Eine nette Freundschaft. Aber den FCZ-Fans faschismus vorwerfen...
https://m.tagesanzeiger.ch/articles/27477374Die Kontakte rechtsradikaler Gruppen aus Chemnitz reichen bis nach Zürich. Die GC-Fan-Kurve distanziert sich.
Am Anfang der Ausschreitungen im deutschen Chemnitz stand ein Aufruf: «Unsere Stadt – Unsere Regeln», schrieb die rechtsradikale Ultragruppierung Kaotic Chemnitz auf Facebook. Der Beitrag ist inzwischen gelöscht, die Eigendynamik, die der Aufruf entwickelte, konnte aber niemand aufhalten. Am Sonntag strömte ein Mob von rund 800 Personen in die Innenstadt, um Jagd auf ausländische Personen zu machen. Angestachelt durch rechtsradikale Fans des Chemnitzer FC.
Radikale Fangruppen in Deutschland sind bekannt für ihr gutes Netzwerk. Jene mit ähnlicher Gesinnung organisieren sich über Clubgrenzen hinweg. Die Gruppe Kaotic Chemnitz pflegt enge Kontakte nach Cottbus, Zwickau und in andere sächsische Städte. Eine langjährige Freundschaft besteht auch zwischen Fangruppen des Chemnitzer FC und dem Grasshopper Club Zürich (GCZ). In erster Linie besteht ein Austausch zu den Ultras Chemnitz 99, die im Vergleich zu Kaotic Chemnitz gemässigt sind
Allerdings gibt es auch Verbindungen zu letzterer Gruppierung: In einem Facebook-Eintrag vom vergangenen Dezember verdankt Kaotic Chemnitz die Unterstützung aus Zürich: «Beste Grüsse gehen noch raus an die Jungs aus Cottbus, Zürich, Dortmund, Zwickau und Dresden.»
Gewaltsame Unterstützung
Aus demselben Umfeld stammt die Chemnitzer Gruppe NS Boys, eine weitere rechtsradikale Gruppierung. «NS» steht offiziell für «New Society», als Logo verwendet die Gruppe, der rund 50 Personen zugerechnet werden, das Konterfei eines Hitlerjungen aus einem Nazi-Propagandaplakat. Die NS Boys hatten sich 2008 von den Ultras Chemnitz 99 abgespalten, weil ihnen diese zu wenig radikal war. Zwischen den Ultras Chemnitz 99 und der GC-Fangruppe Blue White Bulldogs besteht eine jahrelange Freundschaft.
Der in Zürich lebende Deutsche Björn Resener gilt als Kenner der rechtsradikalen Fussballszene. In einem Beitrag für die «Zeit» dokumentierte er 2014 die «besonders engen Kontakte» zu der GC-Fan-Gruppierung Blue White Bulldogs. Gegenseitig besuchten die Gruppierungen Spiele der jeweils anderen Mannschaft, man leistete Unterstützung, wenn es zu Auseinandersetzungen mit den Fans gegnerischer Mannschaften kam. Bekannt ist zudem ein Vorfall am 21. Oktober 2017 beim Derby zwischen dem FC Zürich und GC. Vor dem Stadion unterstützten Schläger aus Montpellier und Chemnitz gewalttätige GC-Fans in einer Strassenschlacht gegen FCZ-Hooligans. Hinweise, dass GC-Fans an den Ausschreitungen in Chemnitz teilgenommen haben, bestehen zurzeit keine.
Sektor IV, das selbst ernannte «Sprachrohr der GC-Kurve», bestreitet Verbindungen zur radikalen Fanszene nach Chemnitz: Es gebe zwar Freundschaften zwischen einzelnen GC-Fans und Fussballanhängern aus Chemnitz. «Letztere stehen jedoch in keinster Verbindung zu den rechtsradikalen Ultragruppierungen.» Die GC-Kurve würde Rassisten nicht dulden.
GC stellt sich gegen Rechtsradikale
Tatsächlich wird heute die Freundschaft zwischen GC-Fans und rechtsradikalen Chemnitz-Anhängern nicht mehr offen gepflegt. Im Gegenteil: Personen, die rechtsradikales Gedankengut propagieren, werden ausgestossen. Im April 2015 wurden zwei bekennende Neonazis von GC-Fans im Stadion Letzigrund spitalreif geprügelt. Das zeigen Polizeiakten, die dem TA vorliegen. Gemäss Resener werden aber Kaotic-Chemnitz-Mitglieder auch heute noch im GC-Stadion geduldet. Jedoch nur, wenn sie sich nicht als Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung zu erkennen geben.
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) bestätigt, dass aktuell eine Fan-Freundschaft zwischen GC und Chemnitz besteht. Ähnliche Verbindungen bestehen zwischen anderen Schweizer Clubs und Vereinen im Ausland. Dadurch ist eine Art Hooligan-Tourismus entstanden, der in den letzten Jahren zugenommen hat. Die Hooligan-Datenbank Hoogan zählt, nebst einheimischen Fans, 160 gewaltbereite Fussballfans aus dem Ausland.