Beitragvon Tschik Cajkovski » 19.04.16 @ 10:06
aus der NZZ:
«Très foot»
Der Romand Kevin Bua ist im FC Zürich die Entdeckung der Saison - doch jetzt muss er Geduld lernen
Genf, Spanien, Genf, Zürich - das ist der Weg von Kevin Bua. Das Talent des 22-Jährigen spricht dafür, dass seine Reise hier nicht endet.
CHRISTINE STEFFEN, ZÜRICH
Als Kevin Bua 14 Jahre alt war, schickte ihn Servette fort. Er sei zu klein, hiess es. Bua ging zu Etoile Carouge, später zu Plan-les-Ouates, Lancy und Vernier, fünf Jahre tingelte er durch die Genfer Quartierklubs, dann wagte er gleich den grossen Sprung. Spanien, das Land seiner Grosseltern, hatte er nur von den Sommerferien gekannt, jetzt wollte er dort Fussball spielen. Er trainierte im Zamora CF, einem Klub der dritthöchsten Liga, nordwestlich von Madrid, in der Nähe der Verwandten. Aber es sei alles kompliziert in Spanien, sagt Bua. Man wisse nie, ob der Lohn bezahlt werde. Nach ein paar Wochen kam er zurück. Servette verpflichtete ihn für die U 21; er war gewachsen.
Vier Jahre später sitzt Kevin Bua in der Zürcher Saalsporthalle, er gilt im FC Zürich als Entdeckung der Saison, in den trüben Herbst- und Wintertagen war er oft so etwas wie die Lichtgestalt in einer Gruppe von Verzagten. Die Auszeichnung macht Bua stolz, aber auch ein bisschen verlegen. Sie tut ihm gut, weil der Anfang schwer war: Er stiess im Sommer zum FCZ, als die Vorbereitung bereits lief. Die Saison begann, der Trainer Urs Meier überging ihn. Nicht Meier war auf Bua aufmerksam geworden, sondern Ancillo Canepa, es war der Wunschtransfer des Präsidenten. Nun lebte Bua also in dieser fremden Stadt, Deutsch spricht er wenig, er wohnte zum ersten Mal allein, musste waschen, kochen, putzen lernen.
Der FCZ startete schwach und erholte sich nicht, das war am Ende sein Glück: Urs Meier musste gehen, Sami Hyypiä kam und setzte Bua sofort ein. Hyypiä sagt, er habe einen Spieler mit grossem Potenzial angetroffen. Vorher sei bemängelt worden, dass Bua defensiv nicht genug arbeite; er sehe das nicht so. Natürlich zieht es Bua vor allem nach vorne, er ist schnell, kräftig und wendig, und wenn er auf der Seite vorwärtsstürmt, ist es, als fahre ein Energiestoss durch das Stadion. Geht er in den Zweikampf, und das tut er oft, ist er bestimmt und zäh. Hyypiä möchte, dass Buas Spiel variantenreicher, dass er unberechenbarer wird. In den letzten sechs Partien wurde der 22-Jährige erst in der zweiten Hälfte eingewechselt, vier Mal hat er als Joker ein Tor erzielt. Bua sagt, er sei ein reservierter, zurückhaltender Mensch, aber eine Sphinx ist er nicht. Man sieht in seinem Gesicht, wie er sich fühlt auf der Bank: ziemlich unglücklich. «Es ist spürbar im Training, dass er nicht so viel Freude hat», sagt Hyypiä. Es ist wieder eine Lektion, die Bua lernen muss: unverzagt zu arbeiten, auch wenn der Ehrgeiz brennt und die Ungeduld nagt. Dass er schnell lernt, beweist die rasche Anpassung an den Rhythmus der Super League. Zuletzt spielte er mit Servette in der Challenge League, nicht jedem Spieler gelingt der Übergang, «die Intensität hier ist viel höher», sagt er.
Bua erkennt sich in Spielern wie Eden Hazard, Neymar oder Angel di Maria, sie inspirieren ihn. Als Bub heftete er Poster von Ronaldo und Raul an die Zimmerwände, sein Klub ist Real Madrid. Der Wunsch, Fussballer zu werden, begleitete ihn durch die Kindheit; und wenn andere Eltern zweifeln, ob dieser Beruf wirklich gut ist für ihren Sohn, sagten seine: «vas-y», und fuhren ihn zum nächsten Training. Er machte dann doch die Handelsmatur, weil er fand, es sei besser, einen Abschluss zu haben. Die selbstverständliche Unterstützung für den Buben gründet in der Biografie des Vaters. Bis in die Reservemannschaft von Celta Vigo hatte er es geschafft, als seine Eltern die Koffer packten und in die Schweiz auswanderten. Heute ist Angel Bua Buschauffeur in Genf und Trainer in der Freizeit, die Mutter arbeitet als Vermögensverwalterin. Die ganze Familie sei «très foot», sagt Bua. Seine zweite Liebe neben Real ist Servette, als er sich das Leibchen der Grenats überziehen durfte, war das die Erfüllung eines Traums.
Aber Träume gehören Kindern. Heute hat Bua Ziele. Einmal Champions League spielen natürlich und die Nationalmannschaft. Drei Mal wurde er in die U 20 aufgeboten, «das war eine gute Erfahrung, sie macht mich stolz», sagt Bua. Die Freude ist jetzt in seinem Gesicht abzulesen. Es ist wie mit der Enttäuschung. Man sieht sie leicht.
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk