Beitragvon Tschik Cajkovski » 18.10.14 @ 9:37
Aus der NZZ von heute:
Der Stift ist erwachsen
Marco Schönbächler galt im FC Zürich als ewiges Talent. Jetzt hat er gelernt, zu kämpfen statt zu hadern
Kein Spieler ist länger im FCZ als Marco Schönbächler. Er galt über Jahre als Schnösel ohne Durchsetzungsvermögen. In dieser Saison findet der 24-Jährige erstmals zu Kontinuität.
Christine Steffen, Zürich
Es gab eine Zeit, da war Marco Schönbächler eine Reizfigur. Wenn er wieder einmal besonders cool dribbeln wollte, statt den Pass zu schlagen. Wenn er zweimal den Ball verlor und darauf in unbeteiligtes Traben verfiel. Dann hörte man Leute sagen, er solle doch in die Challenge League gehen oder zum FC Aarau. Nicht weil Schönbächler die Qualität für die Spitze fehlt, im Gegenteil: Er ist mit so viel Talent ausgestattet, dass man dachte, nur wer faul oder überheblich sei, könne so schlecht spielen. Mit knapp 17 war der Urdorfer in die erste Mannschaft gekommen und mit Lucien Favre Meister geworden. Aber es brauchte sieben Jahre, bis der Kopf so weit war, dass Schönbächler das Beste aus seinen Anlagen herausholen konnte. Pierluigi Tami, der Schönbächler aus der U-21-Nationalmannschaft kennt, sagt: «Es ist ein neuer Schönbi, den ich in dieser Saison sehe.»
Im Liegestuhl
Ein Problem des 24-Jährigen war, dass er irgendwann zum Inventar gehörte. Die Trainer wechselten, die Kollegen gingen, nur Schönbächler war immer da. Er war als Lehrling in die Mannschaft gekommen, und Stift blieb er. «Ich kannte alles so gut, hatte das Gefühl, ich müsse mich nicht mehr beweisen, und wurde bequem», sagt Schönbächler. Der Trainer Urs Meier, der den Spieler schon in den Juniorenteams betreute, sagt: «In dem Moment, als er einen Profivertrag unterschrieb, war er mit sich und der Welt so zufrieden, dass er sich in den Liegestuhl setzte.» Der Tiefpunkt kam mit Rolf Fringer. Dieser schickte ihn für zwei Wochen in die U 21. Dort sollte er überlegen, «wie schön er es hat», wie Fringer heute sagt. Reden habe nichts mehr gebracht, mit der erzieherischen Massnahme habe er den Spieler Demut lehren wollen. Meier sagt, Schönbächler habe danach etwas ändern wollen, «aber plötzlich findest du den Schalter nicht mehr».
Man könnte nun denken, Schönbächler sei ein Schnösel, eingebildet, oberflächlich, allein auf Äusserlichkeiten bedacht. Aber wenn er distanziert wirkt, ist es eher Schüchternheit als Herablassung. Es sei ihm nicht gegeben, mit jedem gleich so zu reden, als seien sie die besten Kollegen. Und selbstverständlich wolle er gut aussehen: «Wir kommen ja ab und zu im Fernsehen.»
Er entspricht dem Prototyp des Fussballers, natürlich spielt er auf der Playstation, bis er Kopfweh hat. Aber er malt auch; abstrakte Bilder, viele Farben, sie hängen bei ihm und in der Wohnung der Eltern im Block gleich nebenan in Urdorf, wo der Vater Abwart ist. Mit seiner Freundin ist er seit sechs Jahren zusammen, und am liebsten trifft er sich mit Kollegen aus der Schule. Schönbächler ist kein grossspuriger Stadtjunge, er ist ein Bub aus dem Dorf, dem es gut geht, wenn ihn Vertrautes umgibt.
Vielleicht liegt darin auch ein Problem: Er richtet sich gern im Vertrauten ein, und wenn in der Vergangenheit Widerstände kamen, wich er zurück, statt hinzustehen und einen Konflikt auszuhalten. Wenn er nicht im Kader war, dachte er, er habe «eh keine Chance». Statt zu kämpfen, zweifelte er. Und wenn ihm Meier sagte, er müsse mehr machen als diejenigen, die neu kämen, hat er es verstanden. Aber umsetzen konnte er es nicht.
Voller Rucksack
Pierluigi Tami sagt, es gebe Spieler, die seien ungemein begabt, aber mental reiche es nicht. Schönbächler habe lange gebraucht, aber jetzt habe er einen grossen Sprung gemacht. Schönbächler selber findet, er habe langsam begriffen, worum es gehe: nicht hadern, sondern am Widerstand wachsen. Als er früher Angebote von ausländischen Klubs hatte, wollte er nicht fort, obwohl ihm der Berater zum Wechsel riet. Jetzt fühlt er sich bereit. Sein Trainer sagt: «Wenn er geht, wird sein Rucksack so gefüllt sein, dass er bestehen kann.»
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk
