Die nächste Herzenssache
Warum Sportchef Fredy Bickel den FC Zürich verlässt und ab dem 1. Januar bei den Young Boys etwas vollenden will.
Fredy Bickel lächelt verschmitzt neben Ancillo Canepa. Es ist ein Bild, das an einer Wand des Restaurants Hornegg im Seefeld hängt, ein Bild aus der Vergangenheit beim FC Zürich, aus glücklichen Tagen, die gar nicht so fern sind. Bickel sitzt an diesem Mittwochmittag im Hornegg, er ist oft hier, es ist sein Lokal in Zürich, einmal ist er schon mit dem Meisterpokal gekommen, um mit Freunden zu feiern, doch jetzt ist seine Gefühlswelt eine andere. Er ist nachdenklich, übermüdet. Viele wollen ihn auf dem Handy erreichen oder schreiben irgendeine Nachricht, manchmal, wenn der Anrufer ganz wichtig ist, meldet er sich und verschwindet in eine ruhige Ecke.
Es ist früher Nachmittag, als er aus Bern hört: Abends um sieben ist die Medienkonferenz im Stade de Suisse, Bickel wird als neuer Sportchef der Young Boys vorgestellt. «Die Drähte sind heiss gelaufen», sagt YB-Vereinspräsident und Verwaltungsrat Werner Müller, «die Gespräche verliefen aber in freundschaftlicher Atmosphäre, und am Ende gab es ein finanzielles Entgegenkommen.» YB zahlt also, damit Bickel seinen Vertrag auflösen und in Bern am 1. Januar 2013 beginnen kann. Bickel hat Mühe, als er von der Entschädigung erfährt und schüttelt immer wieder den Kopf. Wie hoch die Summe ist, haben YBVerwaltungsrat Andy Rihs und FCZPräsident Canepa miteinander ausgehandelt. Es soll geheim bleiben.
Der Druck aus dem FCZ-VR
Die Zahlung ist für Fredy Bickel das unschöne Ende einer Herzensangelegenheit, wie es das immer ist bei ihm. Bei ihm, dem das Zwischenmenschliche so wichtig ist, der sagt: «Ich gebe Vertrauen, aber ich muss auch Vertrauen spüren, nur dann kann ich gut arbeiten.»
Dieses Vertrauen spürte er beim FCZ seit einiger Zeit nicht mehr. Die letzten Monate seien an die Substanz gegangen, «ich kann nicht damit leben und umgehen, dass neben mir Leute im Verein sind, die gegen mich sind». Bickel spricht von den Verwaltungsräten Tsionas, Greber und Ziegler, der gestern, wie zuvor schon Greber, zurückgetreten ist. Mehrmals, zuletzt vor zehn Tagen, haben sie Bickel gedrängt, er solle seinen Vertrag Ende November und ohne Ansprüche auflösen. Canepa wusste davon, war einmal bei diesen Gesprächen selber dabei, habe Bickel aber danach immer gesagt: «Bleib ruhig, ich habe alles im Griff.»
Bickel spürte die Unterstützung von Canepa, aber es ist typisch für ihn, wenn er auch sagt: «Ich kann mich nicht nur auf den Kopf verlassen, mein Bauchgefühl ist auch wichtig.» Und dieses sagte ihm: Die Unruhe im Verein ist zu gross und verhindert ein Arbeiten, wie es in dieser sportlichen Krise nötig wäre. Die «ungute Luft», wie er auch sagt, hat ihn «kaputt» gemacht. Deshalb teilte er Canepa vor wenigen Tagen und in einer der zuletzt vielen Nächte fast ohne Schlaf gegen 3 Uhr mit, dass er zurücktrete und das Gespräch mit Clubs aufnehme, die sich zuletzt bei ihm gemeldet hätten.
Die YB-Geschichte ohne Ende
Zu diesen Clubs gehörte Luzern. Oder Austria Wien. Oder eben YB. Dass Bickel nun nach Bern geht, ist die Folge seiner Vergangenheit. Er war schon einmal dort. Als er kam, Ende 1999, stand YB auf dem zweitletzten Platz der NLB. Als er ging, gehen musste Ende 2002, war der Club längst wieder in der höchsten Liga.
Bickel erinnert sich gern zurück – zumindest an die schönen Tage. An die WG in einem kleinen Studio mit Trainer Schällibaum und Assistent Gämperle. An die Freunde, die er gewonnen hat. Zu diesen Freunden gehört Werner Müller, früher wesentliche Figur beim Bau des Stade de Suisse und heute YB-Vereinspräsident. Zu diesen Freunden gehört nicht Peter Jauch. Der damalige Vertreter der Stadion- und YB-Geldgeber hatte Bickel wegen Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsbesorgung angezeigt.
«Unschön entsorgt» worden sei er, so sagt es Bickel und spricht auch vom «Krieg zwischen Jauch und mir». Die Art des Abschieds hat bei ihm «tiefe Spuren» hinterlassen. YB ist für ihn seither «eine Geschichte, die noch nicht abgeschlossen ist, ich trage sie seit Jahren mit mir herum».
Die Anzeige von Jauch hat Bickel in einem Ordner abgelegt wie die Polizeirapporte und die Mitteilung über die Verfahrenseinstellung, weil die Untersuchungsbehörden kein strafbares Verhalten Bickels hatten feststellen können. Er zog den Ordner wieder aus dem Regal, bevor er sich zu einem Gespräch mit Andy und Hansueli Rihs traf, den wichtigsten YB-Verwaltungsräten und Geldgebern. Die Gebrüder wollten genau wissen, was sich damals zugetragen hat. Und nachdem sie sich durch die Papiere gearbeitet hatten und überzeugt waren von Bickels Unschuld, signalisierten sie schnell, dass sie den 47-Jährigen unter Vertrag nehmen möchten.
Offenbar waren sie von Bickel auch deshalb angetan, weil er beim Erzählen über die FCZ-Krise selbstkritisch mit sich umging. Er suchte die Schuld nicht beim zerrütteten Verwaltungsrat. Bickel findet, er habe sich in den vergangenen Wochen zu wenig nahe an der Mannschaft bewegt. Er sei von den personellen Problemen auf der Führungsebene so absorbiert gewesen, dass er die Strömungen im Team nicht mehr habe spüren und den am Montagabend entlassenen Trainer Rolf Fringer nicht so habe unterstützen können, wie er es selbst von sich erwartet. Es sei ihm auch nicht gelungen, aus allen Beteiligten beim FCZ wieder ein Team zu machen.
Bei seinem zweiten Anlauf in Bern startet Bickel nun nicht mit bereits fixierten Zielen, weil er gelernt hat, dass sich im Profifussball der Erfolg nicht planen lässt. Im «sehr guten» Kader, der stimmigen Infrastruktur, dem hohen Publikumsinteresse und der Clubführung sieht er aber ein «gutes Fundament» für erfolgreichere Zeiten im Verein, der seit 1986 ohne Meistertitel ist.
Das Lied von Edith Piaf
Es sind für ihn hektische Tage in diesem Herbst. Und nur einmal hat Fredy Bickel für sich etwas Ruhe gefunden, vor wenigen Wochen, als er nach Paris reiste, wie er das jedes Jahr einmal tut, und das Grab von Edith Piaf besuchte. Die französische Chansonnière bewundert er, er gehört zur «Association des amis d’Edith Piaf». Sie sei immer ihren Weg gegangen und habe sich nie blenden lassen, sagt Bickel. Er möchte am Ende seiner Karriere auch einmal sagen können: «Non, je ne regrette rien.»
http://www.bernerzeitung.ch/sport/fussb ... y/24220698
Lausanne-Trainer Laurent Roussey: «In Basel werden von den Schiedsrichtern gewisse Entscheidungen schon vor Spielanpfiff getroffen.»
Quelle Blick 29.7.2013