Beitragvon fischbach » 16.04.16 @ 10:04
Wenn ihr euch beim Lesen mal wieder so richtig aufregen wollt...
Unten der heutige, vor Häme, Spott und Klischees triefende – und mit ein paar inhaltlichen Fehlern angereicherte - Wochenkommentar von Marcel Rohr, Sportchef der «Basler Zeitung».
Die Sportstadt Zürich liegt in Trümmern
Um 3.25 Uhr fuhr der Teambus des SC Bern am Mittwochmorgen in der heimischen PostFinance-Arena vor und spuckte die Meisterhelden aus. 5000 Fans hatten in der Halle ausgeharrt, um ihren Idolen zuzujubeln. Dann feierten sie, bis draussen die Vögel zwitscherten.
Auf der Eishockey-Landkarte ist Bern eine feste Grösse, der «Ässcebe» hat am Dienstag in Lugano zum 14. Mal den Meistertitel erobert. Was die Fussballer seit dreissig Jahren nicht fertigbringen, scheint den eleganten Kufen-Tieren mit ihren riesigen Playoff-Bärten mühelos zu gelingen.
Immerhin dürfen sich die notorisch erfolglosen Fussballer zweitstärkste Kraft im Land schimpfen, gleich hinter dem FC Basel. Im St.-Jakob-Park stellen sie schon den Champagner kalt. Im besten Fall knallen am Mittwochabend die Korken, bei zwei weiteren FCB-Siegen und zwei Patzern der Young Boys holen die Basler erneut die Meisterkrone – zum siebten Mal hintereinander seit 2010.
In der Politik hat das rot-grün gefärbte Basel nicht viel zu sagen, in Bundesbern wirken die Volksvertreter fast wie Zwerge. Aber im Fussball ist Rotblau ein landesweit gefürchtetes Monster, das seit Jahren jedem den Kopf abbeisst. Vor allem in Zürich sollten alle einen roten Kopf bekommen, wenn in den nächsten Tagen die nächste spontane Meisterparty auf dem Barfüsserplatz zelebriert wird.
Die Sportstadt Zürich liegt in Trümmern, sie ist die Sahelzone der Eidgenossenschaft, in der kaum etwas gedeiht. Allein die sieben FCB-Titel sind eine Demütigung für alle Zürcher, die mit dem Profisport zu tun haben.
Dass die Eishockeyaner der ZSC Lions 2014 letztmals den Meistertitel ins Hallenstadion holten, ändert nichts an diesem Eindruck, im Gegenteil. Die Kloten Flyers, der zweitgrösste Club im Grossraum Zürich, sind wieder einmal dem Bankrott nahe und stehen zum Verkauf. Wer dort ein paar Millionen Franken verlochen will, bitte schön – Geld verdienen kann man dort vielleicht mit Flughafentouren für Touristen, nicht aber mit Eishockey. Auch die beiden Fussballclubs, der Grasshopper Club und der FC Zürich, müssen in ihren Buchhaltungen permanent Löcher stopfen. 2009 war der FCZ letztmals Meister, mit dem grossen Trainer Lucien Favre. Seither haben die Stadtzürcher mit ihrem rührigen Präsidenten Ancillo Canepa fast alles falsch gemacht, was falsch gemacht werden kann. Mal passte es mit dem Trainer nicht, die meisten ausländischen Spieler waren ein Missverständnis, etliche Talente flüchteten verstört zu anderen Vereinen, weil sie bei ihrem Club des Herzens keine faire Chance bekamen.Selbst wenn der FCZ Ende Mai noch Cupsieger wird, spielt er auch 2015/2016 eine Saison zum Vergessen.
Beim Grasshopper Club sieht es sportlich etwas besser aus, allerdings sind die Rahmenbedingungen gleich mies wie beim FCZ. Der Campus in Niederhasli ist im Unterhalt viel zu teuer und der Letzigrund als Heimstadion untauglich. Die Stadionpolitik in Zürich ist für die grösste Stadt im reichsten Land der Welt eine Schande.
2007 fand das letzte Fussballspiel im alten Hardturm statt. Seither zelten dort in den Trümmern die Fahrenden. Eine moderne Arena steht immer noch nicht. Derzeit beteiligen sich fünf Parteien an einem städtischen Investoren-Wettbewerb, der im Juni 2016 in seine entscheidende Phase tritt. Bis das Projekt politisch durchgewunken ist, werden nochmals mindestens sieben Jahre vergehen. Bis dahin könnte der FC Basel also 14 Meistertitel hintereinander gefeiert haben.
Natürlich hat der FCB mit seinem St.-Jakob-Park einen Vorteil. Natürlich ist die Konkurrenz im provinziellen Basel kleiner als in der Weltstadt an der Limmat. Doch das ist nicht matchentscheidend. In Fussball-Basel und in Eishockey-Bern fällen kluge Köpfe Entscheide, die sehr oft knallhart und fast immer richtig sind; beim SCB muss der Trainer und Königsmacher Lars Leuenberger gehen, was an die Episode mit Murat Yakin erinnert.
Der FCB ist eine Star-Fabrik, die nicht nur talentierte Kicker ins Ausland verkauft, sondern auch Persönlichkeiten im Inland formt. Das haben sie sogar im TV-Studio Leutschenbach registriert, wo sich der Neid Richtung Basel besonders stark durch die Redaktionen frisst. Die aufregenden Champions-League-Abende im TV-Studio kommentieren mit Marco Streller und Benjamin Huggel gleich zwei FCB-Legenden, die viele Jahre lang die Gemüter im Land bewegten.
Welche Schweizer Nationalspieler hat GC in den letzten Jahren rausgebracht? Derzeit hat er gerade mal einen: Shani Tarashaj. Der letzte grosse Nationalspieler beim FC Zürich mit rotem Pass hiess Köbi Kuhn, der ist heute 72 Jahre alt. Und die Zürcher Trainer Christian Gross und Urs Fischer kamen nach Basel, um hier die wirklich grossen Triumphe zu feiern. So ist das halt, wenn eine Sportstadt am Boden liegt und keine Helden, sondern Nieten produziert. Wer einen Titel feiern will, muss zum Volleyball, wo die Damen von Volero alle in Grund und Boden spielen. Ein schwacher Trost.