Beitragvon Tschik Cajkovski » 15.09.16 @ 8:40
NZZ, 15.9.2016:
83 Tage danach
Die Canepas haben nicht ihren Stil, aber das Führungspersonal im FCZ gewechselt – ein Berater kommt, aber nicht für den Profisport
Nach dem Alltag in der Challenge League spielt der FC Zürich am Donnerstag im Europacup. Heliane und Ancillo Canepa erzählen, was sich seit dem Abstieg alles verändert hat.
FLURIN CLALÜNA, VILLARREAL
Vor dem Mannschaftshotel weht ein frühherbstlicher, kühler Wind durch die Altstadtgassen, doch Ancillo Canepa besteht darauf, sich draussen an einen Kaffeetisch zu setzen: Es ist das Bedürfnis, eine Tabakpfeife zu rauchen. Canepa hat seine lederne Reisetasche umgehängt, sein FC Zürich ist wieder einmal unterwegs, am Donnerstag spielt er im Europacup in Villarreal; es könnte alles sein wie früher, Canepa ist in den letzten zehn Jahren mit seinen Teams oft durch Europa getourt, aber jetzt gibt es so etwas wie diese Stunde null, dieses Schicksalsdatum des Abstiegs, der so vieles verändert hat: der 25. Mai. 83 Tage sind seither vergangen, und Canepa erzählt leidenschaftlich, wie andere grosse Klubs auch schon abgestiegen sind, Milan, Juventus oder Atletico Madrid. Und wie bekehrt und stark sie später zurückgekommen sind.
Kein Schicksalsschlag
Canepas Frau Heliane hat sich an den Tisch dazugesetzt, und wenn man den beiden nun so zuhört, dann hat man nicht den Eindruck, der FC Zürich sei seit dem Sturz aus der höchsten Liga ein anderer Klub geworden. Die Canepas haben diesen fast schon provozierenden Optimismus, so wie schon wenige Tage nach dem Abstieg, als sich Heliane Canepa darüber freute, dass sie nun überall in die Stadien der Challenge den Hund mitnehmen könne, und das gar nicht etwa ironisch meinte. Oder wenn sie sagt, schlimm sei es doch nur, wenn man früh sterbe. Mit einer solchen Sicht auf die Dinge relativiert sich natürlich alles. Ein Abstieg ist kein Schicksalsschlag, «wir leben ja noch», sagt sie, «das Leben geht weiter». Es ist schon gesagt worden, die Canepa seien etwas gar schnell in den Alltag zurückgekehrt, ohne echte Einkehr, sie litten nicht genug – aber das ist eine fast schon religiöse Betrachtung von Bussetun und Sühne. Man kann ihre Lebenseinstellung auch ganz anders sehen: Ihr Kampf- und Überlebenswille hat es nie zugelassen, dass sich Fragen zur Zukunft des FCZ gestellt hätten. Es gab kein Machtvakuum, kein Chaos. «Keine Sekunde» habe er darüber nachgedacht, den Verein abzugeben, «obwohl es Kaufangebote gab – so konkrete wie noch nie zuvor. Sie wären für uns auch finanziell interessant gewesen.»
Aber die Canepas sind noch da, sie glauben, der FCZ brauche sie, und vermutlich brauchen auch sie den FC Zürich. «Der FCZ ist immer noch unser Baby», sagt Ancillo Canepa, «und dieses Baby hat ja nichts angestellt.» Die Canepas sind weiterhin der Anker dieses Klubs, an ihnen lässt sich alles festmachen. Ihre Art, den Verein zu prägen, ist die gleiche geblieben – zum Beispiel diese manchmal ironisch gebrochene Verletztheit, wenn Heliane Canepa über den Abstieg sagt, ihr Mann habe halt zu wenig trainiert und zu wenig Tore geschossen. Oder wenn Ancillo Canepa durchaus nachtragend erwähnt, er habe archiviert, wer ihn in der schwierigen Zeit «in die Pfanne hauen» wollte, «diesen Leuten begegne ich zurückhaltend». Man ist für den FCZ oder gegen ihn, für die Canepas oder gegen sie.
Der FCZ bleibt mit diesem Besitzerehepaar ein emotionaler Klub, und die Canepas glauben auch nicht, dass sie ihren Führungsstil ändern müssten. «Wir waren vorher ein Team, und wir sind jetzt ein Team», sagt Ancillo Canepa, und Heliane meint: «Diesbezüglich hat sich nichts verändert.» Das ist ihre Wahrheit, die Canepas funktionieren so, wie sie funktionieren, aber deshalb zu glauben, es habe keine Bereinigung stattgefunden, wäre falsch. Alle Menschen, die die erste Mannschaft des FC Zürich prägen, sind andere geworden, alle kamen neu hinzu – der Trainer Uli Forte, der Assistent, der Konditionstrainer, der Physiotherapeut, der sportliche Leiter Thomas Bickel. Oft sagt man, ein Abstieg sei wie die innere Reinigung eines Vereins. Würde Ancillo auch so weit gehen? Er sagt: «Ob es gut war abzusteigen? Das will ich so nicht sagen. Das wäre zynisch. Aber es gibt einem die Chance für ein Change-Management.» Das ist das Schlüsselwort für die letzten Wochen: Die Canepas haben nicht den Stil verändert, aber die Leute um sich herum ausgewechselt.
Das neue Profil des Beraters
Eigentlich hatten sie auch einen externen Berater beiziehen wollen, um den Klub zu durchleuchten. An einer Pressekonferenz hatte Canepa gesagt, dass auch er und seine Arbeit hinterfragt werden sollten. Heliane Canepa sagt, das mache sie ja bereits jeden Tag. Und deshalb hat sich auch das Profil des Ratgebers verändert. Ancillo Canepa meint: «Wir suchen jemanden, der die Academy, den Nachwuchsbereich, durchleuchtet und uns allenfalls Verbesserungen vorschlagen kann.» Die Dringlichkeit für Verbesserungsvorschläge im Profisport sei nicht so gross, da sei man bereits gut aufgestellt.
Der Saisonstart ist dem FC Zürich gelungen, und jetzt steht Ancillo Canepa entspannt im Stadion von Villarreal auf dem Rasen, wie er es früher in den grossen europäischen Arenen immer so gern getan hatte. Provinzorte wie Baulmes oder Wohlen sind für eine Saison gut und recht, aber er möchte wieder zurück auf eine grössere Bühne: zuerst aufsteigen, «und dann wollen wir wieder so weit oben wie möglich stehen».
Etwas ist dem FCZ neben dem sportlichen Zwischenerfolg bereits gelungen: Die Entfremdung zwischen Verein und Anhängerschaft, die noch vor kurzem scheinbar unüberbrückbar gross gewesen war, ist kleiner geworden. Heliane Canepa hat auch eine Erklärung dafür: Weil Ancillo und sie weitergemacht haben, haben das auch andere getan. «Wir haben die Leute mitgezogen.»
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk