Er spielt zurzeit nicht, «c'est tout»
Augustine Simo war im Sommer 2003 begehrt. Jetzt ist er Ersatz. Von Peter B. Birrer
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Was sich im Sommer 2003 rund um den FC Zürich ereignete, war nicht mehr nur rational gesteuert. Favorit Joachim Löw winkte als neuer FCZ-Trainer ab, womit der Weg frei war für den Romand Lucien Favre. Der sass alsbald im Büro von Präsident Sven Hotz und gab seine Personalwünsche bekannt. Der Trainer drängte auf die Verpflichtung des Armeniers Artur Petrosjan und des Kameruners Augustine Simo, um die er das Team bilden wollte. Weil Hotz grosszügig ist, erhörte er den teuren Wunsch. Da die Zeit drängte und man laut Favre «in Dringlichkeit» arbeiten musste («Mon Dieu, das habe ich schon 50-mal erklärt»), wurden eiligst die Papiere firmiert. So mutierte Xamax-Chef Simo im Hochdruck zum FCZ-Spieler.
Zehn Monate später blinzelt Simo nach dem Training im Letzigrund in die Sonne und sagt: «Die ersten sechs Monate waren katastrophal. Ich kam nicht nach Zürich, um abzusteigen.» In der Tat zog es den FCZ samt Simo und Petrosjan zuerst abwärts, die Spiele gingen knapp, aber in der Vielzahl verloren, Simo stand fast immer auf dem Terrain und hatte nur noch einen ganz kleinen Trost. Xamax, seinem früheren Verein, dessen «Haus ich so gut kannte», ging es ähnlich mies. Für ihn war in Zürich aber alles anders: neue Stadt, neues Stadion, neue Sprache, neue Leute, neues System, neuer Trainer.
Es kam die Winterpause. Im Letzigrund wurde im Misserfolg für einmal nicht der Trainer, sondern dessen Umfeld geopfert. Und siehe da: Nach personellen Korrekturen begann der FCZ zu siegen und Favre zu strahlen. Unter der Ägide des neuen Sportchefs Fredy Bickel und des neuen Trainerassistenten Harald Gämperle wurden die Zürcher unter Starkstrom gesetzt. Es ging urplötzlich nur noch aufwärts. Simo geriet derweil in Argumentationsnotstand, da ihn Favre im Aufschwung nicht mehr berücksichtigte. Für Simo gilt der Dreisatz: Als er auf dem Rasen war, ging es abwärts; seit er draussen ist, geht es aufwärts. Also?
So simpel ist die Wende natürlich nicht zu begründen. Simo freut sich für den Verein, aber wenn es um seine Befindlichkeit geht, ringt er um Aussagen. Er zuckt die Schultern, sagt, dass es für ihn «irgendwie trist» sei und dass er hoffe, «das Gewitter zu überstehen». Mit dem Satz «Ich will wieder Fussball spielen» beendet er das Thema. Verletzt ist er nicht, höchstens in seiner Seele. Er, der in der Elite des hiesigen Fussballs anzusiedeln ist. Eigentlich. - Der 26-jährige Mittelfeldspieler ist derzeit neben Filipescu der einzige Fussballer in der Schweiz, der die WM 1998 in Frankreich als Nationalspieler erlebte. Er war mit Kamerun dabei und brachte es für dieses Land bis 1999 insgesamt auf 23 Einsätze und fünf Tore. Der Afrikaner war als 17-Jähriger nach Europa gekommen, hatte für die AC Torino und für Lugano gespielt, bevor er 1998 via St-Etienne nach Neuenburg zu Trainer Alain Geiger kam. Simo nutzte die «afrikanische Geiger-Linie», wie das Zusammenspiel der Brüder Nicolas (Spielerberater) und Alain (Trainer) in der Branche genannt wird.
Simo wuchs über die Jahre zum Leistungsträger heran. «Man kann ihm in jeder Sekunde den Ball geben», rühmt der frühere Xamax-Trainer Claude Ryf, «er hat keine Angst und war für uns eine Art Versicherung auf dem Feld.» Xamax setzte auf seinen Leader, der zwischen Europäern und Afrikanern Brücken schlug und in Gesprächen mit den Jungen unter vier Augen und nicht in lauten Ansprachen vor versammelter Mannschaft wirkte. Im Sommer 2003 war er - wie die Afrikaner Papa Bouba Diop, Camara, Atouba und Alex gleichenorts vor ihm - für den nächsten Sprung bereit. Um in einen neuen Kreislauf zu kommen, wechselte er den Berater; auf Geiger folgte Walter Fernandez. Simo wählte nicht Servette oder YB, nein, er zog den FCZ vor. Einerseits wegen der «neuen Erfahrung Deutschschweiz» und wegen «des grossen Interesses von Favre» (Begründung Simo), anderseits wegen des hohen Lohnes (Vermutung). Simo gehört hinter Bastida und mit Petrosjan zu den Topverdienern im FCZ.
Was nützt aber Simo auf der Ersatzbank oder auf der Tribüne, zumal er einen Kontrakt bis 2005 hat? Soll er davon träumen, wie er in Neuenburg den Stürmern Leandro und Rey die Bälle in den Lauf spielte? Simo spiele zurzeit nicht, «c'est tout», erläutert FCZ-Trainer Favre gereizt. Agent Fernandez will im Sommer «an einem runden Tisch eine Lösung suchen». Anzunehmen ist, dass die Zukunft von Simo, seiner Frau und dem zwei Monate alten Kind weder in Gockhausen, wo sie wohnen, noch im Letzigrund liegt, wo der Papa arbeitet.
Im FCZ wünscht man sich, dass Simo mehr auf den Tisch schlage und sich auflehne. Das macht er nicht, stattdessen nimmt er das Schicksal hin. «Ich habe einen ruhigen Charakter», sagt er. Simo spielt vorderhand nicht - oder nur partiell. Manchmal geht es eben schnell im Leben. Und niemand weiss so recht, warum.