Beitragvon spitzkicker » 22.10.17 @ 22:49
Die NZZ bringt's auf den Punkt:
0:4 im Derby: Was die Fussballtrainer Yakin und Forte unterscheidet
22.10.2017, 15:07 Uhr
Die Spieler glauben Murat Yakin wie einem Guru. Er hat eine Aura, welche sein Kumpel Uli Forte noch nicht erlangt hat. Wie Fortes FCZ gegen GC unterlag, hat etwas Demaskierendes.
Flurin Clalüna
Ist es einfacher gegen einen Freund zu verlieren? Oder macht es alles komplizierter? Uli Forte und Murat Yakin sind seit Jahren befreundet. In der Trainerausbildung haben sie einmal das Hotelzimmer geteilt, sie gehen regelmässig zum Essen ins Restaurant, es ist eine unüblich nahe Beziehung in diesem Trainergeschäft. Schwierig wird es, wenn der eine den anderen so demütigt wie Yakin den Kollegen Forte an diesem Samstagabend. Im Fussballjargon sagt man manchmal, der eine Trainer habe den anderen «ausgecoacht», und genau dies ist beim 0:4 des FC Zürich gegen die Grasshoppers geschehen.
Forte sagte, mehrere seiner Spieler seien nicht auf ihr Niveau gekommen, ausgerechnet in einem Derby, «vielleicht dachten sie, es ginge von alleine». Wer so etwas sagt, wirft auch die Frage auf, welche Rolle bei diesem mentalen Breakdown der Trainer spielte – also er, Uli Forte, der eigentlich als Spieler-Versteher gilt? Seine Mannschaft habe vielleicht das erste gewonnene Derby der Saison im Hinterkopf gehabt, aber bei GC ist nicht mehr viel wie damals. Und auch wenn Forte seinen Spielern vermutlich genau dies gesagt haben mag: Sie haben ihn nicht verstanden.
Das Schicksalshafte der Derby-Niederlagen
Dieses 0:4 des FC Zürich war mehr als eine Niederlage; es war der erste Rückschlag in einer Saison, die bisher besser war als vermutet, aber vielleicht doch nicht so gut werden wird, wie man insgeheim gehofft hatte. Es ist nicht die Zeit, alles in Frage zu stellen, aber wie der FCZ verlor, hatte etwas Demaskierendes. Das 0:4 legte Schwächen offen, die die Mannschaft bisher erstaunlich gut versteckt hatte. Es muss keine Zäsur sein, aber Derby-Niederlagen in dieser Höhe waren in der jüngeren Vergangenheit nie zufällig, sie hatten immer etwas Schicksalhaftes, das in die Zukunft wies: Als der FCZ im November 2015 0:5 unterlag, stieg er später ab; und als die Grasshoppers vor sechs Jahren 0:6 verloren, entgingen sie dem Abstieg nur, weil Xamax und Sitten sie am grünen Tisch davor bewahrten. «Wir haben keine Zeit, Wunden zu lecken», sagte Forte. Doch er wird gut darüber nachdenken, was da mit dem FCZ passiert ist.
Es ist nicht der Moment für Eitelkeiten, aber die Niederlage muss Forte auch persönlich treffen. Je näher man sich steht, je näher liegt auch der Vergleich mit dem anderen. Der Fussballexperte Markus Frei sagte kürzlich am Fernsehen, Forte sei immer noch dabei, gegenüber Yakin aufzuholen. Die Bilanz zwischen den zwei Trainern ist zwar ausgeglichen, beide haben mit ihren Teams je sieben Mal gegeneinander gewonnen. Aber es gibt Dinge, die für Forte schwer wettzumachen sind, und damit sind nicht einmal die Meistertitel gemeint, die ihm Yakin als Spieler und Coach voraus hat.
Yakin hat diese Aura, die aus Verlierern Gewinner machen kann. Wie er das anstellt, ist sein grosses Geheimnis. Und je mehr man ihm solche unerklärbaren Fähigkeiten nachsagt, je mehr wird alles zur reinen Wahrheit, was er erzählt. Die Spieler glauben ihm wie einem Guru. In dieser Saison ist Yakin als Trainer von Schaffhausen und GC in 14 Spielen unbesiegt. Es waren nicht immer schöne Partien, aber bei Yakin sieht sogar ein diszipliniertes Team nicht verbissen, sondern oft lässig aus.
Yakin erwartet Verstärkung im Winter
Yakin ist wie jemand, der keine Noten lesen lernen muss, weil er ein so gutes Musikgehör hat. Alle fleissigen Trainer müssten Yakin diese Leichtigkeit neiden, weil er mit weniger Strebsamkeit durchs Leben kommt. Er ist nicht viel anders als er als Spieler war. Yakin ist keiner dieser 24-Stunden-Trainer, die nichts anderes tun, als an Fussball zu denken. Er weiss, wann er bereit sein muss und wann Zeit ist, Golf zu spielen. Und er kann streng sein. Wie er öffentlich den Isländer Runar Sigurjonsson kritisiert hat, ist unüblich. Yakin kann es sich leisten. Man kann nur mutmassen, aber wenn sein Vorgänger Carlos Bernegger so gehandelt hätte, wäre ihm der Fall vermutlich um die Ohren geflogen.
Das 4:0 war der bisher beste Auftritt der Grasshoppers unter Yakin, er selber stufte das Spiel einfach nur als «gut» ein. Bei aller Lässigkeit, die ihn umgibt: Yakin ist auch perfektionistisch. Im Winter werden die Grasshoppers die Mannschaft nochmals verändern, «es gibt sicher die eine oder andere Ergänzung», sagte er. Yakin mit noch besseren Spielern? Das könnte interessant werden.