Beitragvon fischbach » 17.12.16 @ 11:58
«Zürcher Oberländer»
Almen Abdi steckt in der Klemme
Almen Abdis Wechsel von Watford zu Sheffield Wednesday hat viele erstaunt. Noch überraschender: Beim Zweitligisten kommt der Dübendorfer kaum zum Einsatz. Seine Zukunft entscheidet sich bald.
Für Almen Abdi gebraucht Lucien Favre rückblickend den Superlativ. «Er war der beste Spieler.» Damals beim FC Zürich
als er gemäss Favre im 1:1-Fussballtennis «kaum zu schlagen war» und auf dem Platz als torgefährlicher Spielgestalter im offensiven Mittelfeld wirbelte. Seine beste Saison hatte Abdi allerdings unter Favres Nachfolger Bernard Challandes. 2009 führte der Dübendorfer die Zürcher als Meister-Regisseur zum bis dahin letzten Titelgewinn.
Eine zweite Heimat fand Abdi bis im letzten Sommer im FC Watford. In seinen vier Jahren beim Lieblingsverein von Elton John bestritt er 130 Spiele und hatte massgeblichen Anteil am Aufstieg der «Hornets» in die Premier League. Dort war er nicht mehr die prägende Figur früherer Saisons, aber er kam regelmässig zum Einsatz. In 25 von 38 Partien stand er in der Startelf von Watford – deutlich häufiger als Valon Behrami, Teamleader der Schweizer Nationalmannschaft.
Abdis Zeit beim Londoner Vorortsklub ging mit dem geschafften Klassenerhalt im Sommer zu Ende. Zur Enttäuschung vieler Fans, die grosse Stücke auf ihren «Professor» hielten. Einer schrieb: «Ich will nicht in einer Welt leben, in der Abdi kein Watford-Spieler ist.» Seinen Abschied vom Londoner Vorortsklub begründete Abdi damit, dass er bei Watford kaum Chancen habe, auf seiner Lieblingsposition im zentralen, offensiven Mittelfeld zu spielen.
«Ich sehe mich als Nummer 10 oder als Nummer 8», so Abdi. Trainer Quique Sanchez Flores hatte ihn in der Premier League mehrheitlich auf der rechten Seite eingesetzt, sogar als Aussenverteidiger. Und auch dessen Nachfolger Walter Mazzarri sah für Abdi keinen Platz in der Schaltzentrale vor. «Watford konnte mir nicht versprechen, dass ich auf der für mich richtigen Position spielen kann. Deshalb habe ich mich zu einem Wechsel entschieden», sagte Abdi im Sommer. Das Rennen um den schussstarken Mittelfeldspieler machte mit dem ambitionierten Zweitligisten Sheffield Wednesday der Klub, der offenbar gewillt war, am meisten zu zahlen: kolportierte vier Millionen Pfund und weitere zwei im Fall eines Aufstiegs. Umso erstaunlicher ist das, was nun in Sheffield passiert ist. Trainer Carlos Carvalhal, der den Schweizer unbedingt wollte und sagte, Abdi passe zu Sheffield wie ein Handschuh auf eine Hand, stellte ihn ebenfalls mehrheitlich auf der Seite auf. Zumindest zu Beginn. Denn mittlerweile stellt er ihn gar nicht mehr auf.
Sieben Mal bloss stand Abdi in der Startformation der «Owls». Einen nachhaltigen Eindruck hinterliess er nicht. Und so findet sich der 30-Jährige, der bei Sheffield Wednesday «ein neues Kapitel seiner Karriere schreiben wollte», plötzlich in einer Geschichte wieder, in der er eine ganz andere Rolle spielt als gedacht. Auf Geheiss von Carvalhal musste er Ende Oktober ein spezielles Fitnessprogramm absolvieren. «Almen machte die Vorbereitung nicht mit uns mit», begründete der portugiesische Trainer die Massnahme gegenüber der Zeitung «The Star». Eine Interview-Anfrage lehnte Abdis Agentur ab: «Almen will sich auf seine Arbeit auf dem Platz konzentrieren», lautete die Begründung.
Nur: Auf dem Platz stand Abdi in der Meisterschaft seither lediglich neun Minuten am 5. November. Die letzten fünf Spiele figurierte er nicht einmal auf dem Matchblatt. Zuletzt offenbar, weil er sich in einem Freundschaftsspiel eine Oberschenkelverletzung zugezogen hat. Und das ausgerechnet in einer Phase, in der Sheffield im Mittelfeld auf mehrere Stammspieler verzichten muss. Abdi sei aber bald zurück, versprach Carvalhal diese Woche.
Zumindest den «Owls» läuft es nach schwachem Saisonstart besser. Das Team, das den anvisierten Aufstieg letzte Saison erst im Playoff-Final verpasste, ist mittlerweile im siebten Rang klassiert. Mit einem Sieg am Samstag gegen den Tabellenletzten Rotherham könnten die Nordengländer wieder auf die Playoffränge (3 bis 6) vorstossen.
Bleibt die Frage: Was passiert mit Abdi? Erhält er noch einmal eine Chance oder geht der Dübendorfer als millionenschweres Missverständnis in die Klubgeschichte ein? «Die Situation ist natürlich alles andere als positiv. Alle Beteiligten haben sich das anders vorgestellt», sagt Abdis Berater Dino Lamberti, der sich nächste Woche mit den Verantwortlichen von Sheffield Wednesday trifft. Dann soll geklärt werden ob die «Eulen» weiterhin auf Abdi zählen wollen, wie Carvalhal stets betont, oder ob es im Januar zu einem Wechsel kommt. Sheffield müsste bei der Transfersumme mutmasslich viel Geld abschreiben, wäre dafür einen mit einem Dreijahresvertrag ausgestatteten Grossverdiener los.
Zieht Sheffield ein Leihgeschäft in Betracht, kämen wohl bloss Klubs ausserhalb der zweithöchsten englischen Spielklasse infrage – auch wenn dort das Interesse am grössten sein dürfte. Schliesslich wird Sheffield kaum einen direkten Konkurrenten zum kleinen Preis verstärken. Wie zum Beispiel den von Watfords Aufstiegstrainer Slavisa Jokanovic gecoachten FC Fulham, der im Sommer an Abdi interessiert war. Aber vielleicht nimmt die Geschichte noch eine unerwartet positive Wende und Carvalhals mittlerweile wie Hohn klingende Worte werden wahr: «Glauben Sie mir», sagte er nach Abdis Verpflichtung auf der Klub-Website. «Die Fans werden sehr sehr bald seinen Namen singen.»