Interessantes Interview mit einem PSG-Ultra

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Boys-Reisen
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Interessantes Interview mit einem PSG-Ultra

Beitragvon Boys-Reisen » 10.10.03 @ 13:57

Aymeric de Saint Hilaire lautet der Name eines Lads des „Kop of Boulogne“ und gleichzeitig Mitgliedes der „Boulogne Boys’85“. Als langzeitiger Korrespondent gewährte er uns ein kurzes Interview, in welchem er über seine Tribüne, die berüchtigte „Boulogne“, sowie das Pariser Fanwesen generell und andere interessante Themen offen seine Meinung kundtut…

UR: Salut Aymeric. Erklär’ uns zuerst einmal die Mentalität der Bewohner einer Weltmetropole wie Paris. Ist der PSG vom Großteil der Bevölkerung akzeptiert oder habt ihr Probleme mit der Gesellschaft eurer Stadt?

Aym: In Paris leben viele Leute, welche gebürtig keine Pariser sind, die einfach nur für die Arbeit in die Stadt pendeln, eigentlich ist das einer der Hauptgründe dafür, dass es nicht so viele PSG Fans gibt. Außerdem hat unser Verein keine großartigen Erfolge und auch keine traditionsreiche Geschichte, Marseille wird dem PSG oftmals vorgezogen…außerdem haben Krawallmacher und Extremisten des rechten Flügels, sowie Skinheads des „KOB“ (= „Kob of Boulogne“) Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre auf das Erscheinungsbild der Fanszene des PSG negativ eingewirkt. In Frankreich ist der Fußball nicht so populär wie in Italien oder England, obwohl der Erfolg der „Equipe Tricolore“ bei der WM 1998 eine Art „Boom“ in der französischen Ultraszene ausgelöst hat.

UR: Wie sieht es mit den Strukturen innerhalb des „Kob of Boulogne“ und der famosen „Boulogne Boys’85“ aus. Warum ist die „Virage Auteuil“ gegründet worden, deine Meinung über den differenzierten Stil verglichen mit ihr?

Aym: Im „KOB“ finden sich „BB’85“ wieder, die weder Ultras noch „English style“ sind, sie sind von beiden Richtungen ein wenig…die „BB’85“ wiederum sind hier deutlich anders, sie sind der italienischen Ultrakultur eindeutig zuzuordnen. Außerdem haben wir im „KOB“ so genannte „Independants“, Hooligans des PSG oder nunmehr „Casuals“, die eher in den britischen Stil der Fanszene interessiert sind. Dazu zählen natürlich Schlägereien außerhalb des Stadions und auch die Kleidung ist „Casual“. Die „Boulogne Boys“ organisieren Choreographien, verwenden pyrotechnische Utensilien, sie unterstützen den PSG in allen Heimspielen, sowie auch Auswärtsspielen, egal ob freundschaftlicher oder Wettbewerbscharakter, in Frankreich oder in Europa, um ihr Transparent für den PSG aufzuhängen. „Boulogne Boys“ sind Randalen nicht abgeneigt und sind oftmals in Randale, sowohl in Frankreich, als auch auf europäischer Ebene, verwickelt…wir wollen das auch so oft wie möglich…

UR: Interessant, aber gibt es eine eindeutige politische Orientierung in der „Boulogne“, da wir alle wissen, dass es einige Nationalisten in selbiger gibt?

Aym: Seit 1978 ist die „Boulogne“ die historische Tribüne der PSG Anhängerschaft….genannt „KOB“ und in extrem rechter Orientierung. Viele von uns sind Nationalisten und stolze Franzosen, die auch die Farben unserer Flagge immer zur Schau stellen. Bei allen Auftritten unserer Mannschaft kann man viele französische Fahnen sehen, die Hymne unseres Landes wir auch sehr oft stolz gesungen und auch bei Auswärtsspielen demonstrieren wir unsere Gesinnung. Im Besitz der „BB’85“ befindet sich eine gigantische französische Flagge.

UR: Gibt es offizielle Kontakte zwischen euch und den „Irriducibili Lazio“, da wir ja wissen, dass auch du in Italien mit Lazio sympathisierst? Würdest du die gegenseitigen Kontakte als Freundschaft bezeichnen oder nur als lose Connections?

Aym: Da gibt es keine offiziellen Kontakte, nur einige Leute, aber bei weitem nichts Offizielles.

UR: Und welche Truppen sind für dich in Frankreich die besten und aktivsten, was denkst du über das Auftreten, das Programm, das Marketing und die Mentalität der „BB’85“?

Aym: Nun ja. In Frankreich sind in Sachen Ausschreitungen die besten Adressen Paris, Saint Etienne, Marseille, Bordeaux und Lyon. Und die besten Ultragruppierungen findet man in Saint Etienne, Paris, Marseille, Bordeaux und Lyon. Die „BB’85“ haben eine sehr ausgeprägte Mentalität, aber manche Jungs, zu denen ich mich zähle, haben eher eine Zugehörigkeit zum Casual-Lager, sodass wir sehr stark in die englische und osteuropäische Fanszene interessiert sind. Natürlich nicht auf die Holländer und Belgier zu vergessen…

Die „Boulogne Boys“ unterstützen den PSG überall. Mit Liedern und unserer Mentalität – wir wollen außerhalb des Stadions respektiert werden…bezüglich Marketing ernähern wir uns natürlich ausschließlich selber, finanziert werden unsere Choreographien durch den Verkauf des selbst produzierten Materials.

UR: PSG wird von dir jetzt schon eine lange Zeit aktiv unterstützt, du hast viele Plätze gesehen, einige Schlachten geschlagen, doch gibt es irgendeinen Platz in unserem Europa oder auch irgendeine Szene die du nicht vergessen wirst? Welche Gruppierung stellte für euren Anhang die größte Bedrohung dar?

Aym: Also da gibt es einiges. Beste Erinnerungen habe ich an die Auswärtsspiele in Rosenborg, eine Woche mit dem Auto unterwegs, oder etwa das Finale in Brüssel gegen Rapid im Cupsieger Bewerb. Auch unser Europacupfinale in Rotterdam oder die Reise nach Simferopol in der Ukraine, als wir 3 vom PSG waren. Bukarest, Galatasaray und so weiter und so weiter…erwähnenswerte Trips waren sicherlich auch Intertotospiele in Finnland und das dazugehörige Finale gegen Brescia, welches auf Korsika ausgetragen wurde. Freundschaftliche Vergleiche unserer Mannschaft in Spanien und Portugal durften wir natürlich auch nicht fern bleiben…

UR: Viele Leute aus Österreich hegen Sympathien mit den großen Gruppen aus Marseille, Paris, St. Etienne, oder Bordeaux. Aber wie sieht es mit den kleineren Ultraverbänden in Frankreich aus und gibt es zu einem dieser eventuell eine offizielle Freundschaft?

Aym: Keine Freunde in Frankreich!! Vor einer Ewigkeit von 10 Jahren hatten wir mit der „Brigade Ultra’88 Mulhouse“ eine Freundschaft, die allerdings beendet wurde. Nichts offizielles aber erwähnenswerte Kontakte bilden die Kontakte einiger „BB’85“ mit der „Brigade Sud Nice’85“…

UR: Porträtiere aus deiner Sicht eure größten Rivalen…wer ist das, warum und wie siehst du objektiv ihre Ultras?

Aym: Zuerst einmal möchte ich hier Bordeaux herausheben. Die „Ultramarines“ und „Devils“ erfreuen sich bei uns nicht gerader großer Beliebtheit, das ganze resultiert aus einem gestohlenen Transparent beim Cupspiel PAU – PSG, als nur 2 Boys vor Ort waren und ihnen von 7 Mitgliedern der „Ultramarines“ nach dem Spiel auf einem Parkplatz das Transparent entwendet wurde. Das Transparent, das wir ihnen beim Meisterschaftsspiel entwendet haben wird beim Rückspiel von uns verbrannt werden…Es gab viele Schlägereien zwischen beiden Lagern, sogar in der Nacht vor dem Spieltag und auch wenn Bordeaux gerade in der Nähe von Paris spielt…“Ultramarines“ und „Devils’90“ sind extrem links orientiert und auch antifaschistisch eingestellt…

Über Marseille will ich nicht so viele Worte verlieren. Sie sind unsere größten Rivalen seit jeher, warum ist leicht zu erklären: die unüberbrückbaren Differenzen zwischen uns, sowohl auf politischer, als auch auf städtischer Ebene.

Saint Etienne wird auch in den Kreis der Rivalen gezogen, da die „Magic Fans 1991“ eine Freundschaft zu den „Ultramarines“ unterhalten und sie die beste französische Gruppierung darstellen. PSG – Saint Etienne bedeutet immer Action außerhalb des Stadions, allerdings dümpeln sie momentan im unteren Viertel der 2. Liga herum. Das schon seit zwei Jahren.

Es muss gesagt werden, dass Bordeaux sehr gute Ultras mit einer sehr eigenen und ausgeprägten Mentalität hat, aber einige aus dem „Nucleo“ der Kurve sind auch sehr gut…im politisieren…! Sie übertrieben es ein wenig mit Politik im Stadion. Saint Etienne’s „Magic Fans’91“ sind zweifellos die beste französische Gruppierung was die Gesänge, Auswärtspräsenz, Motivation angeht. Außerdem können sie das Plus der politischen Unentschlossenheit für sich verzeichnen. Schade, dass es ihnen momentan nicht so gut geht, da sie trotz aller Probleme noch immer imposant wirken.

Die Marseiller sind ein prestigeträchtiger Gegner für alle im gesamten Land. In Sachen Anfeuerung gibt es einige gute Gruppen bei ihnen, aber sie sind bei weitem nicht so stark wie früher. Jedoch verzeichnen sie im letzten halben Jahr einen Aufschwung..

UR: Würdest du zustimmen, wenn wir behaupten, dass die Ultraszene in Frankreich eine der besten in Europa ist, dass sie stets rasant wächst und das Problem mit der Polizei in Frankreich kein allzu großes ist?

Aym: Unsere Szene ist, aus meinen Augen betrachtet, sehr gut. In Sachen Choreographie, Gesang, Motivation, Organisation und Ausschreitungen. Leider gibt es eben zu wenige Städte mit einer großen Fankultur. Du hast Bordeaux, Paris, Saint Etienne, Marseille und danach eventuell noch Lyon und Nizza. Das Problem mit der Polizei, da stimme ich völlig überein, ist bei uns nicht so groß wie in anderen Staaten, wo ich immer Spanien als Beispiel nehme. Aber die Repression wegen Kleinigkeiten wie Feuerwerkskörpern ist ungemein…

UR: Kleine Frage über die „Auteuil“ sei erlaubt. Wie ist die Kooperation mit der anderen Kurve in eurer Stadt bei Auswärtsspielen? Hattet ihr Probleme?

Aym: Die Kooperation mit ihnen ist nicht leicht zu erreichen. Weil ihre Tribüne ist nicht historischer Prägung und ist erst mit dem Auftauchen von „Canal +“ populär geworden. Aber Gruppen wie „Tigris Mystic“, „Lutece Falco“, die „Supras Auteuil“ sind sehr gut. Aber es gibt deutliche Differenzen mit dem „KOB“ in manchen Sachen. Manchmal gibt es da sogar ein wenig negative Energie…aber bei weitem nicht so viel wie zum Beispiel in Saint Etienne zwischen den „Magic Fans“ und den „Green Angels“ oder etwa den Gruppen in Marseille…

UR: Denkst du nicht, dass die Ultra-Idee der „Virage Auteuil“ bei den Jugendlichen besser ankommt als die auf eurer Tribüne gelebte Einstellung?

Aym: Ja, in der „Virage Auteuil“ ist der Ultragedanke sicherlich im Vordergrund und junge Burschen zieht das natürlich mehr an, als in die „Boulogne“ zu kommen, weil auf unserer Tribüne sind Leute aus anderen Gründen. Wegen der Geschichte des mystischen Anhanges und seiner Gruppe, wegen des „KOB“, der magischen Tribüne, wegen solchen Dingen. Die „Tigris Mystic“ zum Beispiel haben einen bessern Tifo als wir, aber trotzdem verteidigen wir unseren spezifischen Stil ausgezeichnet…

UR: Andere Seite der Geschichte. Wir alle wissen über die Tragödie von Sebastien bescheid. Erzähle ein wenig über ihn und über seinen tragischen Tod und über die Choreographie, die für ihn veranstaltet wurde…

Aym: Nach dem Intertotocup Finalspiel zwischen uns und Brescia, als Paris gerade erfolgreich sein Ticket für Europa gelöst hatte, krachte der Wagen von Sebastien mit einem Lastwagen in der Nähe von Lyon zusammen. Er wurde noch ins Krankenhaus eingeliefert, doch einige Tage darauf war die letzte Hoffnung zusammen mit ihm verschwunden. Diese Tragödie ist von allen Gruppen registriert worden und ein Transparent ist deswegen auf allen Heimspielen des PSG aufgehängt…“Sebastien für immer in unseren Herzen“. Das „direttivo“ der Ultras aus Lyon und Nizza organisierte Spruchbänder führ ihn. Fantastisch von ihrer Seite! Und über das Internet wurde von Mitgliedern vieler Gruppen die Trauer über diesen Zwischenfall kundgetan. Obwohl es natürlich die Rivalität zwischen uns und den anderen Gruppen trotzdem gibt…die für ihn organisierte Choreographie ist ein trauriger Abschied in alle Ewigkeit gewesen…

UR: Erzähl uns ein wenig über die Probleme die ihr habt, wenn es um das Auswärtsspiel in Marseille geht. Warum habt ihr nicht die Möglichkeit auch dort in Massen auswärts präsent zu sein und warum hilft euch die „Virage Auteuil“ nicht dabei?

Aym: Vor zwei Jahren gingen die „BB’85“ in Marseille ihren eigenen Weg. Aber es ist hart Tickets in unserer Region zu bekommen. Der Verein in Marseille ist gegen unabhängige Fahrten in ihre Stadt. Die Jungs der anderen Kurve wollten vor allen anderen im Stadion sein, was organisatorisch nicht ganz leicht möglich ist. Vor zwei Jahren ist uns der Zutritt verwehrt worden. Vielleicht dieses Jahr…hoffentlich…

UR: Hast du eine Meinung bezüglich der Kontakte einiger Leute aus unserem „Direttivo“ zu den „Ultras Marseille“?

Aym: Ihre Sache. Nur finde ich, dass das „Commando Ultra“ aus Marseille ein wenig mit der Anzahl seiner Freundschaften übertreibt. Das ist so lächerlich: „Ultras Rapid“, „Ultras Nürnberg“, „BAL Livorno“, „UTC Sampdoria“, „Biris Norte Sevilla“, „Original 21 AEK“ usw.

Dass wir bei euch nicht gerade populär sind haben wir während eurer sinnlosen Choreographie gesehen, die sich gegen unseren Verein gerichtet hat. Eine Choreographie gegen den PSG?! Das ist die Mentalität des „Commando Ultra“ :-). Nein, im Ernst, meiner Meinung nach ist so etwas einfach nicht wirklich produktiv…

UR: Wie die Meinungen schwanken können…Du hast die „Ultras Rapid Block West“ nunmehr 3 Mal in Aktion erlebt. In Brüssel, Paris und Wien. Ws hältst du über unsere Gruppe und warum wurde unsere Abordnung in Paris von solch einem Spruchband empfangen?

Aym: Das Transparent, welches die „TM’93“ anfertigten, war glaube ich nur zur Erinnerung gedacht. Außerdem seid ihr Freunde von den Marseillern.

Ihr seid objektiv gesehen die besten in Österreich und aus meiner Sicht bestätigt sich dies. Eure Mentalität, eure Lieder, die Anfeuerung generell mit den tollen Choreographien ist imposant!! Des weiteren finde ich erwähnenswert: Die „VK’91“ aus Innsbruck, die „Brigata Graz“ und die „Bulldogs“ der Wiener Austria…

UR: Letzes Wort für die Ultras aus Wien?

Aym: Wie in der letzten Frage angedeutet. Ihr habt gute Gruppen und für Wien speziell: Weiter so…ihr macht gute Arbeit...auch wenn die Freundschaft mit Marseille da ist…

UR: Danke Aymeric, für dieses sehr interssante Interview. Hoffentlich sehen wir uns noch einmal europäisch :-).

Aym: Schöne Grüße an die Sektion…


QUELLE: ULTRAS RAPID, SEK. GIOVENTU


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