Simon Le Bon hat geschrieben:Der Tages-Anzeiger kommentiert die Causa Bernet heute wie folgt:
Aussenbahn
Der Scolari von Zürich
Der 8. Juli hat den brasilianischen Fussball erschüttert wie lange nichts mehr. Er brachte das 1:7 gegen Deutschland, die tränenreiche Demontage des eigenen Selbstbildes. Natürlich stellte dies das Ende der Ära von Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari dar.
Szenenwechsel. Auch im Mikrokosmos FC Zürich ereignete sich an jenem Dienstag vor drei Wochen Einschneidendes. Präsident Ancillo Canepa schenkte seinem Club ein neues Diagramm und noch mehr Canepa. Ganz viel Canepa. Präsident des Verwaltungsrats: Ancillo Canepa. Delegierte des Verwaltungsrats: Heliane Canepa. Vorsitz der Sportkommission: Ancillo Canepa. Vorsitz der Marketingkommission: Heliane Canepa. Gesamtleitung: Ancillo Canepa und Heliane Canepa (und Geschäftsführer Thomas Schönberger). «Der FC Canepa», titelte der TA. Man fragte sich: Gibt Canepa bald auch den Trainer? Warum auch nicht – wer zahlt, befiehlt.
Solche «organisatorischen Anpassungen», wie der FCZ selbst sie nannte, erfordern natürlich auch Opfer. Und was Scolari in Brasilien, war Marco Bernet beim FC Zürich. Der Technische Direktor wurde degradiert. Bernet werde sich künftig um die Entwicklung und das Talentmanagement kümmern, schrieb Teilzeit-Mediensprecher Canepa. Der frühere Leiter der Kinderabteilung Letzikids war also fast wieder da, woher er gekommen war, ehe er in den vergangenen anderthalb Jahren die sportlichen Belange des FCZ mit ruhiger Hand geführt und die Mannschaft zusammen mit Trainer Urs Meier und Assistent Marco Rizzo stabilisiert hatte.
Seit gestern weiss man, was Bernet davon hält: nichts. Er wird den Verein Ende August verlassen. Es sei Zeit, sich neu auszurichten, liess er verlauten. Und der FCZ schrieb, man bedaure dies. Das Talentmanagement übernehmen nun – nein, nicht die Canepas. Sondern Albert Hohl und der frühere Nationalspieler Thomas Bickel. (wie)
Wer nimmt den Tagi noch ernst - zwei bis drei gute Schreiber, die lesbar sind. Die Masse der gehorsamen Konzern-Journalisten geht unbeholfen auf Klickjagd oder bloggt vermeintlich bedeutungsvollen Mama-Outdoor-Nevermindthemarket-Thesen-Scheiss vor sich hin.
Zur Sache: Klar ist es bedenktlich, wenn Canepa seine Machtstruktur so einseitig ausbaut.Bis vor Beginn der letzten Saison hätte ich Canepa auch noch mit aus der Stadt gejagt, als Anlass dafür wäre mir so ziemlich alles recht gewesen. Dann aber geschah Unerwartetes: Ancillo hörte auf, über die Konsequenzen seiner eigenen Fehlleistungen zu klagen und übernahm endlich die Verantwortung, die er bei seinem Antritt versprochen hatte und die er dem FCZ auch schuldet. Das Budget wurde zurückgefahren, auch als es auf dem Platz schlecht lief, verlor man die Linie nicht. So etwas ist nachhaltig und der einzig gangbare Weg für unseren Verein.
Sobald das FCZ-Schiff stabil im Wind liegt, muss Canepa seine Segel aber wieder raffen und Macht abgeben. Schliesslich versprach er auch, den FCZ breiter abzustützen, also die Abhängigkeit von Einzelpersonen zu mindern. Zurzeit läuft es ja gerade in die andere Richtung. Aber: In dieser Phase der Katharsis ist die Machtkonzentration dieser Ausprägung möglicherweise - ich bin nicht so nah am internen Geschehen, als ob ich das abschliessend beurteilen könnte - notwendig.
Angesichts des erwähnten Kurswechsels lässt mich auch die Personalie Bernet kälter als vielleicht angemessen wäre. Ja, die FCZ Nachwuchsarbeit zeitigt grosartige Resultate, zumindest bei den älteren Junioren-Kategorien. Ob Bernet aber tatsächlich der Mann ist, dem die Lorbeeren dafür gebühren, kann ich nicht beurteilen. Grundsätzlich bin ich aber wie schon erwähnt der Ansicht, dass sich der FCZ nicht von einzelnen Personalien abhängig machen sollte. Weder von Spielern noch von selbst ernannten Heilsbringern. Ich bin da zurzeit sehr pragmatisch: Jeder in diesem Verein ist ersetzbar, das Geld von Canepa ist es (leider noch) nicht.