Beitragvon Tschik Cajkovski » 28.09.14 @ 10:03
Interview mit Lucien; aus der heutigen NZZaS:
"Ohne den FCZ wäre ich nicht in der Bundesliga"
Lucien Favre kehrt als Trainer von Mönchengladbach für ein Spiel nach Zürich zurück. Er hat noch viele Verehrer hier - und einen Intimfeind
NZZ am Sonntag: Lucien Favre, am Donnerstag spielen Sie mit Mönchengladbach in der Europa League gegen Ihren früheren Verein FC Zürich. Wann waren Sie das letzte Mal im Letzigrundstadion?
Lucien Favre: Das war 2008 während der EM, ein Jahr nach meinem Abschied vom FCZ. Es war eine phantastische, aufregende Zeit, die ich in Zürich erleben durfte. Einmal Cup-Sieger und zweimal Meister zu werden, war eine gute Sache für mich, das hat mir in Deutschland geholfen. Ohne den FCZ wäre ich nicht in der Bundesliga. Und nicht der Trainer, der ich heute bin.
Sie haben in Zürich weiterhin einen sehr guten Namen, viele Fans schätzen Sie auch nach sieben Jahren noch.
Der Respekt ist gegenseitig. Die FCZ-Fans haben mich und meine Art, Fussball zu spielen, schnell verstanden. Sie haben mir vertraut. Dafür bin ich dankbar. Am Anfang habe ich mich oft gefragt, wie sie auf mich als Romand reagieren würden, ich hatte ja nie zuvor in der Deutschschweiz gearbeitet. In meiner Karriere spielte ich nur in der Westschweiz und in Frankreich, und es fiel mir schwer, Schweizerdeutsch zu verstehen.
Der FCZ wurde mit Ihnen nach 25 Jahren erstmals wieder Meister. Warum?
Das Team, das ich 2003 vorfand, war nicht gut genug. Wir mussten rasch eine ganz neue Mannschaft bauen. Als ich kam, habe ich sofort Dzemaili, Stahel, Stanic und Abdi aus der U-18 ins Kader aufgenommen. Und wir haben den Goalie Leoni verpflichtet. Das war die Basis. Dann konnten wir uns weiter verstärken, mit von Bergen, Raffael, Alphonse, Filipescu, Tihinen und natürlich mit Inler.
Das klingt jetzt ganz einfach.
Oh, nein, überhaupt nicht. Wären der Präsident Sven Hotz sowie mein Freund und FCZ-Verwaltungsrat René Strittmatter nicht gewesen, hätte ich mich in Zürich nicht lange halten können. Aber das wäre ein grosser Fehler gewesen.
Für den FC Zürich?
Ja, natürlich. Es wäre schade gewesen, hätten wir diese wunderbare Arbeit nicht leisten können.
Sie schwärmen noch immer.
Die Flachpassbar im alten Letzigrund kann ich nicht vergessen. Und wie die Südkurve gerufen hat: FCZ, FCZ! (singt) Ich glaube, die Fans haben es auch verstanden, dass ich 2007 nach Berlin ging. Sie wussten genauso wie ich: Der Zug kommt nur einmal.
Liegt es allein an den Erfolgen, dass man sich in Zürich gerne an Sie erinnert?
Wie die Mannschaft gespielt hat, war schön anzuschauen. Die Leute wissen das noch. Mit einem Altersdurchschnitt von 21 sind wir Meister geworden. Gegen einen grossen FC Basel, der viermal mehr Geld hatte als wir. Unser Budget betrug nur 8,9 Millionen Franken.
Man hat nach Ihrem Abgang noch lange vom spielerischen Erbe von Favre gesprochen.
Ohne überheblich sein zu wollen: Das überrascht mich nicht. Es macht mich stolz.
Haben Sie noch Kontakt mit Spielern aus dieser Zeit?
Oh, ja, mit sieben, acht. Mit von Bergen telefoniere ich regelmässig, auch mit Tihinen habe ich Kontakt, er ist im finnischen Fussballverband. Von Filipescu weiss ich, dass er in Nordspanien Junioren trainiert. Und auch mit dem Präsidenten Sven Hotz telefoniere ich ein, zwei Mal pro Jahr. Ich habe zu allen früheren Präsidenten einen guten Kontakt.
Zu allen ausser zu einem: Sie haben sich im Streit vom FCZ-Präsidenten Ancillo Canepa getrennt. Am Donnerstag werden Sie sich sehen. Wie wird die Begegnung sein?
Kein Problem, ich werde ihn grüssen.
Sehen Sie sich zum ersten Mal seit dem Abschied 2007 wieder?
Ja. Mehr möchte ich dazu nicht mehr sagen. Es ist eine alte Geschichte, sie interessiert mich nicht mehr.
Kennen Sie den FCZ-Trainer Urs Meier?
Ja, ja, er war schon zu meiner Zeit im Klub und ist Cup-Sieger geworden mit dem FCZ. Das heisst etwas. Sehr zufrieden bin ich auch, dass der frühere FCZ-Trainer Urs Fischer jetzt in Thun bestätigt, dass er ein guter Coach ist. Das freut mich für ihn.
Verfolgen Sie den FCZ noch?
Ich habe schon lange kein Spiel mehr gesehen. Aber vor der Europa-League-Partie kümmere ich mich natürlich um den FCZ. Wir schicken keinen Scout, aber ich werde mir zwei, drei Spiele im Internet ansehen. Ich weiss, dass die Mannschaft 3:5:2 oder 3:6:1 spielt. Schönbächler kenne ich noch von früher, er ist ein hervorragender Spieler.
Chermiti kennen Sie auch.
Mit Chermiti habe ich in Berlin zusammengearbeitet. Und bei der Verpflichtung von Yassine Chikhaoui war ich auch beteiligt. Der Tipp kam von Michel Decastel, einem Freund, der damals Trainer in Tunesien war.
Mönchengladbach hat mit Granit Xhaka und Yann Sommer zwei Schweizer unter Vertrag. Ist es für Sie als Schweizer Trainer schwieriger, Landsleute zu verpflichten?
Wenn es nicht funktioniert, wird man sagen: «Das sind Spieler von Favre.» Aber das stimmt nicht, weil es Spieler sind, die der Trainer, der Sportchef und der Verein wollten, genau wie bei Raffael. Ihn kenne ich auch schon aus Zürich und Berlin.
Sie sind in der fünften Saison in Mönchengladbach. Sind Sie ein kompletter Trainer?
Ich mache immer noch Fortschritte, das ist meine beste Qualität. Es ist unglaublich, aber auch mit 57 habe ich noch Potenzial. Ich habe mich in Bereichen entwickelt, in denen ich dachte, sie seien gar nicht meine Stärke.
Zum Beispiel?
Ach, ich mag gar nicht darüber reden.
Dann sagen wir es: Sie sind im Vergleich zu früher offener geworden.
Ich habe mehr Vertrauen in mich und meine Kommunikation. Es fällt mir leichter, mit Spielern zu reden. Ich habe mir früher weniger Gedanken darüber gemacht. Aber heute weiss ich, wie wichtig es ist.
Man sagte oft, Sie brauchten Zeit, um Erfolg zu haben. In Mönchengladbach war das anders.
Wir haben sofort Erfolg gehabt. Das ist Fakt. Schon nach einem Monat war es schwierig, gegen uns zu spielen. Ich sage das nicht gern über mich: Aber wer meinen Palmarès analysiert, stellt fest, dass ich überall etwas erreicht habe. Die Leute sind nicht dumm, sie sehen das.
Der FCZ ist in den letzten Duellen gegen Bundesligaklubs immer unterlegen, gegen Bayern, Leverkusen oder den HSV. Mönchengladbach müsste sich am Donnerstag klar durchsetzen.
Der Unterschied zwischen den erstplacierten Teams in der Schweiz und der Bundesliga ist nicht gross. Wenn ich den FCZ von 2006 und 2007 anschaue, dann hätten wir in der Bundesliga eine gute Rolle spielen können.
Interview: Flurin Clalüna
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk