Beitragvon Sammy » 03.10.11 @ 22:52
So, Zeit mich wieder einmal zu melden. Obwohl ich eigentlich keine Antworten, sondern eher Fragen habe.
War gestern nicht im Letzi. Dafür meine beiden Söhne (8 und 13), alleine auf der OT grad neben der Südkurve. Kamen ohne Probleme wieder nach Hause. Sind eben regelmässige Matchbesucher und kennen sich aus. Deshalb der beste Ratschlag an besorgte Familien(väter und -mütter): Regelmässiger Besuch von Spielen senkt das Gefahrenpotenzial. Ich werde weiter mit Kinder kommen und sie auch alleine gehen lassen, falls ich - wie gestern - nicht kann.
Die Frage ist, ob sie überhaupt noch wollen. Gerade der Jüngere der beiden scheint keine Lust mehr zu haben ins Stadion zu gehen, zumindest nicht wenn ich nicht dabei bin.
Man verzeihe mir, dass ich nicht den ganzen Threat, sondern nur etwa die letzten fünf Seiten gelesen habe und deshalb die Gefahr besteht, dass ich das eine oder andere wiederhole. Bei allen Vermenungen unterschiedlicher Themen und allem hin und her hier drin, scheint es mir doch so, als ob die Meisten, das Dilema, dass mich gerade bedrückt, teilen und sich eher nach Diskussionsverlauf ins eine oder andere Lager schlagen, denn aus Überzeugung.
Die meisten wollen:
- stimmungsvollen (und guten, aber dafür gibt es einen anderen Threat) Fussball im Stadion geniessen. Dazu gehören offensichtlich Fankultur und Familien (ist ja der Nachwuchs, der dann nicht als Modefans bezeichnet werden kann, weil seit Kindesbeinen dabei).
- zur Fankultur gehört (bei uns) die Südenkurve und generell Stehplätze. (Pyros dürften wohl umstritten sein. Ich find's eigentlich ganz schön und frage mich immer wieder, weshalb es nicht möglich ist, dass eine kontrollierte - halt eben in Absprache mit dem Verein, der Stadt und der Sicherheit - Pyrochoreo möglich ist, aber in diesem Punkt dürfte es mit der Einigkeit wohl vorbei sein und deshalb steht er nur in Klammern)
- Familien haben ein verständliches und v.a. auch berechtigtes Sicherheitsbedürfnis
Niemand Ernstzunehmender will:
- Gewalt in den Stadien (oder überhaupt)
- einen Überwachungsstaat
Offenbar gibt es eine Gruppe von mehrheitlich jungen Männern, die unterschiedliche Veranstaltungen (Fussball-, z.T. Eishockey-Spiele, 1. Mai-Feiern, RTS-Manifestationen oder illegale Partys) nutzt, um sich (gar nicht einfach die richtige Formulierung zu wählen, deshalb bleibe ich jetzt einfach und bildlich) die Hörner abzustossen. Im Verhältnis zur Masse aller anderen Besuchern, Nutzern oder Teilnehmern der genannten Veranstaltung ist diese Gruppe zwar extrem klein, ihr Einfluss ist jedoch - gerade auf die öffentliche Wahrnehmung und Debatte - enorm gross. Wegen ein paar Wenigen muss die grosse Mehrheit der Matchbesucher zunehmend Videoüberwachung ertragen (ja, ja das ärgert mich auch, wenn ich nichts zu verbergen habe) oder auf ein Bier zur Wurst verzichten. Und die grosse Mehrheit der (regelmässigen) Matchbesucher ist wiederum eine kleine Minderheit in der Gesellschaft. Und die ist momentan für rigorose Massnahmen, auf die ich persönlich gerne verzichten kann.
Für mich evident ist der Umstand, dass es sich hier nicht um ein fussballspezifisches, sondern um ein gesellschaftliches Problem handelt, dass weder die Fussballvereine noch das 1.-Mai-Komitee lösen können. Aber weder Politiker, noch Vereine oder die böse Gesellschaft ist schuld daran, wenn ein paar Idioten sich auf die Kappe geben. Dafür sind sie alleine verantwortlich.
Angesichts der Gewalt und Rücksichtlosigkeit die aufgrund der Bilder angenommen werden muss, ist es für mich ein Hohn, wenn nach Selbstregulierung durch die Fans im Allgemeinen oder der Kurve im Speziellen verlangt wird. Die tapferen Osttribünler, die sich dem Mob in den Weg gestellt haben, verdienen zwar Bewunderung, gingen aber ein Risiko ein, das ich wohl kaum zu tragen bereit wäre. Auch den Vereinen kann wohl kaum zugemutet werden angesichts dieser Gewaltbereitschaft für die Sicherheit in den Stadien alleine verantwortlich zu sein, gerade in Zürich, wo das Stadion ja durch die Stadt betrieben wird. Und natürlich auch angesichts der Tatsache, dass so eine Aufgabe nur durch das Anheuern einer Söldnertruppe wie den Deltas geschehen kann, die ja ihrerseits aufgrund eben dieser Aufgabe teilweise sehr zwielichtige Gestalten anzieht. Es stehen sich dann Hooligans mit und ohne Uniform gegenüber.
Also nun bleibt die alles entscheidende Frage: Wie gelingt es Fankultur und Familien im Stadion zu behalten und Gewalt auszuschliessen. Wie kann man diese kleine Gruppe isolieren und ja: bestrafen (!) ohne die Mehrheit durch Massnahmen (Alkoholverbot, Fanpass, Geisterspiele) zu treffen.
Mich überzeugen bisher weder die "Videos über jedem Sitz"-Forderer noch die "rettet unsere Freiheit vor dem Überwachunsstaat"-Rufer.
Was muss geschehen? Wer hat eine Idee? Wie kriegt man das kurzfristig in den Griff, wie langfristig? Und ja, da ist die SK für mich auch in der Pflicht. Nicht als verlängerter Arm der Polizei, aber als Partner im Suchen von Lösungen. Mit "wir wollen Pyros, Stehplätze und Anonymität" ist es leider wohl nicht mehr getan. Wenn hier von Fanseite nicht an Lösungen mitgearbeitet wird, dann werden andere (vermutlich kaum regelmässige Matchbesucher) Lösungen durchsetzen. Schauder.
Also konstruktive Lösungen vor!