https://www.tagesanzeiger.ch/sport/fuss ... y/23449968Kriegskasse gefüllt, Ambitionen verkauft
Noch nie hat der FCZ einen Spieler teurer verkauft, 15 Millionen dürfte der Dwamena-Abgang bringen. Wer davon profitiert – und wer verliert.
Nun ist er weg, der FCZ um 15 Millionen Franken wohlhabender, und die Zürcher Trams und Coiffeursalons um ein Gesprächsthema reicher. Raphael Dwamenas Abgang polarisiert, löst aber auch Verständnis aus – und natürlich kennt er Gewinner und Verlierer.
Die sportliche Ambition
Verlierer
Wer seinen besten Stürmer verkauft, der tut seinen sportlichen Ambitionen nichts Gutes. Das sieht auch Präsident Ancillo Canepa ähnlich: «Aus sportlicher Sicht bedauern wir diesen Wechsel sehr.» Aber er sagt auch zwischen den Zeilen: Der FC Zürich hat diesen Transfer geprüft und für vertretbar befunden. Das lässt auf eine gesunde Haltung des FCZ gegenüber seinen Möglichkeiten deuten. Die Verantwortlichen sehen sich als einer der Clubs unter den ersten vier oder fünf. Alles andere wäre in dieser Aufsteigersaison vermessen. Hielte sich der FCZ für einen Titelkandidaten, dann hätte er Dwamena nicht ziehen lassen, zu wichtig wäre er gewesen. Darum darf man anfügen: Mit Dwamenas Abgang schwindet die Wahrscheinlichkeit, über die ganze Saison an der Spitze zu bleiben.
Die Fans
Verlierer
Mit der sportlichen Ambition verliert auch der Fan. Viele Hoffnungen haben sie in den Ghanaer gesteckt, er verströmte mit dem seltsamen Gemisch aus Eleganz und Wucht etwas, das man einfach gerne betrachtet. Zudem strotzen solche kurzfristigen Engagements gewöhnlich nicht vor grosser Loyalität.
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Etwas, nach dem sich die Anhängerschaft sehnt. Und der Abgang widerspricht einem Ziel des Clubs: Man wollte Dwamena ursprünglich behutsam aufbauen. Erst eine halbe Saison Challenge League als Anpassungsphase, dann ein oder zwei Jahre Super League als Bindungsphase. Das ist nicht geschehen, zu verlockend war das Angebot.
Uli Forte
Verlierer
Der Trainer wird seines talentiertesten Stürmers beraubt, denn Uli Forte wollte Dwamena behalten und fördern. Er hat sich schon beim Spiel gegen Sion vor bald zwei Wochen über den Irrsinn und die Auswüchse des Fussballs beklagt. Genützt hat es nichts, Forte verliert eine ernsthafte Alternative im Sturm und ein seriöses Argument, um auch künftig das 3-4-3-System zu spielen. Der Trainer muss nun auf seine Vorgesetzten und ihr Gespür auf dem Transfermarkt hoffen.
Nun zu den Gewinnern:
Das Ehepaar Canepa
Gewinner
Ancillo Canepa ist ein Fuchs, zu diesem Schluss muss man nach dem Transfer kommen. Er hat gepokert und den Engländern aus Brighton erst die kalte Schulter gezeigt. Dies im Wissen, wenn sie Dwamena wirklich wollten, dann würden sie auch mehr zahlen. Genau so ist es gekommen, der Preis stieg von 10 auf 15 Millionen.
Natürlich profitieren die Canepas auch als Besitzer des Clubs vom Erlös. Die Millionen würden etwa für drei Jahre das strukturelle Defizit decken, vorausgesetzt, der FCZ muss keine unverschämt hohe Summe für den Weiterverkauf an Lustenau überweisen. Und: Die Canepas haben der Welt gezeigt, dass der FC Zürich einerseits in der Lage ist, Transfers in dieser Grössenordnung durchzuführen. Und andererseits, dass der Stadtclub ein guter Ort für junge Talente sein kann. Ein Ruf, den der Club nach den Abgängen von Oberlin, Sow, Francisco Rodriguez oder Janicic etwas verloren hatte.
Thomas Bickel
Gewinner
Als Thomas Bickel vergangenen Sommer beim FCZ die Position Leiter Sport übernommen hatte, da rümpften einige Beobachter ihre Nasen und fragten sich, ob der Mann nicht einfach ein Feigenblatt Canepas sei. Nun, das ist er nicht. Seine Transfers sind in der Mehrzahl gelungen. Ob Vanins, Rodriguez oder eben Dwamena, sie haben dem FCZ entweder Sicherheit, Tore oder Geld gebracht. Der Dwamena-Transfer kommt also auch dem Curriculum Vitae von Bickel zugute, es wird seine Position im Verein weiter stärken. Doch der Mann ist bereits wieder gefordert: Er muss Ersatz beschaffen, Kandidaten hat er längst im Auge und niedergeschrieben auf einer Liste. Sie sollen allesamt aus dem Ausland kommen.
Dwamenas Lager
Gewinner
Alle sind sie zufrieden, und damit auch Raphael Dwamena, der künftig in der Liga seiner Träume spielen und darum auch mehr verdienen wird. Er, der in Ghana eine Stiftung gründen und den Menschen helfen will. Mit Dwamena freuen sich auch seine Berater, die Degen-Zwillinge. Sie verdienen mit und machen Werbung für ihre Agentur: Es ist ihr erster Transfer in zweistelliger Millionenhöhe.
Die Degens haben auf den Wechsel gedrängt, weil sie gespürt haben, dass das eine einmalige Sache ist. So oder so. Wenn die Premier League anklopft, steigt der Transferpreis um ein Vielfaches. Man vergleiche Dwamena mit Munas Dabbur, einem der besten Stürmer der Super League der vergangenen Jahre. Er wechselte für 5 Millionen zu Salzburg – im Vergleich etwas gar wenig. Sein Problem war, und das erklärt die Einmaligkeit von Dwamenas Transfer, dass der Israeli in England keine Spielberechtigung bekommen hätte, da er kein gestandener Nationalspieler war. Das ist Dwamena auch nicht, doch Brighton organisierte für ihn eine Ausnahmebewilligung.
Bleibt eine Frage offen: Ist der Wechsel auch gut für Dwamenas sportliche Entwicklung?