Beitragvon Barrioso » 17.05.17 @ 11:47
Interview mit Uli Forte
«Ich bin in einem guten Flow»
INTERVIEWvon Christine Steffen und Flurin Clalüna 17.5.2017, 08:00 Uhr
Der FCZ-Trainer Uli Forte will sich trotz souveräner Saison in der Challenge League nicht blenden lassen. Er hofft auf zwei, drei neue Spieler - und hat immer noch den Traum, irgendwann in der Bundesliga zu arbeiten.
Uli Forte, haben Sie schon einmal eine so entspannte Saison erlebt als Trainer?
Sie war nur von den Resultaten her entspannt. Sonst war sie alles andere.
Was war denn Ihr grösstes Problem?
Den Rhythmus und die Spannung immer hoch zu halten, damit die Mannschaft nie auf die Idee kommt, die Aufgabe zu unterschätzen.
«Im ersten Spiel in Genf haben wir sofort eine Ohrfeige eingefangen. Zum Glück.»
War die Mannschaft anfällig darauf, sich etwas gehen zu lassen?
Das ist normal, wenn man zwölf Punkte Vorsprung hat in der Winterpause. Es ist nicht von Vorteil für den Start in die Rückrunde. Das hat man auch gesehen. Im ersten Spiel in Genf haben wir sofort eine Ohrfeige eingefangen. Zum Glück.
Sie waren froh darüber?
Im ersten Moment sind wir erschrocken, vor allem auch weil wir in der Vorbereitungsphase gute Leistungen und Ergebnisse erzielt hatten. Aber im Nachhinein ist klar, dass es das Beste war, was uns passieren konnte. Alle haben wieder gemerkt, dass es kein Selbstläufer ist.
Von aussen kann man sagen: Es lief völlig reibungslos.
Das kann man so sagen. Aber das war nur möglich mit viel Arbeit, viel Herzblut und Leidenschaft der Jungs. Und mit dem Willen, besser zu werden. Grosse Unfälle gab es tatsächlich nicht. Wenn ich auf alle meine Saisons als Trainer zurückblicke, habe ich in diesem Jahr am wenigsten Einzelgespräche geführt. Wenn es läuft, muss man nicht künstlich zu viel Zeit damit verbringen.
Konnten Sie sich vor der Saison vorstellen, dass es derart gut laufen würde?
Ganz und gar nicht. Man sieht bei anderen Mannschaften, wie schwierig ein sofortiger Wiederaufstieg sein kann. Hätte mir einer gesagt, dass wir bereits nach dem viertletzten Spiel aufsteigen können, hätte ich gedacht: Vergiss es.
Der Abstieg war ein emotional schwieriger Moment. Es gab viel Frustration und Wut. Wie hat man es geschafft, so schnell in eine positive Stimmung zu wechseln?
Der Cup-Sieg war sehr wichtig, er war der Start in eine neue Ära. Natürlich war auch von Vorteil, dass wir direkt für die Europa League qualifiziert waren. Es brauchte auch frisches Blut. Wir haben Spieler mit einem Zürcher Bezug geholt. Wir wollten wieder mehr Zürich in der Mannschaft haben. So haben wir mehr Identifikation geschaffen. Die Fans mit ihrem «Alli für dä FCZ – jetzt erscht rächt»-Motto waren natürlich auch einmalig. Sie haben sich nicht abgewendet vom Verein.
Wie stehen die Fans Ihnen gegenüber?
Die Südkurve war mir natürlich ein Begriff, ich habe sie vorher als Trainer der gegnerischen Mannschaft gekannt. Ich wusste daher, wie sie die Mannschaft zu besseren Leistungen beflügeln kann.
Und wie steht die Südkurve zu Ihnen?
Klar war der Abstieg nicht schön. Aber als wir das neue Projekt gestartet haben, hatte ich sofort ein gutes Gefühl.
Sie wurden nie als GCler angeschaut?
Das kann ja gar nicht sein. Ich war ja viel weniger lang bei GC als bei den Young Boys oder in St. Gallen.
Die Young Boys und St. Gallen sind für den FCZ-Fan auch kein Problem.
Der Trainer und der Fan, das sind zwei verschiedene Dinge. Der Trainer kann kein Fan sein. Er wird heute angestellt und morgen gefeuert, wenn es nicht läuft. Der Fan ist ein Leben lang für den gleichen Verein. Das ist Herzblut und Identifikation. Beim Trainer natürlich auch – solange er beim Klub angestellt ist. Wenn morgen alles vorbei ist, muss er sich neu orientieren.
«Ich hatte den Traum, irgendwann in die Bundesliga zu gehen und zu zeigen, was ich kann. Ich habe ihn immer noch.»
Sie haben einmal gesagt, ein Trainer müsse in erster Linie für sich schauen.
Nein, der Trainer muss für die Mannschaft schauen. Aber der Trainer muss auch einen Karriereplan verfolgen. Ich hatte den Traum, irgendwann in die Bundesliga zu gehen und zu zeigen, was ich kann. Ich habe ihn immer noch.
Wo stehen Sie in dieser Karriereplanung?
Ich bin in einem guten Flow. Und bin sehr froh, habe ich dieses FCZ-Projekt angefangen.
Sie sehen Ihre Zukunft in Zürich?
Ich habe mich hier klar verpflichtet. Ich bin sicher, dass wir mit ein paar wenigen Transfers auch in der Super League gute Arbeit liefern können.
Und wenn ein Bundesligaklub kommt?
Dann muss man wieder schauen. Aber jetzt bin ich hier. Wichtig ist, dass man im Hier und Jetzt lebt. Das habe ich immer so gehalten.
Inwiefern entspricht der Fussball, den die Mannschaft spielt, Ihren Vorstellungen?
Zu einem grossen Teil. Wobei wir unterscheiden müssen zwischen Vor- und Rückrunde. Die Vorrunde war besser, in der Rückrunde lief es manchmal etwas schleppend. Das ist aber auch normal, die Mannschaften hatten sich auf uns eingestellt.
Welche Spieler haben Sie überrascht?
Es gibt einige Junge, die ihren Weg gefunden haben: Nicolas Stettler, Kevin Rüegg oder Michael Kempter. Und natürlich der alte Routinier: Alain Nef hat in jedem Spiel die Knochen hingehalten. Ich dachte schon vor dem Start in die Meisterschaft, dass Alain eine gute Saison spielen wird. Dass er es aber durchs Band so gut macht, war eine positive Überraschung.
Man hat das Gefühl, die Mannschaft habe den Charakter geändert, sie sei nicht mehr so anfällig auf Stimmungen.
Wir haben als Staff klare Vorgaben gemacht. Und es hat mit der Zusammensetzung der Mannschaft zu tun. Es braucht Spieler mit Charakter, die die Vorgaben umsetzen. Wir haben Charakterköpfe dazu geholt: Adi Winter, Roberto Rodriguez, Kay Voser auf seine Art. Andris Vanins ist enorm wichtig, auch wenn er nicht viel spricht. Oliver Buff, Alain Nef und Gilles Yapi gehören ebenfalls dazu.
Was fehlt dieser Mannschaft, um in der Super League bestehen zu können?
Es fehlen vielleicht zwei, drei Ergänzungen. Diese Verstärkungen braucht es, um in der Super League bestehen zu können. Wir dürfen uns von dieser Saison nicht blenden lassen. In Basel, Bern oder Sitten wird es anders zugehen als gegen Le Mont oder Wohlen.
Ohne diese Verstärkungen würden Sie sich Sorgen machen?
Die Frage ist, welche Ambitionen wir in der nächsten Saison haben.
Welche Ambition hat der Trainer?
Ich als Trainer habe immer die grösstmöglichen Ambitionen.
«Es ist ein Unterschied, ob wir jemanden wie Xherdan Shaqiri verpflichten oder einen Spieler aus der Challenge League.»
Und welche sind realistisch?
Wir müssen abwarten, wie sich die Transferaktivitäten entwickeln. Es ist ein Unterschied, ob wir jemanden wie Xherdan Shaqiri verpflichten oder einen Spieler aus der Challenge League.
Die Transfers bestimmen der Präsident Ancillo Canepa, der Leiter Sport Thomas Bickel und Sie. Alle drei sind verschieden. Wer nimmt welche Rolle ein?
Thomas Bickel ist eher ruhig und sachlich, ich bin emotionaler, ich gehe vielleicht eher einmal an die Decke. Und über allem steht der Präsident, der auf mich das ganze Jahr einen sehr besonnenen Eindruck gemacht hat.
In welcher Rolle erleben Sie ihn?
Er ist quasi der Supervisor. Die Arbeit ist auf mehrere Schultern verteilt. Überall hat es geheissen, der Präsident sei beratungsresistent, aber das stimmt überhaupt nicht. Unsere Kommunikation ist sehr gut.
Wie würden Sie die Beziehung mit Bickel beschreiben? Ist sie rein beruflich?
Ich denke, sie geht darüber hinaus. Wir gehen zwar nicht jeden Abend gemeinsam essen. Aber ich war kürzlich mit meiner Frau bei Thomas Bickel und seiner Frau auf Mallorca. Wir haben uns ein Fussballspiel angesehen und gingen in eine Tapas-Bar. Das war entspannt.
Wie nahe ist Bickel an der Mannschaft?
Wenn ich Thomas Bickel mit Fredy Bickel vergleiche, mit dem ich bei YB zusammengearbeitet habe, dann muss ich sagen, Thomas ist viel näher an der Mannschaft. Er ist häufig schon bei den Morgenessen dabei, er holt immer wieder mal einen Spieler zu sich.
«Bickel spürt den Puls der Mannschaft.»
Das stört Sie nicht?
Nein, ich bin froh darüber. Er spürt den Puls der Mannschaft. Manchmal ist es viel wertvoller, wenn der Leiter Sport einem Spieler die Meinung sagt, als wenn dies der Trainer täte. Das macht einem Spieler mehr Eindruck. Manchmal muss vielleicht sogar auch der Präsident ein Machtwort sprechen und sich einen Spieler vornehmen.
Es gibt ein Klischee über Sie: Es heisst, Sie seien ein guter Motivator, Sie könnten eine Mannschaft mitreissen, aber diese Fähigkeit erschöpfe sich bald einmal.
Das ist eine Schublade, in der ich stecke. Damit kann ich mich überhaupt nicht identifizieren. Wir haben in dieser Saison so viele verschiedene taktische Systeme gespielt. Wenn Sie die Spieler fragen, würden sie vielleicht sagen: «Wir haben so viel taktisch gearbeitet, wir können es fast nicht mehr hören.» Wenn jemand das Gefühl hat, man könne mit ein bisschen Motivation, mit ein bisschen «Huhu, haha» auf diesem Niveau Erfolg haben, dann hat er keine Ahnung vom Trainerberuf.
Das Klischee scheint Sie zu ärgern.
Unterdessen nicht mehr. Es wird zwar immer wieder gesagt, ich sei ein guter Motivator, hätte aber von Taktik keine Ahnung. Aber das stimmt einfach nicht. Mit YB haben wir den FCB mit dem Trainer Paulo Sousa einmal in Bern taktisch total beherrscht und 4:2 aus dem Stadion gefegt. Oder wir haben mit GC im Cup-Final den FC Basel mit Murat Yakin an der Seitenlinie besiegt.
Warum sind Sie überhaupt in diese Schublade geraten? Vielleicht weil Sie immer so energiegeladen wirken?
Energie ist wichtig. Ich kann Spieler heiss machen, das stimmt. Aber sie wissen immer auch, wohin sie laufen und den Ball spielen müssen.
NIE USENANDGAH