Beitragvon Tschik Cajkovski » 18.07.14 @ 8:04
aus der heutigen NZZ, von Flruin Clalüna:
Der flüsternde Captain
Yassine Chikhaoui übernimmt im FC Zürich mehr Verantwortung - er erhofft sich dadurch mehr Anerkennung
Die Mannschaft des FCZ hat sich den Tunesier als neuen Captain gewünscht. Die Saison beginnt am Sonntag mit dem Derby gegen die Grasshoppers.
Flurin Clalüna, Zürich
Es ist, als ginge die Sonne auf: Yassine Chikhaouis Augen leuchten, diese Augen, die früher so oft erloschen waren. Aber jetzt lächelt er, und das Lächeln springt von Gesicht zu Gesicht, so dass am Ende alle strahlen, der Präsident Ancillo Canepa, der Trainer Urs Meier und der Teammanager Massimo Rizzo. Sie haben Chikhaoui Anfang Juli zum neuen Captain bestimmt. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt», sagt Meier, «wir sehen in die Seelen und Köpfe der Spieler, und nun passt es mit Chikhaoui.»
«Viel Arbeit»
Es ist das erste Mal überhaupt, dass Chikhaoui an einer Pressekonferenz anwesend ist. Sieben Jahre spielt er schon für den FCZ, aber er hat die Aufmerksamkeit um seine Person nie gemocht, er galt als argwöhnisch, schweigsam und einzelgängerisch. In sieben Jahren hat er wegen Verletzungen 165 von möglichen 250 Pflichtspielen verpasst.
Und dieser 27-jährige Tunesier soll nun also den FCZ als Captain repräsentieren. «Eine Ehre und viel Arbeit» sei das für ihn, sagt er, und bevor er spricht, bittet er darum, ihn nicht auszulachen, «denn ich versuche, Deutsch zu reden». Wer ihm nicht sehr nahestand, wusste nicht, dass Chikhaoui überhaupt recht gut Deutsch spricht. Man hatte es geahnt, weil er schon so lange hier ist, aber gehört hatten es nur ganz wenige. Es ist mehr ein Flüstern, aber weil er so leise redet, bekommt er auch mehr Aufmerksamkeit, weil man gut zuhören muss, um ihn zu verstehen. Kann er auch laut werden, böse vielleicht sogar? «Wenn es sein muss, schon», sagt er. Und künftig werde er auch nach jedem Spiel reden, früher hatte er sich immer geweigert. Er macht eine Handbewegung, als stemme er einen Pokal in die Höhe, als er nach seinen Zielen gefragt wird, und sagt: «Vielleicht sogar Champions League?» Chikhaoui wollte unbedingt Captain werden; er weiss, wie das geht, schon als junger Mann bei Etoile Sportive du Sahel hatte man ihm dieses Amt anvertraut, später auch in der tunesischen Nationalmannschaft. Beim FCZ geniesst er den Respekt der Mannschaft, einige Kollegen wie Davide Chiumiento bewundern ihn ganz offen. Diese Mannschaft ist bereit, für Chikhaoui zu rennen und zu kämpfen, damit er spielen und glänzen kann: Alle für einen.
Der Teammanager Rizzo erzählt, der Wunsch, Chikhaoui zum Captain zu bestimmen, sei von der Mannschaft ausgegangen, sie hat ihren Chef also gewissermassen selber ausgewählt und den Vorgänger Philippe Koch damit abgesetzt; die Vereinsführung hatte nichts dagegen. Vielleicht könne Koch nun befreiter aufspielen, sagt Rizzo. Auch Koch sei mit der Entscheidung einverstanden.
Seit klar ist, dass Chikhaoui entgegen der im Dezember offiziell verkündeten Trennung nun doch in Zürich bleibt, hat er sich verändert. Denn innerlich ist er überzeugt, dass die Schweiz den richtigen Chikhaoui noch nicht gesehen hat - den genialen Spieler auf dem Fussballplatz schon, aber nicht den Menschen, der dem Publikum immer irgendwie fremd geblieben ist. Also muss er mehr von sich preisgeben, sich mehr öffnen. Früher hatte er sich so verhalten, als sei er immer nur auf der Durchreise; nun ist er Familienvater und hat zwei Kinder.
Der Trainer Meier sagt: «In Tunesien ist er ein König, ein Fussballgott. Wenn Chikhaoui am Flughafen in Tunis durch den Zoll geht, braucht er seinen Pass nicht zu zeigen, er kann sich bewegen wie ein Diplomat.» Etwas von dieser Wertschätzung, die er in seiner Heimat bekommt, möchte er auch hier endlich gewinnen, das ist sein Antrieb, noch drei weitere Jahre in Zürich zu bleiben. Es ist eine Frage des Stolzes, und dieser war bei ihm schon immer ausgeprägt.
Fringers Idee
Und doch bleibt ungewiss, ob es wirklich eine gute Idee ist, Chikhaoui zum Captain zu machen. Schon der frühere FCZ-Trainer Rolf Fringer hatte die Absicht, «das Team um Chikhaoui aufzubauen», doch dann geschah, was viel zu oft passierte: Chikhaoui war angeschlagen, physisch und psychisch, er spielte kaum. Meier sagt: «Nun ist er körperlich und mental bereit, Verantwortung zu übernehmen.» Chikhaoui sagt, er habe alles dafür getan, um gesund zu bleiben. «Ich hoffe, ich kann nun einmal eine ganze Saison spielen.» Er sagt es beschwörend. Man kann ihn verstehen.
"we do these things not because they are easy, but because they are hard" jfk