Tagi: Sa. 3. Mai 2014
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«Dann sage ich: ‹ Herr Fischer ist nicht da › »
FCZ-Trainer Urs Meier über sein Ansehen, den FC Basel – und was seiner Mannschaft zum Meistertitel fehlt.
Mit Urs Meier sprachen Peter M. Birrer und Thomas Schifferle
Was fehlt Ihnen noch zum Meistertrainer?
Der Pokal.
Und was braucht es, um ihn zu holen?
Konstanz. Am Ende wird die Mannschaft Meister, die das am besten hinbekommt. Das ist die grosse Schwierigkeit, letztlich aber auch abhängig von der Substanz.
Mangelt es dem FCZ daran?
Die Mannschaft verfügt schon über viel Qualität. Aber wenn die Punkte nicht ausreichen, ja, dann muss ich zum Schluss kommen: Es fehlt etwas, um Meister zu werden.
Hätte der Trainer die Qualität?
Ich bin noch nicht so lange im Amt beim FCZ, habe aber bereits den ersten Titel. Wenn ich daran denke, welchen Weg ich gegangen bin, muss ich sagen: Der Ertrag ist nicht so schlecht.
Sind Sie als Cupsieger auch ein besserer Trainer?
Ihr Journalisten sagt doch oft: «Das Einzige, was zählt, ist das Resultat.» Darum erlaube ich mir, zu erwähnen: Am Schluss zählen nur die Titel. Es ist für einen Trainer von Vorteil, wenn er zwischendurch einen Pokal holt. Es gibt Kollegen, die warten seit Jahren darauf.
Hätte es für Sie nicht gar das Double werden können?
Den Eindruck hatte ich nie.
Auch nicht nach sechs Siegen zum Auftakt ins neue Jahr?
In den wichtigsten Spielen, in denen die Big Points verteilt wurden, zeigten wir nicht die nötige Stärke. Das ist eben so. Wir befinden uns in einem laufenden Prozess. Wir können nicht von heute auf morgen ein Meisterteam formen. Es gab in den letzten Monaten einige Veränderungen im Kader, und nach der guten Rückrunde der letzten Saison stellte ich bei einigen Spielern Genügsamkeit fest. Aber wir setzten zur Korrektur an, wir bekamen auch eine Balance hin: wenig Tore erhalten, viele schiessen.
Aber nur in den ersten sechs Runden.
Ja, dann riss das ab, es gab auf einmal ein Ungleichgewicht: Wir haben bis jetzt fünf Treffer weniger erzielt als letztes Jahr zur gleichen Zeit, was auch damit zu tun hat, dass wir keinen Josip Drmic mehr haben. Defensiv wollten wir uns steigern – und haben trotzdem bald schon so viele Tore kassiert wie vergangene Saison. Also schrauben und korrigieren wir weiter, auch mit den richtigen Ergänzungen, die für die Balance sorgen können. Und wenn die einmal stimmt, sind wir ein Meisterkandidat.
War die Niederlage in Luzern, mit der die Siegesserie riss, symptomatisch für diesen FCZ?
Gegen Luzern tun wir uns immer schwer. Darum sagte ich der Mannschaft vor diesem Spiel: «Das ist eine Prüfung für uns, die zeigen wird, ob wir angreifen können oder nicht. Wenn wir gewinnen, sind wir ganz heiss auf den Titel, ganz heiss!» Aber es kam genau anders: Wir verloren. Das zeigt: Wir sind noch nicht so weit. Wir müssen schon gewisse Werte auf den Platz bringen.
Welche Werte?
Leidenschaft, Herzblut, Motivation – und das alles über die gesamte Spieldauer, Woche für Woche, am besten 36 Mal pro Saison. Aber abgesehen davon: Wir bieten auch so einiges.
In welcher Hinsicht?
Unsere spielerische Substanz ist unbestritten. Wer Basel zweimal bezwingt, muss das doch haben. Und wenn der FCZ spielt, ist der Unterhaltungswert meistens sehr hoch.
Manchmal auch für den Gegner . . .
. . . für alle, auch für die Zuschauer (schmunzelt). Bei uns passiert immer etwas, Strafraumszenen, Tore . . . Langeweile gibt es selten.
Gelegentlich sorgt auch Yassine Chikhaoui für Unterhaltung. Wie gross ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass er doch beim FCZ bleibt?
Die Gespräche laufen.
Sie möchten ihn behalten?
Warum nicht? Er ist ein Leader geworden, und die Mannschaft verehrt ihn.
Sie verehrt ihn?
Ja, weil sie weiss, wozu er fähig ist. Und wenn er zwischendurch eine Pause braucht, soll er die bekommen. Das ist nicht so tragisch.
Wie drückt sich das Verehren aus?
Durch Respekt vor ihm, sein Wort hat Gewicht. Er ist unheimlich akzeptiert und in der Hierarchie ganz oben.
Er verdient 1,4 Millionen Franken pro Jahr. Ist das für die Mitspieler nicht ein Problem?
Ich kommentiere keine Vertragsinhalte. Ich weiss nur: Eine Zukunft in Zürich ist für Chikhaoui bloss dann denkbar, wenn er akzeptiert, was der Club ihm offeriert. Sein Lohn muss einfach ins Budget passen. Sonst ist er nicht mehr da. Und wir müssen eine neue Lösung finden.
Nur der FCZ hat diese Saison Basel besiegt. Täuscht der Eindruck, dass zu viele Mannschaften zu viel Respekt vor einem FCB haben, der alles andere als unwiderstehlich ist?
Aber der FCB spielte lange in drei Wettbewerben, die Belastung war enorm hoch. Es gab viele Probleme mit Ausfällen – und trotzdem schaffte er es, fast ungeschlagen die Position an der Spitze zu verteidigen. Am Ende wird der Club Meister, der es verdient hat. Es ist ja auch eine Riesenqualität, nicht immer sehr gut zu spielen und trotzdem praktisch nie zu verlieren.
Unterscheidet das den FCB von GC, das zu Hause gegen Thun 0:5 untergeht? Oder vom FCZ, der gegen Lausanne in ein 0:3 läuft?
So ist es, genau! Basel kommt aus Valencia heim, von einem 0:5, geht zu Sion und gewinnt da 1:0. Das ist eben Basel. Aber die Überlegenheit drückt sich auch im Budget aus: Der FCB ist weit weg von allen anderen. Und für uns ein gutes Beispiel. Man muss zäh sein, wenn es nicht läuft, man muss merken: Wenn einfach kein Tor gelingen will, dann gilt die absolute Konzentration halt der Defensive, um wenigstens nicht zu verlieren. Diese taktische Flexibilität müssen die Spieler während einer Partie selber zeigen.
Welche Spieler sollten das sein?
Rikan ist einer, ein gesunder Chermiti, Chikhaoui natürlich, Chiumiento, Gavranovic, Philippe Koch, Da Costa . . . Und von Kecojevic in der Innenverteidigung erwarte ich, dass er mehr Einfluss nimmt. Dafür haben wir ihn ja geholt.
Wenn man Sie so reden hört, könnte man meinen, der FCZ verfüge nur über Leader.
Leader werden und Leader sein sind zwei verschiedene Dinge. Das ist wie in der Meisterschaft: Ein, zwei Spiele gewinnen, das klappt viel eher als konstant erfolgreich zu sein.
Also ist für Sie klar, wer Meister wird?
Nein. Wer wird denn Meister?
Es spricht alles für Basel. Oder erwarten Sie noch einen Einbruch des FCB?
Nein, nicht unbedingt. Dagegen spricht nur schon die bisherige Serie. Aber wenn noch fünf Unentschieden dazukommen . . . Vielleicht kann dann ja GC profitieren.
Sind Sie zufrieden mit der Saison, wenn der FCZ Sechster wird?
Wir wollten uns unter den ersten vier klassieren. Also hiesse das: Ziel verpasst.
Und der Trainer wäre unzufrieden, trotz Cupsieg?
Der Cupsieg ist einer von zwei Pokalen, die es in der Schweiz pro Jahr zu gewinnen gibt. Wie schnell höre ich immer: Der FCZ ist in der Krise. Aber wir haben einen Pokal. Was herrscht dann bei anderen Mannschaften, die keinen haben? Eine Riesenkrise? Wie nennt man das da? Von mir aus können wir in den nächsten zehn Jahren gern jede Saison eine Krise haben, wenn wir immer einen Wettbewerb für uns entscheiden – ich bin sofort bereit, kein Problem.
Urs Meier, der Krisenmanager?
Mir gibt es manchmal zu denken. Wir haben mit dem Cupsieg eine gute Saison.
Aber wer in sieben Runden nur zwei Punkte gewinnt, bei dem ist das Wort Krise nicht ganz unberechtigt.
Wenn ich unterschreiben könnte, dass wir nächste Saison wieder den Cup holen, verliere ich, übertrieben gesagt, auch gern 15-mal. Es geht nur um Titel – nicht um schöne Serien, die irgendwann abreissen und nichts bringen.
Ein zweiter Titel in dieser Zeit wäre nicht schlecht für einen Trainer, der bei seiner Einstellung als «Billiglösung» bezeichnet wurde.
Ach . . . Mein Name wird heute noch immer verwechselt. Manchmal lese ich Urs Fischer statt Urs Meier in der Zeitung. Im Fernsehen war jüngst im Zusammenhang mit dem FCZ auch von Fischer die Rede, manchmal streckt mir ein Reporter ein Mikrofon hin und sagt: «Sie, Herr Fischer…» Dann sage ich: «Herr Fischer ist nicht da.» Und denke meine Sache.
Werden Sie weiterhin unterschätzt?
Vielleicht. Ich bin auch nach 18 Monaten bei einigen offenbar noch nicht angekommen.
Das lässt sich mit einem Meistertitel wohl am besten ändern.
Ich bin nicht sicher. Nur ist mir das auch egal.
Lieber ein unterschätzter Meistertrainer als gar nie Meistertrainer?
Ja, sicher!
Zitate:
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«Basel kommt aus Valencia heim, nach einem 0:5, geht zu Sion und gewinnt da 1:0. Das ist eben Basel.»
«Es geht nur um Titel – nicht um schöne Serien, die irgendwann abreissen und nichts bringen.»