hier sind wir irgendwie alle geboren».



Martisberg ist ein Walliser Dorf mit 16 Einwohnern und etwa gleich vielen Häusern, 1 Stunde 50 Fussmarsch sind es bis zur Bettmeralp hoch, 25 Autominuten runter nach Brig, und viele Leben weit weg liegt San Jerónimo Norte, das Dorf in Argentinien, in dem Nicolás Andereggen vor 20 Jahren geboren wurde. Andereggen ist Fussballer von Beruf, seine Jeans zieren ein paar modische Löcher, seine Arme ein paar modische Tattoos, aber von allem zu wenig, um in den Verdacht der Extravaganz zu geraten. Andereggen ist ein freundlicher junger Mann, der in der Schweiz ein einziges Mal wegen Schnellfahrens gebüsst wurde und seither peinlich genau aufs Einhalten der Geschwindigkeitsgrenze achtet.

Das Martisberger Haus mit den grünen Fensterläden ist das Haus seines Ur-Ur-Grossvaters.

Von dort brach im Jahr 1899 Joseph Andereggen nach Argentinien auf, bald sollte er José heissen. In Marseille bestieg er ein Schiff, zusammen mit seiner Frau Luisa und den Kindern Edwin und Karl, der älteste Sohn war gestorben. 30 Tage dauerte die Fahrt über Barcelona und Havanna nach Buenos Aires, 500 Franken pro Person, deponiert bei der Firma Zwilchenbart, der «Schweizer Actiengesellschaft für Auswanderung». Joseph hatte alles verkauft und sich verschuldet. Luisa wollte nicht mit in die Fremde ziehen, aber Joseph und der Dorfpfarrer überredeten sie, ihrem Mann zu folgen. Joseph versprach ihr, bald zurückzukehren, zehn Jahre nur wollte er in Argentinien leben und dort reich werden.

So hatte es schon Josephs Vater gemacht, der Ur-Ur-Ur-Grossvater von Nicolás: Ein Walliser auch er, der bereits Mitte des 19.Jahrhunderts nach Argentinien ausgewandert war. Joseph wurde dort geboren. Josephs Vater hatte in Argentinien Land bekommen, viel Land, weil viel da war für all die Einwanderer. Nach zehn Jahren verkaufte er alles, und die Familie kehrte vermögend ins Wallis zurück. Das steht im Buch «La Familia Andereggen», in dem die Autorin Susana Andereggen die Geschichte ihrer Verwandten erforscht hat: von Joseph, dem Ur-Ur-Grossvater, bis zu Nicolás, dem Fussballer.



«Dort oben ist nicht viel», sagt Agostina Lovagnini, während Nicolás Andereggen den Mercedes durch die Kurven des Furkapasses Richtung Wallis lenkt. Agostina sitzt auf dem Beifahrersitz, sie ist seine Freundin. Sie reicht Mate, den bitteren argentinischen Tee, der wärmt und weckt und in Argentinien dem Tag einen Rhythmus gibt, weil er ihn stückelt, von Mate zu Mate. Agostina gibt den Becher weiter, sie kommt aus der argentinischen Grossstadt Rosario, bis vor kurzem war sie Landhockeyspielerin in Italien. Vor ein paar Monaten hat sie Nicolás kennengelernt, über eine Freundin. Sie besuchte Zürich und verliebte sich in Nicolás, und jetzt wohnen die beiden in Oerlikon. «Dort oben in Martisberg gibt es im Winter nur Raclette und Netflix», sagt Nicolás.

Nicolás Andereggen kennt die Geschichte seines Ur-Ur-Grossvaters nicht so genau. Er weiss nur, wo er aufgebrochen war, nicht, wieso. Er weiss auch nicht, was sich Joseph vom neuen Leben versprach und warum er ebenso enttäuscht wurde von Argentinien, wie er selber über hundert Jahre später enttäuscht ist.

Der FC Zürich hat Andereggen Anfang Jahr verpflichtet, gab ihm einen Einjahresvertrag und einen Mercedes. Andereggen trainiert seit ein paar Monaten mit dem Reserveteam, er stürmte nur einmal für die erste Mannschaft. Im Dezember soll er zurück nach Argentinien: ein Leihgeschäft, wie es im Fussball üblich ist. Andereggen steht in Argentinien noch unter Vertrag bei Unión de Santa Fe, die Zürcher müssten für ihn eine Ablöse bezahlen.

Andereggen würde gerne hierbleiben. Kürzlich sassen er und seine Freundin beim Frühstück und hörten im Radio Nachrichten aus der Heimat. Von der Wirtschaftskrise, von den Menschen, die gerade aus der Mittelklasse abrutschen und nun vor den Suppenküchen Schlange stehen, von der steigenden Kriminalität. Es waren zu viele schlechte Nachrichten, sie mussten das Radio wieder ausschalten. «Einer Bekannten von mir haben sie kürzlich alle vier Räder des Autos gestohlen, direkt vor ihrem Haus», erzählt Agostina. Früher habe man die Fahrräder in San Jerónimo Norte nachts vor der Haustüre stehen lassen, jetzt brauche man Schlösser, sagt Andereggen. «Ich habe ein ungutes Gefühl zurückzukehren.» Es sind nicht die geklauten Fahrräder, die ihm Sorgen bereiten. Ihn beunruhigt die Rückkehr in die Ungewissheit und in ein Land, in dem niemand weiss, ob die Situation wirklich einmal besser wird.



San Jerónimo Norte ist ein Dorf, gegründet von Oberwallisern in der argentinischen Pampa. Die Walliser waren Bauern, und wenn jemand ein Haus baute, holten sie die Italiener, gute Handwerker, die Krämer kamen aus Spanien. Sonst blieben die Walliser unter sich. Noch heute nennt man in den Nachbardörfern die Menschen aus San Jerónimo Norte «los Valesianos», die Walliser. Als einmal eine neue Eisenbahnlinie durchs Dorf führen sollte, wehrten sich die Walliser, sie wollten keinen Bahnhof: zu viele Fremde. San Jerónimo Norte war eines der letzten Dörfer Argentiniens, das ans Telefonnetz angeschlossen wurde.

Aber das Dorf wuchs, und irgendwann heirateten die Walliser nicht mehr unter sich, sondern auch Italienerinnen und Spanier, und irgendwann waren sie nicht mehr Italienerinnen, Spanier oder Walliser, sondern Argentinier. Heute leben rund 7000 Menschen in San Jerónimo Norte. Das Dorf hat sich ein Stück Wallis bewahrt. Jedes Jahr feiert es die Schweizer Gründer, es gibt einen Trachtenumzug, Nicolás’ Grossvater jodelte, sein kleiner Bruder tanzte in Tracht. Nicolás tanzte nicht, er spielte Fussball und verliess das Dorf mit 13, um im nahen Santa Fe Profi zu werden, er wohnte fortan im Internat des Clubs.

Die Walliser in San Jerónimo Norte haben sich noch etwas Weiteres bewahrt: Viele von ihnen sind Schweizer Staatsbürger, auch Nicolás Andereggen. Der FC Zürich verpflichtete ihn auch deshalb, weil er mit seinem Schweizer Pass das Ausländerkontingent nicht belastet. Andereggen sagt: «Bevor ich hierherkam, habe ich nie jemanden gefragt: Wie sind eigentlich die Schweizer? Jetzt weiss ich: Sie sind ein bisschen wie ich.» Er habe sich immer gewundert, woher das bei ihm komme: dass er im Fussballinternat der Ordentlichste war im Schlafraum mit fünf anderen Buben, der Ruhigste auch. Andereggen glaubt, das sei der Schweizer in ihm gewesen.



Nachdem ihn der FC Zürich engagiert hatte, begann er, sein neues Zuhause zu erkunden. Wenn er nicht trainierte, googelten er und seine Freundin Bilder der Schweiz und sagten sich: «Dort ist es schön.» Dann setzten sie sich in den Mercedes und fuhren hin.

Kürzlich waren sie in Rapperswil, ein Cousin Andereggens lebt dort, er betreibt ein argentinisches Spezialitätengeschäft. Wenn Andereggen mit etwas nicht zurechtkommt in der Schweiz, hilft ihm sein Cousin. Der kam in den 1990er Jahren in die Schweiz, auch er suchte im Wallis nach seinen Wurzeln. Immer wieder tauchen Menschen mit dem Namen Andereggen in Martisberg auf und fotografieren sich vor dem Haus mit den grünen Fensterläden. Manche reisen als Touristen durch das Land ihrer Vorfahren, einige bleiben. Es ist, als hätte der Ur-Ur-Grossvater mit seinem Aufbruch ein Wurmloch geöffnet, durch das noch heute Andereggens schlüpfen, so wie Nicolás. Er weiss jetzt, wie man seinen Namen in der Schweiz ausspricht. Sein Leben lang sagte er spanisch «Ander­echen». Jetzt spricht er seinen Namen aus wie die Walliser, und die Gs spicken ihm aus dem Rachen. Andereggen hat in Oerlikon auch schon Post vom Militär bekommen: wann er denn bitte zur Aushebung erscheine?

Wenn Nicolás einen neuen Club fände, sagte ihm sein Vater, dann würde die ganze Familie in die Schweiz kommen. Andereggens Vater ist Schreiner, er will in der Schweiz Arbeit finden, seine Mutter sitzt am Empfang einer Schule, sie lernt bereits Deutsch. Im Sommer besuchten sie ihn, er wollte mit ihnen nach Martisberg, auch sie sollten ein Foto vor dem Haus mit den grünen Fensterläden haben, aber die Furka war gesperrt und Andereggen wusste nichts vom Tunnel, der unter dem Pass hindurchführt.



Als Joseph Andereggen 1899 in San Jerónimo Norte ankam, merkte er, dass er in ein anderes Argentinien ausgewandert war als sein Vater viele Jahre zuvor. Der gute Boden war bereits an die früheren Einwanderer verteilt. Joseph Andereggen pachtete ein Stückchen Land, eigenes sollte er nie besitzen. Er wurde auch nicht vermögend wie sein Vater. Joseph stotterte sein Leben lang die Schulden ab für die Überfahrt, er lebte in Argentinien ärmer als in der Schweiz. Seine Frau Luisa weigerte sich, Spanisch zu sprechen – sie hatte Angst, sie verlerne das Walliserdeutsch und verstehe ihre Familie nicht mehr, wenn sie nach zehn Jahren nach Martisberg heimkehren würde. Aber sie sollte ihr Dorf nie mehr wiedersehen. Bis zu ihrem Tod litten Joseph und Luisa unter Heimweh, sie vermissten die Berge. Joseph starb bei der Arbeit auf dem Feld, in einer Pause fand ihn der Tod. Auch Luisa starb in San Jerónimo Norte.

Auf dem Rückweg fährt Nicolás Andereggen seinen Mercedes durch den Seelisbergtunnel, Agostina serviert Mate. Hinter dem Tunnel liegt der Urnersee schwarz in der Dämmerung. Aus dem Radio klingt eine argentinische Rockband, sie singt von der Strasse, vom Heimkommen und von der Liebe und klingt immer traurig dabei. Den ganzen Tag hat Andereggen gestaunt über die Schweiz und geschwärmt, die Berge, Roger Federer. Aber jetzt schleicht durch die Boxen die Schwermut ins Auto. «Ich vermisse meine Familie sehr», sagt Andereggen, «die Sonntage voller Mate, hier seid ihr immer beschäftigt. Immer seid ihr am Arbeiten.» An diesen Sonntagen mit der Familie, da hört in Argentinien der Mate nie auf zu kreisen, die vielen kleinen Pausen werden zu einer langen, und der Sonntag endet nie. Andereggen würde irgendwann gerne in Rapperswil leben, in der Nähe des Cousins.

Mitte Dezember läuft sein Vertrag in Zürich aus, dann wird er zurückkehren nach Argentinien, und er weiss nicht, ob er wiederkommt. Seine Freundin geht mit ihm, die zwei wollen zusammenbleiben. Und irgendwann zurückschlüpfen durchs Wurmloch.
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk


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