Aus der NZZ online:
https://www.nzz.ch/zuerich/ein-sp-stadion-wollen-wir-nicht-und-werden-wir-nicht-unterstuetzen-ld.1431620INTERVIEW
FCZ-Präsident: «Ein SP-Stadion, das vom Steuerzahler finanziert wird, wollen wir nicht»
Die Zürcher Fussballklubs stehen vor einer Schicksalsabstimmung. FCZ-Präsident Ancillo Canepa und GC-Präsident Stephan Anliker weibeln für das geplante Stadion auf dem Hardturm. Der SP werfen sie «Fake-News» vor.
Daniel Fritzsche
29.10.2018, 05:00 Uhr
Die sportlichen Konkurrenten Ancillo Canepa (links) und Stephan Anliker ziehen für einmal am gleichen Strang. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Die sportlichen Konkurrenten Ancillo Canepa (links) und Stephan Anliker ziehen für einmal am gleichen Strang. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Herr Anliker und Herr Canepa, Sie sagen, für die Zürcher Fussballklubs gehe es bei der bevorstehenden Stadionabstimmung um alles oder nichts. Malen Sie da nicht zu schwarz?
Stephan Anliker: Leider nein. Seit über fünfzehn Jahren haben wir gegenüber unserer Konkurrenz einen riesigen Wettbewerbsnachteil. Wir spielen in einem Stadion (im Letzigrund, Anm. d. R.), das nicht primär für den Fussball, sondern für die Leichtathletik konzipiert wurde.
Ancillo Canepa: Ein Leichtathletikstadion, das wir notabene nicht selber betreiben können! Wir zahlen eine hohe Miete, können aber nur sehr beschränkt an den Einnahmen teilhaben. Kein anderer Profiklub in der Schweiz hat derart schlechte Rahmenbedingungen. Immer wieder schreiben wir deswegen hohe Defizite.
Bitte werden Sie konkret.
Canepa: Bei uns sind es strukturell bedingt 5 bis 7 Millionen Franken im Jahr. Das ist Geld, das uns fehlt. Nicht etwa weil wir es wegen überhöhter Saläre oder dergleichen aus dem Fenster werfen würden, sondern weil wir bis heute auf ein echtes Fussballstadion warten, das die entsprechenden Einnahmen generieren kann.
Anliker: Bei uns sieht es ähnlich aus.
Canepa: Als ich 2006 zum Präsidenten gewählt wurde, teilte man mir mit: In drei Jahren hat der FCZ ein neues Fussballstadion. Unterdessen sind zwölf Jahre vergangen. In der Zwischenzeit mussten Privatpersonen laufend hohe Beträge einschiessen; insgesamt einen beträchtlichen zweistelligen Millionenbetrag. Irgendwann ist der Wille zum einseitigen Mäzenatentum erschöpft.
Ihnen geht es also vor allem um das eigene Portemonnaie, wenn Sie für das neue Stadion kämpfen?
Ancillo Canepa. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Ancillo Canepa. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Canepa: Der FCZ ist ein KMU. Eines, das nicht gewinnorientiert wirtschaftet – aber eben auch nicht verlustorientiert. Wir wären nur schon froh, wenn wir die hohen Kosten, etwa für unsere 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, einigermassen selber finanzieren könnten.
Anliker: Unsere strukturellen Defizite können wir heute bloss durch Erfolge in den europäischen Wettbewerben decken – wie derzeit der FCZ – oder dann durch gute Transfers und private Einschüsse. Gerade die privaten Geldgeber brauchen aber eine Perspektive. Fällt das neue Stadion weg, dann fehlt diese. Wir brauchen ganz klar bessere Rahmenbedingungen mit einem Fussballstadion. Das ist in jeder anderen grösseren Stadt so, zum Beispiel in Basel, Bern, St. Gallen und Luzern.
Und mit dem neuen Stadion würde dann auf einen Schlag alles besser?
Canepa: Es ergäben sich neue Einnahmequellen für uns – sei es durch das Catering, Business-Seats, den Biervertrag oder die Vergabe der Namensrechte für das Stadion. Zudem fielen Kosten weg, die wir heute beim Letzigrund haben, zum Beispiel die Stadionmiete. Insgesamt rechnen wir mit einem Plus von mindestens 5 Millionen Franken pro Jahr und Klub. Auch gehen wir davon aus, dass die Zuschauerzahlen steigen werden. Ich rechne für die FCZ-Spiele mit einem Schnitt von 15 000 Besuchern.
«Wir würden nie leichtfertig budgetieren, glauben Sie mir. Sonst würden wir uns selber betrügen.» (Stephan Anliker)
Das ist aber sehr optimistisch. Letzte Saison waren es bei Ihnen knapp 11 000 Zuschauer, bei GC rund 7000.
Canepa: Ein modernes Stadion bringt automatisch mehr Fans. Das zeigen alle Vergleiche im In- und Ausland.
Anliker: Und mehr Fans, mehr Atmosphäre, mehr finanzielle Möglichkeiten bringen dann auch bessere sportliche Leistungen. Bei GC gehen wir neu von 9000 bis 10 000 Zuschauern pro Heimspiel aus. Ich betone: Unsere Klubs sind nicht gewinnorientiert. Jeder überzählige Franken wird in den Sport reinvestiert, zum Beispiel in den Nachwuchs.
Canepa: Ein reines Fussballstadion würde uns dank der Akustik und der Nähe der Fans zum Spielfeld zu 10 bis 15 Punkten mehr in der Meisterschaft verhelfen.
Dann müssten sich YB und der FC Basel aber warm anziehen . . .
Anliker (lacht): Ja, klar. Es wäre viel mehr möglich als heute.
Aber ernsthaft: Ihre Prognosen scheinen doch stark vom Prinzip Hoffnung geleitet zu sein. Wenn die Zürcher Klubs schlecht spielen, bleiben die Zuschauer weg – tolles Stadion hin oder her.
Stephan Anliker. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Stephan Anliker. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Anliker: Wir brauchen den sportlichen Erfolg, das ist klar. Aber mit einem neuen Stadion – einem echten Hexenkessel – ist dieser leichter zu erreichen als mit einem Leichtathletikstadion.
Canepa: Unsere Budgets sind eher konservativ und ausgesprochen realistisch erstellt.
Anliker: Wir sind beide Unternehmer und müssen genau rechnen. Wir würden nie leichtfertig budgetieren, glauben Sie mir. Sonst würden wir uns selber betrügen.
Garantieren Sie heute, dass die Stadt künftig im Zusammenhang mit dem Stadion keine finanziellen Verpflichtungen mehr haben wird?
Canepa: Bau und Betrieb des Stadions kosten die Stadt keinen einzigen Rappen.
Anliker: Zudem bekäme der Leichtathletik-Club Zürich das Stadion, das man ihm vor Jahren versprochen hat – für Trainings unter der Woche und Veranstaltungen. Der Letzigrund könnte endlich seinen ursprünglichen Zweck erfüllen.
Und auf dem Hardturm würde dann der Kommerz regieren. Für einen tiefen Millionenbetrag sollen zum Beispiel die Namensrechte für das neue Stadion vergeben werden. Kommt in einer CS-Arena oder einem HRS-Tempel wirklich Stimmung auf?
Anliker: Auch unseren Fans ist bewusst, dass man für eine gute Mannschaft und eine gesunde Entwicklung stabile Einnahmen braucht. Die Nutzung der Namensrechte trägt dazu einen wichtigen Anteil bei.
Canepa: Einerseits verstehe ich die Fussballromantiker. Ich bin ja selber einer. Wenn es aber heutzutage darum geht, einen Profifussballklub am Leben zu erhalten, muss man Kompromisse eingehen. Ein gewisses Mass an kommerziellem Denken ist nötig, um den Spitzenfussball inklusive Nachwuchs finanzieren zu können.
Was, wenn das Projekt an der Urne scheitert? Ziehen Sie sich dann aus Ihren Klubs zurück?
Canepa: Ich habe keinen konkreten Plan B. Allenfalls gibt es einen Plan C, den ich hier aber nicht kommentieren möchte. Sicher käme es zu einem strategischen Marschhalt. In welche Richtung die Weichen gestellt werden, ist aus heutiger Sicht ungewiss.
Anliker: Die Lage würde sehr, sehr ungemütlich.
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Wäre ein Plan C die Fusion Ihrer Klubs zu einem «Zürich United»?
Canepa: Das ist kein Thema. Natürlich gäbe es finanzielle Argumente, die für eine Fusion sprechen würden. Aber GC und der FCZ haben ihre eigene Geschichte und Tradition. Wir sind keine seelenlosen Firmen, sondern Emotionsträger. Das ist eine grosse Qualität, an der ich nicht rütteln möchte. Zürich ist übrigens nicht die einzige Stadt der Welt, in der zwei Klubs nebeneinander existieren.
Anliker: Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft. Eine Fusion ist gegenwärtig nicht denkbar. Zudem würde dann ja einer von uns beiden arbeitslos, das wollen wir nicht (beide lachen).
Ein Plan C könnte ja auch die Initiative der SP sein, die ein steuerfinanziertes Stadion für 130 Millionen Franken vorsieht.
Canepa: Das ist eine Schlaumeierei. Die SP stand am Anfang klar für das Stadionprojekt ein, wie es nun aufgegleist ist und Ende November zur Abstimmung kommt. Dass sie kurz vor Spielschluss die Spielregeln ändert, ist unsportlich. Ein SP-Stadion, das vom Steuerzahler finanziert wird, wollen wir nicht und werden wir nicht unterstützen.
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Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, heisst es doch.
Canepa: Vor fünf Jahren hat die Zürcher Stimmbevölkerung ein öffentlich finanziertes Stadion abgelehnt. Das haben wir damals respektiert. Das neue Projekt ist komplett privat finanziert und kostet die Stadt nichts. Es bringt 299 gemeinnützige Wohnungen und 600 weitere Wohnungen. Und dank den beiden Hochhäusern entsteht ein echtes Stadttor für Zürich. Heute hat man das Gefühl, irgendwo in einer Provinzstadt in Rumänien anzukommen, wenn man an der Hardturm-Brache entlangfährt. Mit der SP-Initiative gewinnen wir gar nichts. Es würde zu einer weiteren Verzögerung von mindestens acht Jahren kommen. Das ist für uns definitiv keine Alternative.
Anliker: Die Perspektive für unsere Fussballklubs wäre dahin. Ausserdem sind die Berechnungen und Argumente, welche die SP vorbringt, um im Jargon von Jacqueline Badran zu bleiben, schlicht «Bullshit».
Canepa: Oder Fake-News. Das angedachte SP-Stadion dürften wir ja wieder nicht selber betreiben. Damit fehlten uns Einnahmen, und wir hätten wieder dieselbe Situation wie heute auf dem Letzigrund. Das funktioniert einfach nicht. Das Projekt «Ensemble», das in einem Monat zur Abstimmung kommt, ist das letzte Stadionprojekt, das es in Zürich auf absehbare Zeit geben wird.
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Gerade FCZ-Fans sind aber nicht nur begeistert vom «Ensemble». Für sie ist der Hardturm historisches GC-Territorium und damit verbrannte Erde.
Canepa: Ich kann diese Argumentation nicht wirklich nachvollziehen. Im alten Letzigrundstadion hatten wir tatsächlich schöne Momente. Aber im neuen sehe ich keinerlei Vorteile, keinerlei Identität für den FCZ. Wir spielen dort Fussball, fühlen uns aber auch nicht daheim. Dann sind mir die Erinnerungen an das alte Hardturmstadion, wo wir 2007, ein Jahr vor dem Abriss, nicht zuletzt dank der tollen Atmosphäre Schweizer Meister wurden, viel lieber.
Anliker: Von unserer Basis höre ich nichts Negatives. Man hofft schlicht darauf, endlich wieder in einem echten Fussballstadion spielen zu dürfen.
Sie sprechen jetzt von Ihren Fans. Der grossen Mehrheit der Zürcherinnen und Zürcher ist der Fussball aber herzlich egal. Anders als Basel ist Zürich nun einmal keine Fussballstadt.
Anliker: Die Konkurrenz durch andere Sport-, Kultur- und Freizeitangebote ist in Zürich tatsächlich gross. Aber natürlich ist Zürich auch eine ausgesprochene Fussballstadt. Das zeigt die lange, erfolgreiche Tradition unserer Vereine und der vielen Quartierklubs der Stadt.
Canepa: Das Interesse am Zürcher Fussball ist ausgesprochen gross. Allein schon das Einzugsgebiet von 1,5 Millionen Menschen zeigt das grosse Potenzial. Ausserdem ist Zürich die Wirtschaftsmetropole der Schweiz. Heute ist der Anreiz, sich Spiele im Letzigrund anzuschauen, aus atmosphärischen Gründen gering. Mit einem neuen Stadion, einem neuen Zuhause, wäre dies anders. Vergessen Sie zudem nicht das Wertschöpfungsvolumen, das wir generieren. Diverse Wirtschaftszweige, von der Gastronomie über die Hotellerie bis zur Werbewirtschaft, profitieren von Umsätzen in der Höhe von jährlich 50 Millionen Franken – allein dank dem Spielbetrieb des FCZ.
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Anliker: Erwähnen muss man auch unser Engagement für die Jugend, die Integration und soziale Aspekte. Das kommt der ganzen Gesellschaft, nicht nur den Fussballfans zugute.
Canepa: Alle sehen immer nur den Profifussball. Aber die tausend Juniorinnen und Junioren, die wir gemeinsam ausbilden und betreuen, gehen vergessen. Diese Förderung kostet uns noch einmal mehrere Millionen jährlich.
Aber sind es nicht die kleinen Vereine, die für die Nachwuchsförderung viel wichtiger sind als die elitären Klubs FCZ und GC?
Anliker: Wir sind ganz sicher nicht elitär. Dennoch: Ohne Spitze der Pyramide gibt es auch keine Breite weiter unten. Dessen muss man sich bewusst sein.
Sie streichen die positiven Seiten heraus. In der Öffentlichkeit sind andere Bilder präsenter, wenn es um den Zürcher Fussball geht: Saubannerzüge von Hooligans, Strassenschlachten, Verletzte.
Canepa: Leider. Aber all dies hat nichts mit dem neuen Stadion zu tun. Diese Art der Gewalt ist ein Problem unserer Gesellschaft und muss als solches behandelt werden.
Anliker: Die Stadt Zürich hat dies erkannt. Und wir unterstützen alles, um gemeinsam Fortschritte erzielen zu können.
Trotzdem könnten Sie mehr tun. Die Polizei geht von 100 bis 200 gewaltbereiten FCZ- und GC-Fans aus. Ihnen müssen diese doch bekannt sein.
Anliker: Eben nicht. Wir tappen genauso im Dunkeln wie die Polizei.
Canepa: Darum prüfen wir zusammen mit der Stadt neue Möglichkeiten der Identifikation, etwa mittels Videoüberwachung.
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Verbessert oder verschärft das neue Hexenkessel-Stadion die Sicherheitslage?
Anliker: Bei allen neuen Stadien hat die Sicherheit oberste Priorität. Auch in diesem Bereich gäbe es klare Verbesserungen.
Canepa: Gerade das Letzigrundstadion ist bezüglich Sicherheit problematisch. Wegen der durchlässigen Stadionwand ist es heute ein Leichtes, Pyros hineinzuschmuggeln. Das wird im neuen Stadion nicht mehr möglich sein.
Bis auf weiteres bleibt Ihnen der ungeliebte Letzigrund erhalten. Herr Anliker, am Abstimmungssonntag tritt Ihr GC gegen St. Gallen an. Werden Sie sich dann überhaupt auf das Spiel konzentrieren können?
Anliker: Ich werde sicher wie auf Nadeln sitzen. Das Abstimmungsresultat wird für die Zukunft unseres Klubs wichtiger sein als das Matchresultat gegen St. Gallen. Als Präsident muss ich langfristig denken. Aber natürlich wäre ein doppelter Sieg am 25. November das Allerschönste.
Canepa: Ich werde im Stadthaus sein und die Abstimmungsresultate vor Ort verfolgen. Und hoffentlich können wir dann gemeinsam auf eine positive Zukunft anstossen.