Interview mit Petrosjan in der NZZ am Sonntag

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Chandler
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Interview mit Petrosjan in der NZZ am Sonntag

Beitragvon Chandler » 08.02.04 @ 22:01

""Ach, wäre ich doch in England!"- Das kann ich nicht jeden Tag denken "

Arthur Petrosjan vom FCZ und Massimo Rizzo vom FC Wil über ihr Fussballleben



NZZ am Sonntag: Artur Petrosjan, Massimo Rizzo, in einer Woche beginnt die Rückrunde. Freuen Sie sich auf den Abstiegskampf?

Artur Petrosjan: Sicher nicht! Wie kann man sich auf den Abstiegskampf freuen? Aber ich freue mich, dass die Meisterschaft wieder startet.
Massimo Rizzo: Mir geht es gleich. Es wird hart. Ich hoffe, es reicht, und wir entgehen dem Abstieg.

Bei Wil war der Abstiegskampf zu erwarten. Aber nicht beim FCZ.

Petrosjan: Das ist eine grosse Überraschung. Wir müssen in der Finalrunde und im Cup reüssieren.
Rizzo: Mit dem achten Platz nach der Hälfte haben wir unser Ziel erreicht. Zudem haben wir im Cup den Halbfinal erreicht. Eine gute Leistung.

Massimo Rizzo, Sie haben neben dem Fussball eine 60-Prozent Stelle. Beneiden Sie Petrosjan, dass er Vollprofi ist?
Rizzo: Klar wäre ich gerne Vollprofi. Momentan lässt es die Situation aber nicht zu. Der FC Wil hat eine gewisse Lohngrenze. Ich arbeite schon einige Jahre auf dem Sekretariat des FC Zürich. Solange der FC Wil das akzeptiert, ist es mir recht so. Im Sommer läuft mein Vertrag im FC Wil aus. Dann muss ich weiterschauen.

Artur Petrosjan, Können Sie sich vorstellen zu spielen und gleichzeitig noch einen anderen Job zu haben?
Petrosjan: Ich kenne diese Situation nicht. Ich kann mir vorstellen, wie schwierig es für Massimo ist, bei Zürich zu arbeiten und in Wil zu spielen. Wenn der FCZ in Wil spielt, ist das bestimmt ein besonderer Match.
Rizzo: Vor allem, wenn wir gewinnen und ich am nächsten Tag zur Arbeit komme.

Sie haben beide eine Ausbildung gemacht und sind dann Profi geworden.
Petrosjan: Ich habe in der Sowjetunion studiert und mit dem Fussball angefangen. Es war nie die Rede von einem Profi. Alle haben ausschliesslich Fussball gespielt, aber man nannte es nicht so. Wir hiessen Amateure. Das Wort Profi existierte nicht.
Rizzo: Ich bin hier zur Schule gegangen, habe das KV gemacht und dann diesen Job angenommen. Ich spiele erst seit zwei Jahren in der Nationalliga A.
Petrosjan: Ich bin froh, in der Schweiz zu sein. Ich habe Freunde, die in Russland spielen, und es hat sich wenig geändert seit den Zeiten der Sowjetunion. Sie sind drei, vier Monate im Trainingslager, sehen ihre Familie, ihre Freunde nicht. Ich mache hier die Trainerausbildung, damit ich gute Voraussetzungen habe, wenn ich nach Armenien zurückkehre.

Welchen Stellenwert hat der Schweizer Fussball?
Rizzo: Der FC Basel hat dazu beigetragen, dass der Schweizer Fussball im Ausland mehr Beachtung findet.
Petrosjan: Und natürlich die Erfolge der Nationalmannschaft.
Rizzo: Diese Faktoren bewirken, das der Schweizer Fussball heute einen höheren Stellenwert hat.

Trotzdem sind die Stadien in der Regel halb leer.
Petrosjan: Wenn wir eine gute Leistung zeigen, kommen die Leute. Wenn wir so spielen wie in der Qualifikation, denken sie: Jetzt haben sie neue Spieler gekauft und sind immer noch so schlecht. Es ist normal, dass die Leute dann nicht kommen.
Rizzo: Es gab andere Zeiten beim FCZ. Als er im Uefa-Cup spielte, hatte es bis zu 16000 Zuschauer. Die Leute sind kritisch. Das ist bei einem Kleinklub nicht anders. Es braucht wenig, bis die Leute pfeiffen und nicht mehr ins Stadion kommen.

Verfolgt ihr zum Beispiel Modusdiskussionen oder den Fall FC Sion?
Petrosjan: Ich verstehe nicht immer genau, was läuft. Aber bei Sitten finde ich, man muss die Mannschaft in der Nationalliga B spielen lassen.
Rizzo: Man macht sich natürlich Gedanken. Besonders wenn man beim FC Wil ist. Momentan ist nicht ideal, was bei uns abgeht.

Sie sind dem Klub ausgeliefert und können nicht beeinflussen, was läuft.
Rizzo: Das ist ein Problem. Man kann nicht mehr als hoffen. Nicht jeder verkraftet die Situation gleich gut. Ein Verein ist primär vom Erfolg der 1.Mannschaft abhängig. Machen wir unseren Job gut, ist die Chance grösser, dass das andere auch gut kommt.
Petrosjan: 1997 testete mich Arsenal. 17 Tage war ich dort. Am 15.Tag bekam ich die Nachricht, dass ich bleiben kann. Es gab einen Vertrag. Dann änderte sich innert zwei Tagen alles. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass mein Manager viel Geld verdienen wollte. Der armenische Verband verlangte 3.5 Millionen Dollar. Ich war das ganze Jahr darauf kaputt. Ich habe gespielt, aber das war nicht ich auf dem Platz. Ich weiss, wie es ist, wenn man keine Ahnung hat, was am nächsten Tag ist. Wie in der letzten Zeit bei YB; wir wussten nicht: Bekommen wir ein Angebot oder nicht?

Hat man da nicht einmal genug?
Petrosjan: Es ist wie im Leben. Du musst immer für deinen Platz kämpfen. Aus diesen Situationen lernt man ungeheuer viel. Wenn alles einfach geht und du in zehn Jahren plötzlich ein Problem hast, weisst du nicht, wie du es bewältigen sollst. Aber wenn du dauernd mit Problemen konfrontiert bist, lernst du immer etwas. Wir sind jetzt Letzter. Wir können nicht sagen: "Okay, wir steigen ab, kein Problem. Ich suche mir einen anderen Job."

Haben Sie sich das Leben als Fussballer so vorgestellt?
Petrosjan: Ich hab's mir schon noch ein bisschen besser vorgestellt. Geträumt habe ich von England, Spanien ... Aber ich bin jetzt drei Jahre hier, alles ist gut gelaufen. Das andere ist vorbei. Was kann ich machen? Man muss immer nach vorne schauen, ohne die Vergangenheit zu vergessen. "Ach, wäre ich doch in England!" - Das kann ich nicht jeden Tag denken.
Rizzo: Ich hatte immer den Traum vom Vollprofi. So wie jetzt habe ich es mir nie vorgestellt. Ich wollte in der Nationalliga A Fuss fassen. Das habe ich erreicht.

Artur Petrosjan, Sie sind Führungsspieler. Massimo Rizzo, Sie haben eine weniger zentrale Rolle. Wie wichtig ist ein Führungsspieler auf dem Platz?
Rizzo: Die Mannschaft orientiert sich am Leistungsträger. Im FCZ ist es Petrosjan, bei Wil ist es Fabinho. Sie versuchen das Spiel anzukurbeln und die Mannschaft zu motivieren.
Petrosjan: Sind deine Leistungen auf dem Platz gut und du bist der richtige Typ, sind die Erwartungen gross - deine eigenen und diejenigen der anderen. Manchmal ist der Druck zu gross. Du denkst, du musst noch mehr machen, aber es geht nicht mehr.

Zum Schluss: Welches ist das schönste Stadion der Schweiz? Und welches das schlimmste?

Petrosjan: Das schönste ist in Basel. Das schlimmste sage ich nicht.
Rizzo: In Basel steht das schönste. Gut möglich, dass unser Stadion Bergholz zu den schlimmsten gehört. Aber wenn die Mannschaften nicht gerne zu uns kommen, ist das okay. Dann haben wir bereits einen Vorteil.

......
Der Rekordhalter und der Sekretariatsmitarbeiter

Artur Petrosjan startete seine Fussballkarriere 1994 in seiner armenischen Heimat beim Klub Shirak Gyumri. 1998 wechselte er zu Maccabi Petach Tikva nach Israel und eine Saison später nach Russland zu Lokomotiv Nizhniy. Von Januar 2001 bis Juni 2003 spielte er bei den Berner Young Boys. Zum FC Zürich kam der 33-jährige Mittelfeldspieler im vergangenen Juni. Petrosjan ist mit 62 Länderspielen armenischer Rekordinternationaler und mit 11 Toren Rekordtorschütze.



Massimo Rizzo war Junior im FC Zürich und spielte für Juventus Zürich, im FC Baden und FC Wettingen, bevor er 1997 zum FC Wil wechselte. 2002 erreichte Rizzo sein grosses Ziel. Er stieg mit dem Ostschweizer Verein in die Nationalliga A auf. Der 30-jährige, der in Zürich wohnt, ist der einzige Halbprofi im FC Wil. Sein zweiter Arbeitgeber ist der FC Zürich, wo der Verteidiger mit kaufmännischer Ausbildung eine 60-Prozent-Anstellung im Sekretariat hat.


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zoff
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Beitragvon zoff » 09.02.04 @ 9:55

Petrosjan: Das schönste ist in Basel. Das schlimmste sage ich nicht.


frechheit ;)


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