Nun also doch: Der Zürcher Stadtrat will das neue Fussballstadion auf dem Hardturm-Areal realisieren. Das Projekt soll aber billiger werden, weil auf dem Areal West Wohnungen zu Marktpreisen vorgesehen sind.
Für die Zürcher Fussballklubs Grasshoppers und FC Zürich war der 22. September 2013 ein Schock. Das neue Fussballstadion auf dem Hardturm-Areal, von dem sie sich dringend nötige neue Impulse erhoffen, lehnten die Zürcher mit 50,8 Prozent ab: Die Kosten von 216 Millionen Franken waren den Stimmbürgern offensichtlich zu viel. Der zuständige Stadtrat André Odermatt erklärte noch am Tag der Abstimmungsniederlage, dass der Hardturm als Stadion-Standort für die Stadt nun nicht mehr infrage komme. Allgemein signalisierte der Stadtrat klar, dass er keine Lust mehr hat, in einem neuen Stadionprojekt eine tragende Rolle zu spielen.
Nun ist es fast wie im Sport: Neues Spiel, neues Glück. Kurz vor den Sommerferien hat der neu zusammengesetzte Stadtrat einen Richtungsentscheid gefällt – und den Finanzvorsteher Daniel Leupi beauftragt, die vom Stadtrat favorisierte Lösung in dem seit Jahren ungelösten Dossier zu konkretisieren.
Die Eckpfeiler sind: Das im September 2013 abgelehnte Projekt soll weitgehend eine Neuauflage erleben, aber mit zusätzlichen Wohnungen ergänzt werden – mit Blick auf bessere Rendite und eine geringere Belastung der Steuerzahler. Diese Priorisierung des Stadtrats bestätigen mehrere Involvierte und Mitglieder des Stadtrats gegenüber der NZZ. Das zuständige Finanzdepartement gibt sich derweil bedeckt und bestätigt auf Anfrage nur, dass die beschriebene Planung «eine Variante ist, die diskutiert wurde». Offiziell informiert werden soll im September. Die Kommunikation ist Sache der Stadt. Den Interessenten, die bis Ende April Vorschläge für ein neues Stadion-Projekt machen durften, hat die Stadt gegenüber Medienschaffenden einen Maulkorb verpasst.
«Areal West» als Schlüssel zum Stadion?
Das dreieckige Stück Land, auf dem heute ein Parkhaus steht, könnte der Schlüssel zur Nutzung des gesamten Stadion-Areals werden. Die Landfläche gehörte schon immer der Stadt Zürich – im Gegensatz zum Baugrund, auf dem das Stadion selber hätte entstehen sollen. Beim 2009 beerdigten Pentagon-Projekt hätte die Stadt das Dreieck und die Fläche des Sportwegs in die neue Stadion Zürich AG eingebracht. In der Volksabstimmung war diesem Vorgehen bereits zugestimmt worden. Die städtische Fläche beträgt gesamthaft gut 16 000 Quadratmeter, jene der Crédit Suisse 40 000. Auf dem Areal des Parkhauses war ein rund 60 Meter hoher Büroturm geplant, der als Teil der sogenannten Mantelnutzungen zum Stadion gedacht war.
Nach dem Scheitern des Grossprojekts fassten Stadt und CS 2009 zunächst einen Land- und Nutzungstausch ins Auge: Die CS hätte ihr Areal für das Stadion zur Verfügung gestellt, auf dem Dreieck hätten Investoren lukrative Büro- und Wohnbauten erstellen können. Diese Variante wurde zwei Jahre später verworfen. Die Separierung der Grundstücke sei nicht praktikabel: «Insbesondere wären weder ein Fussballstadion der Stadt noch Dienstleistungs- und Wohnbauten der Credit Suisse in einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis realisierbar», hiess es. Nur ein einheitliches Areal schaffe die Voraussetzung für eine gute Planung. Um dies zu ermöglichen, erklärte sich die CS bereit, ihr Land der Stadt Zürich für 50 Millionen Franken zu verkaufen – mit der Auflage allerdings, dass darauf ein Sportstadion erstellt werden muss.
Das «Areal West», wie das Dreieck nun hiess, hatte beim neusten Projekt, das 2013 an der Urne scheiterte, keine grosse Bedeutung mehr. Es sollte lediglich Funktionen während Grossveranstaltungen übernehmen. Daneben musste nur noch Platz geschaffen werden für ein Dienstgleis der VBZ. In der Abstimmungsweisung wurde jedoch eine spätere Nutzung nicht ausgeschlossen. Eines war aber schon beim Start des Wettbewerbs 2011 klar: Nach den Erfahrungen mit dem Pentagon-Grossprojekt sollte es auf dem Areal keine Hochhäuser mehr geben. Es habe sich gezeigt, «dass der Hochhaustypus an diesem Ort städtebaulich Konflikte erzeugt», hiess es in den Ausschreibungsunterlagen.
Bekannt ist, dass mindestens fünf Vorschläge eingingen: unter anderem vom Badener Architekturbüro Burkard Meyer und von der Halter AG; Interesse angemeldet haben soll aber auch die HRS Real Estate AG, die mit Burkard Meyer in Aarau das Torfeld Süd projektiert, ein Fussballstadion für 10 000 Zuschauer mit Mantelnutzung.
Stadion nicht auslagern
Klar scheint nach dem Entscheid des Zürcher Stadtrats von diesem Sommer: Das Projekt der Halter AG, in dem auch die beiden Klubs GC und FCZ mitwirkten, hat schlechte Karten. Der Vorschlag zielte darauf ab, auf dem Hardturm-Areal deutlich mehr Wohnungen als im abgelehnten Projekt zu realisieren, um damit ein Stadion an einem anderen Ort zu finanzieren, etwa in Altstetten oder Stettbach. Aus dem Stadtrat ist zu erfahren, dass dieses Projekt als unrealistisch taxiert wird; zudem ist die mediale Offensive der Promotoren alles andere als gut angekommen.
Die Richtung, die der Zürcher Finanzvorsteher Leupi gemäss Beschluss seiner Stadtratskollegen nun ausloten muss, enthält folgende Koordinaten: Die Siedlung mit gemeinnützigem Wohnungsbau soll wie im letzten Projekt östlich des Stadions realisiert werden. Als Vorlage für das neue Stadion dient auch wie in der letzten Vorlage der Entwurf des Architekturbüros Burkard Meyer. Gebaut werden soll das knapp 20 000 Zuschauer fassende Stadion auf dem Hardturmareal. Das Projekt soll dank einer neuen Finanzierung aber wesentlich billiger werden. Kernstück dieser Überlegung ist das Areal West, das westlich des Stadions Richtung Limmattal gelegen ist (siehe Zusatz). Im Projekt, über das letzten Herbst abgestimmt wurde, war dieses Areal als Erholungsraum für das Quartier vorgesehen – und sollte «vorerst frei von grösseren Bauten bleiben», wie es in den Abstimmungsunterlagen hiess. Nun muss Leupi prüfen, wie durch eine marktübliche Überbauung des Areals West die Kosten für die öffentliche Hand reduziert werden könnten.
Durchaus mehrheitsfähig
Die vom Stadtrat vorgegebene Stossrichtung erscheint als zielführend, auch wenn noch nicht alle Details bekannt sind. Das im Herbst abgelehnte Projekt scheiterte nicht am Entwurf des Stadions, sondern an den horrenden Gesamtkosten. Können diese markant reduziert werden, dürfte ein neues Vorhaben durchaus mehrheitsfähig sein. Das Projekt der Credit Suisse wiederum, das die Bank 2009 wegen langwieriger Rechtsstreitigkeiten fallenliess, sorgte wegen der ausgeprägten Mantelnutzung, des Schattenwurfs des Stadions und der geplanten Hochhäuser für Kritik. Eine geschickte Nutzung des Areals West könnte auf mehr Akzeptanz stossen.