Beitragvon Sammy » 07.05.12 @ 18:57
Jetzt schreib ich auch wieder mal. Nicht zum Spiel.
Ich fühle mich etwas verloren, bin verwirrt und auch ein wenig verärgert. Seit Jahren setze ich mich für Fananliegen und gegen übertriebene polizeiliche Massnahmen ein. Und zwar nicht nur mit wortgewaltigen Beiträgen in diesem Forum, sondern da draussen in der real existierenden Welt mit viel Zeit, die ich auch anderen Dingen widmen könnte. Habe beispielsweise sehr aktiv gegen Gamma gekämpft und bin auch gegen das Hooligan Konkordat aktiv. Die zunehmende Repression macht mir in der Tat auch Sorgen. Beim betrüblichen Derby waren meine beiden Söhne 8 und 13 (ja ich bin einer dieser älteren Osttribünler) alleine im Stadion und trotzdem habe ich selbst das gegen alle möglichen Seiten immer wieder verteidigt, allen möglichen Leuten erklärt, dass ich sie trotzdem wieder alleine gehen lassen würde, dass man zwischen den Fans und den Hooligans unterscheiden müsse und so weiter und so fort.
Aber.
Die Stadt Zürich erlaubt, im Gegensatz zu anderen Städten wie beispielsweise Bern einen Fanmarsch. De jure ist das nichts anderes als eine unbewilligte Demonstration. Trotzdem lässt die Polizei das zu, wenn der Marsch vom Bahnhof Altstetten zum Letzigrund stattfindet und ohne Pyros und Gewalt von statten geht. (Ich wäre auch in Sachen Pyros übrigens viel toleranter als das heute üblich ist und bin sicher, dass wenn dann ein solcher Marsch auf der vorgegebenen Route stattfindet, die Polizei wegen zwei, drei Fackeln noch nicht einschreitet).
Ich habe sogar Verständnis dafür, dass der eine oder andere Basler Fan keine Lust auf den Bahnhof Altstetten hat, nach der Massenverhaftung vor ein paar Jahren (die ich auch verurteile!). Aber es ist jetzt schon ein wenig gar naiv zu glauben, dass die Basler Fans, die sich dann extra separat in einem Autokorso organisieren, ausgerechnet die friedlichsten (und politischsten) sein sollen. Die Randalle im Parkhaus ging schon bei der Ankunft los. Eine Bekannte, die mein Verständnis für die Fans in vielen Belangen teilt und da wohnt, hat berichtet, wie zahlreiche Basler Fans beispielsweise in den Garten der Kinderkrippe im Quartier gepisst haben, und das Areal mit Bierdosen und PetFlaschen zugedeckt haben. Sie ist wirklich kein Huscheli, aber ihr war Angst und Bange. Das war keine friedliche Demo, sondern eher ein Saubannerzug. Wenn hier behauptet wird, der Zug sei so friedlich gewesen, dann möchte ich den sehen, der dann hinsteht, den Baslern sagt, sie sollen ihren Abfall wieder zusammenlesen und woanders hinpissen und auf das friedliche Abziehen dieser Truppe hofft. Viel Glück. Gab ja auch einmal ein paar, die versuchten den Marsch zum GC-Sektor zu verhindern... Kurz: die Aktion war nichts anderes als eine Machtdemonstration der Basler Fans. Es braucht schon viel guter Wille, daraus ein politisches Statement zu basteln.
Bei allem Verständnis und Sympathie für Fananliegen und -kultur darf auch von den Fans (sic!) das Einhalten von ein paar Regeln erwartet werden. Würden sie das tun, wäre vermutlich auch ihre Freiheit grösser. Wenn es den Basler Fans wirklich um die Unterstützung ihrer Mannschaft gegangen wäre und um eine Machtdemonstration gegenüber den Zürcher Fans in Form eines gemeinsamen Aufmarschs, dann wäre dieses Anliegen mit einem Marsch vom Bahnhof Altstetten zum Letzigrund erfüllt.
Es scheint, dass hier drin, etwas gar viele in ungefähr die gleiche Falle trampeln, wie sonst all die Leute, die nie an ein Fussballspiel gehen, jeden Fan für einen gewaltätigen Hooligan halten, immer mehr Repression und Gesetze fordern und am liebsten auch gleich noch auf das Fussballstadion verzichten würden. Nur einfach umgekehrt. Jeder Fan ist ein Guter (mit ernst zu nehmenden politischen Anliegen) und jeder Polizist ist automatisch ein Böser. Vermutlich würden hier auch noch Leute einen Banküberfall verteidigen, so lange er nur in Fanbekleidung stattfindet (gerade ein Banküberfall ist ein gutes Beispiel weil es ja dann auch gleich noch gegen die ebenfalls bösen Kaptialisten - stecken mit der Polizei ja unter einer Decke - ginge).
Mir gefällt es auch, wenn sich Fans für politische Anliegen über die Clubgrenzen hinweg zusammen schliessen, aber gestern wäre das nicht nötig gewesen.
Meine Bemühungen (und mein Wille) einer breiten Gesellschaft all die Herausforderungen, die Fussballfans und -kultur in diesem heutigen Umfeld haben, zu erläutern, für Verständnis und Freiheit, aber gegen Repression zu werben, werden nicht gestärkt, wenn die Fanseite nicht differenziert und ab und zu vielleicht auch mal etwas selbstkritisch die ganze Geschichte betrachtet.
Ich rede hier nur von den Baslern. Zur Helevtiaplatzgeschichte kann ich nichts sagen. Aber so als Gedankenspiel: So ein Marsch könnte man m.E. gar institutionalisieren. Die Südkurve muss nur ein Demo-Gesuch einreichen und wenn sich niemand traut, könnt ihr mich kontaktieren und dann reiche ich das Gesuch in meinem Namen ein (und würde das so lange wie der Marsch friedlich verläuft auch weiterhin tun).
So und jetzt könnt Ihr mich teeren und federn.