https://www.nzz.ch/zuerich/hochhaeuser- ... ld.1440913Hochhäuser sollen länger Schatten werfen dürfen
Der Regierungsrat will die dichtere Bebauung von Zentrumsgebieten erleichtern. Dafür müssen Nachbarn von hohen Gebäuden etwas mehr Schatten in Kauf nehmen.
Stefan Hotz
1.12.2018, 07:00 Uhr
Der Schattenwurf begleitet seit Jahren die Diskussionen um ein neues Fussballstadion Hardturm. Im Vorfeld der Abstimmung vor einer Woche war es jener der dazugehörigen Wohnhochhäuser, der sich angeblich über ganz Höngg ausbreiten wird. Im letzten Jahrzehnt gab es Widerstand, weil das damalige mächtige Pentagon-Projekt selber einigen Anwohnern vor der Sonne gestanden wäre. Die kantonalen Regeln dazu stammen aus den sechziger Jahren und sind vergleichsweise rigid. Nun will der Regierungsrat eine Änderung vornehmen, die er am Freitag für drei Monate in eine Vernehmlassung geschickt hat.
Tatsächlich dreht er nur an einer einzigen Stellschraube, dies aber ziemlich kräftig. Heute darf ein Hochhaus bewohnte Gebäude in seiner Nachbarschaft im Winter nicht länger als zwei Stunden lang beschatten. Dieser Zeitraum in der Allgemeinen Bauverordnung soll nun auf drei Stunden verlängert werden. Dort wird ausgedeutscht, was als übermässige Beschattung gemäss Planungs- und Baugesetz (PBG, Art. 284 Abs. 4) gilt. Der Kantonsrat muss die Anpassung der Verordnung genehmigen. Er kann sie aber höchstens zurückweisen, nicht abändern.
Änderung mit Ansage
Diese Regelung betrifft nur Gebäude von über 25 Metern Gesamthöhe. Der Schatten von Bauten unterhalb dieser Grenze muss auch länger als zwei Stunden hingenommen werden. Diese Hürde für Hochhäuser erschwert die raumplanerisch gebotene Entwicklung der Siedlungszentren nach innen und hat auch schon das eine oder andere Projekt verhindert. Hochhäuser sind zwar kein Patentrezept, aber sie können einen Beitrag leisten, um das Ziel gemäss kantonalem Raumordnungskonzept zu erreichen, wonach 80 Prozent des künftigen Wachstums in urbanen Gebieten stattfindet.
Die neue Regelung warf denn auch, so liesse sich kalauern, einen langen Schatten voraus. Nicht nur hatte sie der Kantonsplaner Wilhelm Natrup in einem Gespräch mit der NZZ (22. 10. 18) bereits angekündigt. Die Lockerung war auch ein Punkt im Massnahmenkatalog der «Strategie innere Verdichtung», die der Kantonsrat 2013 beschlossen hatte. Angestossen hatten diese seinerzeit prominente Freisinnige wie die heutige Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh und FDP-Regierungsratskandidat Thomas Vogel.
Stadionstreit spielt keine Rolle
Natrup lässt auf Anfrage denn auch den Zusammenhang mit der jüngsten städtischen Volksabstimmung nur bezüglich des Zeitpunkts gelten, zu dem die Vernehmlassung gestartet wird. Die Stadionvorlage sei weder der Auslöser für die Änderung gewesen, noch stehe man unter Zeitdruck. Vielmehr sei die Anpassung durch eine Begleitgruppe sorgfältig vorbereitet worden, sagt Natrup. Tatsächlich habe man aber mit dem Vorschlag nicht mitten in den Stadtzürcher Abstimmungskampf platzen wollen.
Wie sich die Ausdehnung der zulässigen Beschattungsdauer auswirkt
Schattenwurf am Beispiel des neuen Bettenhauses des Stadtspitals Triemli
Quelle: Baudirektion des Kantons Zürich
Wichtiger sind dem Kantonsplaner die Auswirkungen der Lockerung. Im Vordergrund stehe weniger, dass die zulässige Beschattung von Nachbargebäuden grundsätzlich den Bau höherer Häuser ermögliche. «Entscheidend ist, dass damit für die städtebauliche Anordnung von Hochhäusern mehr Spielraum entsteht», sagt Natrup. Durch die Lockerung verringert sich der Abstand, den ein solches Bauwerk zu seiner Wohnumgebung einhalten muss. Dadurch lässt sich das Potenzial dieses Gebäudetyps besser ausschöpfen. Insofern gehe es eben nicht nur um den Schattenwurf, sagt Natrup. Im Übrigen gälten für Hochhäuser gemäss PBG erhöhte Anforderungen hinsichtlich der städtebaulichen Qualität: «Dies und auch alle anderen einschränkenden Bestimmungen für Hochhäuser gelten weiterhin.»
Ausnützungsbonus verworfen
Der Regierungsrat schreibt denn auch, die Lockerung der Regelung solle nicht zum Verlust attraktiver Freiräume in der Umgebung hoher Gebäude führen. Auch komme weiterhin den Gemeinden die Hauptrolle bei der Steuerung zu. Im Fokus für den Bau von Hochhäusern stünden zentrale Standorte, die mit dem öffentlichen Verkehr gut erschlossen seien.
Es sei zu erwarten gewesen, dass sich in dieser Hinsicht etwas tue, sagt auf Anfrage der Baujurist Matthias Künzler, der sich intensiv mit dem Schattenwurf befasste. Naheliegend sei, unter dem Druck zur Verdichtung den Handlungsspielraum für den Bau von Hochhäusern zu vergrössern. Die Ausdehnung der zulässigen Beschattungsdauer auf drei Stunden begrüsst Künzler denn auch. Ihm ist kein Kanton bekannt, der über diesen Wert hinausgeht.
Die Zürcher Skyline wächst immer weiter
Soll bewusst und konsequent die vertikale Verdichtung mittels Hochhäusern begünstigt werden, hält Künzler nebst der Erhöhung der zulässigen Beschattung einen Ausnutzungsbonus als Anreiz für begrüssenswert. Dieser komme bekanntlich teurer zu stehen. Nebst den erhöhten technischen Anforderungen an Hochhäuser müssen diese ortsbaulich einen Gewinn bringen und architektonisch besonders sorgfältig gestaltet sein. Eine Erhöhung der Ausnützung gegenüber der Regelbauweise erreiche man auch mit Gestaltungsplänen und Sonderbauvorschriften, sagt Künzler, nur erhielten auf diesem Weg die politischen Institutionen ein höheres Gewicht.
Einen Bonus für Hochhäuser, die für sich allein gegenüber der Grundordnung nicht von einer höheren Ausnützung profitieren, hat der Regierungsrat unter Verweis auf solche qualitativen Verfahren geprüft und verworfen. Das gilt auch für weitere mögliche Änderungen, um den Bau von Hochhäusern zu erleichtern. Der Ansatz, sich statt auf die Beschattung auf die Besonnungssituation abzustützen, wird als nicht praktikabel erachtet.
Die Rolle der Feuerwehrleitern
Auch die Anhebung der Grenze, ab der ein Gebäude als Hochhaus gilt, auf 30 Meter fand keine Gnade. Die geltende Limite von 25 Metern hat ihren Ursprung in der früheren Reichweite der Leitern von Löschfahrzeugen. Diese erreichen heute zwar 30 Meter Höhe. Die Regierung verzichtet aber auf die Änderung, weil eine Neufestsetzung der massgeblichen Gebäudehöhe die Anpassung der kommunalen Bauordnungen nach sich zöge.
Die Regelung des Schattenwurfs hat ihren Ursprung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als der Ruf nach mehr Wohnhygiene ertönte. Die Forderung nach «Licht, Luft und Sonne» habe noch in den sechziger Jahren einen hohen Stellenwert aufgewiesen, sagt Wilhelm Natrup. Im Zeichen der Klimaerwärmung ist heute mehr von Hitzeinseln in den Städten die Rede. Der Kantonsplaner kann sich deshalb vorstellen, dass etwas mehr Schatten jedenfalls im Sommer nicht nur als unangenehm empfunden würde, auch wenn das kein Grund für die vorgeschlagene Änderung sei.
Die dicksten Eier hat der nicht darauf herumreitet denn am end ist das End zu End