Beitragvon gecko » 05.11.11 @ 8:56
Tagi: Samstag 5.11.2011
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FCZ-Schande Der Imageschaden für den FC Zürich wegen seiner gewaltbereiten Fans ist immens.
Nach dem Unfall von Rom muss Pyrotechnik in den Stadien endgültig geächtet werden.
Von Peter Bühler
Nulltoleranz – aber sofort!
Es waren durchwegs betretene Mienen zu sehen, in welches Gesicht der FCZDelegation man gestern Nachmittag im Römer Flughafen Fiumicino auch schaute. Der Fussball war unter den Zürchern selbstredend kein Thema, obschon die Mannschaft am Vorabend im Stadio Olimpico eine der besten Saisonleistungen geboten, in der Europa League gegen Lazio aber zum Schluss 0:1 verloren hatte. Die Spieler, den Trainer, den Sportchef, den Präsidenten und die mitgereisten Sicherheitsverantwortlichen beschäftigte nur eines: der Unfall in der Zürcher Kurve, der bereits vor dem Spiel mehrere Verletzte gefordert hatte. Eine Knallpetarde war zu früh und noch in der Hand eines FCZ-Anhängers explodiert, ihm wurden drei Finger abgetrennt, eine danebenstehende Person erlitt Verbrennungen am Arm, und zahlreiche weitere Personen im Zürcher Sektor klagten über Hörschäden.
Auch ein Balljunge, der unter der Kurve auf der Tartanbahn stand, war betroffen. Nach Informationen der Römer Polizei musste er wegen eines Gehörsturzes im Spital behandelt werden. Peter Bürki, einer von insgesamt sechs FCZ-Sicherheitsbeauftragten, welche die 700 mitgereisten Anhänger im Stadion betreut hatten, war ob der Vorkommnisse entsetzt. Seit 2005 ist er beim Klub in dieser Funktion angestellt, einen derart schweren Unfall aber hatte er zuvor nie erlebt. «Viele Leute standen nach der Explosion unter Schock, aber eine Panik drohte keinen Moment.»
Unfug treiben – um jeden Preis
Die Verletzungen des Pyrowerfers seien gravierend, bemerkte Bürki weiter: «Es floss viel Blut, zum Glück waren die Sanitäter sehr schnell zur Stelle.» Für den Sicherheitsspezialisten ist es ein Rätsel, wie die Petarden ins Stadion hatten geschmuggelt werden können. Die Zürcher Fans seien vom Römer Sicherheitspersonal genauestens überprüft worden, es sei auch zu zahlreichen Leibesvisitationen gekommen. Bürkis Erkenntnis nach der Nacht von Rom: «Es gibt Leute, die um jeden Preis Unfug treiben wollen. Und sie finden immer einen Weg, die Kontrolleure zu täuschen.»
Präsident Canepa war wie alle Leute aus der FCZ-Führung sichtlich gezeichnet. Er sprach vom «absoluten Tiefpunkt» in seiner bald fünfjährigen Amtszeit. Er schämte sich für das Vorgefallene, vor allem bedauerte er die Verletzung des Balljungen. «Es ist für mich schlicht nicht zu fassen», erklärte er. Da reisten sogenannte Fans des FCZ nach Rom und verletzten ein Kind, das zufällig am falschen Ort gestanden sei. «Solches Tun ist absolut verwerflich.» Wenigstens konnte der Balljunge das Krankenhaus mittlerweile verlassen. Gestern befanden sich noch zwei verletzte Zürcher in Rom in Spitalpflege: der Haupttäter, der sofort mit einem dreijährigen Stadionverbot für ganz Italien belegt wurde, sowie ein weiterer FCZ-Anhänger, der ausserhalb des Stadions von einem Lazio-Fan mit einem Messerstich verletzt worden war.
Canepa bezeichnete den Täter und allfällige Helfer als Kriminelle und Verbrecher, die dem FCZ, ja dem ganzen Schweizer Fussball schwersten Schaden zugefügt hätten. Als erste Massnahme verzichtet der FCZ darauf, für das nächste Spiel in der Europa League in Lissabon gegen Sporting Tickets an die eigenen Fans abzugeben.
Das Fass ist übergelaufen
Dass dieser Schritt nicht im Entferntesten genügt, weiss der Präsident. Er kündigte weitere Restriktionen an. In seiner Wut und Enttäuschung mochte er aber keine unbedachten Äusserungen machen. Canepa fühlt sich offensichtlich ziemlich ohnmächtig. Er war es gewesen, der immer wieder appelliert hatte, dass der vernünftige Teil der Fans die Krawallmacher in die Schranken weisen müsse. Doch die Selbstregulierung der Kurve hat sich als Illusion erwiesen. Die kriminellen Elemente sind nicht zu kontrollieren. Sie sind ein Fall für die Polizei, die endlich über die gesetzliche Grundlage verfügen müsste, um im Innern der Stadien dezidiert eingreifen zu können, sowie für Schnellgerichte.
Nach dem schweren Zwischenfall von Rom ist klar, dass Pyros und Knallkörper in Schweizer Stadien nicht mehr geduldet werden dürfen. GC-Präsident Roland Leutwiler hatte nach dem abgebrochenen Derby die Nulltoleranz-Regel propagiert und verlangt, dass Spiele abgebrochen werden müssten, wenn Petarden gezündet werden. Er wurde weder von der Swiss Football League noch von Canepa in diesem Ansinnen unterstützt. Rom hat gezeigt, dass die Liga und der FCZ-Präsident falsch liegen: Es ist durch nichts zu rechtfertigen, wenn unbeteiligte Zuschauer bei einem Matchbesuch um ihre Gesundheit fürchten müssen oder sogar verletzt werden. Das Fass ist definitiv übergelaufen.
Die Nulltoleranz-Regel ist zum Muss geworden. Der Haken: Dem Missbrauch sind Tür und Tor geöffnet. Die Fans jener Mannschaft, die im Rückstand liegt, zünden ein paar Pyros – das Spiel müsste folglich abgebrochen und eventuell später wiederholt werden. Entscheidend wird sein, dass auch hier Experten ausgebildet werden, die über den Gefährdungsgrad befinden und über die Fortsetzung oder den Abbruch einer Partie entscheiden.
Dem FCZ droht der Ausschluss
Wegen Abbrennens von Feuerwerk durch seine Fans hat der FCZ in den ersten drei Spielen der Europa League bereits 50 000 Franken Busse bezahlen müssen. Jetzt droht eine weit härtere Strafe der Uefa, die bis zum Ausschluss der Zürcher aus den europäischen Wettbewerben gehen kann. Wohl kaum in dieser Saison, die Zürcher sind in der Europa League ja ohnehin praktisch ausgeschieden. Dafür für künftige Wettbewerbe. Denn die Zürcher Fans sind Wiederholungstäter.
Sie haben ihren Klub oft genug in Misskredit gebracht. Nur zwei der gravierenderen Zwischenfälle: Im Herbst 2005 randalierten sie in Kopenhagen schwer und wurden von der dänischen Polizei zu Dutzenden verhaftet. Und vor einem Monat waren sie mitverantwortlich für den Abbruch des Zürcher Derbys. Das Urteil der Swiss Football League und die Wertung des Spiels stehen noch aus. Es ist nicht anzunehmen, dass der FCZ mit den Vorkommnissen im Römer Olimpico bei den Disziplinarrichtern der Liga an Goodwill gewonnen hat.
Dass einzelne Zürcher Fans gestern Nachmittag bei ihrer Ankunft am Hauptbahnhof nichts anderes im Sinn hatten, als erneut Pyros zu zünden, passt ins traurige Gesamtbild dieser FCZ-Reise nach Rom. Und schon morgen Sonntag droht in Neuenburg das nächste Gefahrenspiel. Die Verhältnisse bei Xamax sind wirr und chaotisch, auf allen Ebenen. Wer weiss schon, wie weit die Sicherheit auf der Maladière gewährleistet ist?