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Philippescu
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Klartext in der NZZ

Beitragvon Philippescu » 16.11.02 @ 9:16

Die alte FCZ-Leier
Herbst-Stress des Stadtklubs in stets neuen Variationen


rwe. Der Herbst hält seit Jahren für den FC Zürich die gleichen Eigenheiten bereit: Die Tage werden kürzer und die negativen Schlagzeilen länger. Es ist die Zeit, in der für das überdurchschnittlich entlöhnte Kader der Fall in die Auf-/Abstiegsrunde droht und der erste Auftritt im Cup (gegen einen unterklassigen Gegner) oft der letzte ist. In den Medien meldet sich dann ein überaus verärgerter Sven Hotz zu Wort: Er schlafe wegen der miesen Leistungen seiner Angestellten in kurzen Hosen sehr schlecht, und er lasse sich die miserable Einstellung der Spieler nicht mehr länger gefallen. Der aufgebrachte Präsident droht mit Bussen, versichert aber gleichzeitig, dass er den Trainer nicht in Frage stellt. Gäbe es in den Verlagshäusern noch den guten alten Stehsatz, man könnte diesen in den Tagen der fallenden Blätter stets hervorklauben, und ausser dem Datum sowie einigen Namen brauchte man daran wenig zu ändern. Das FCZ-Drehbuch folgt im November mit unschöner Regelmässigkeit denselben Mustern - und bewegt erstaunlicherweise den Anhang stets aufs Neue.

Im Sommer 2001 hätte allerdings alles besser werden sollen, denn Hotz war zu einer Radikalkur entschlossen. Diese sah unter anderem eine Budgetkürzung sowie eine drastische Verjüngung des Kaders vor. Für die Umsetzung der Ziele verpflichtete Hotz den mit allen (Fussball-)Wassern gewaschenen Erich Vogel als Sportchef. Der wiederum schlug Hotz als künftigen Trainer Bregy oder Schürmann vor, worauf der FCZ-Boss sich für den Erstgenannten entschied. Dass die Liaison zwischen Hotz und Vogel nicht von Dauer sein würde, wurde bereits bei der Präsentation des sportlichen Leiters ersichtlich. Vogel, von allen guten Geistern verlassen, liess in seiner Antrittsrede völlig undiplomatisch durchblicken, dass bisher im FC Zürich so ziemlich alles falsch gemacht worden sei - doch unter seiner Führung würde nun Professionalität im Klub Einkehr halten. Hotz, auf diese Weise schwer beleidigt, hörte seinem Angestellten mit versteinerter Miene zu, und es war offenkundig, dass die Zusammenarbeit in Frage gestellt war, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Die Trennung zwischen den beiden Männern, deren Begegnung einem Zusammentreffen von Feuer und Wasser gleichkam, erfolgte bereits elf Monate später. In diesem Abschnitt hatte das Kader aber ein völlig verändertes Gesicht erhalten, und die Basis einer juvenilen, entwicklungsfähigen Equipe war gelegt. Wem explizit die Verdienste dieses erfreulichen Prozesses zufallen, soll hier nicht erläutert werden. Weit wichtiger ist die Feststellung: Die Equipe weist zwar ein gewisses Potenzial auf, aber sie stagniert seit Wochen und Monaten in fast allen Bereichen. Die Qualitäten deutete sie unter anderem in einem starken Match in Basel an; handkehrum verlor das Team hingegen im Letzigrund gegen den FC Wil oder schied auswärts im Cup gegen den Nationalliga-B-Verein Schaffhausen aus. Diese Beispiele sind bezeichnend für die Problematik im Klub. In Basel, vor über 30 000 Fans, braucht es keinen Trainer. Da geht jeder Spieler unaufgefordert an die Grenze seiner Möglichkeiten. Ganz anders in Partien gegen Thun, Wil oder Schaffhausen. Hier ist die gestrenge Hand eines Ausbildners nötig. Hier sind seine Motivationskünste gefordert.

Dieser Aufgabe kann Trainer Bregy nicht mehr gerecht werden. Sein Einfluss auf das Team ist gering geworden. Zu viele Ungereimtheiten auf und neben dem Platz, die natürlich von den Spielern registriert werden, haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Vor allem aber fehlt es dem Walliser an Persönlichkeit; und ein Vorbild für die zahlreichen jungen Kadermitglieder ist er schon gar nicht. Hinzu kommt der Machtkampf zwischen ihm und seinem Assistenten Grüter, der von einer gezielten Arbeit auf Grund seiner Erfahrungen mit bekannten Trainern (Gross, Beenhakker, Hodgson) ganz andere Vorstellungen hat. Zum Spielball dieser Animositäten ist Teammanager Burki geworden, den beide Parteien gerne auf ihre Seite ziehen möchten. Bregy versucht sich beispielsweise die Unterstützung Burkis zu sichern, indem er diesen das Torhüter-Training leiten lässt. Mit inzwischen bedenklichen Auswirkungen auf die Form des einst so zuverlässigen Keepers König. Ähnlich wie beim Slowaken im Tor des FCZ weist auch die Verfassung vieler anderer Spieler nach unten. Vor allem aber ist entscheidend, dass die Talente seit längerem kaum noch Fortschritte machen.

Man sieht, im Stadtklub ist wieder einmal vieles aus dem Ruder gelaufen. Die Erklärung für diese Endlos-Leier ist relativ einfach: Es fehlt schlicht und ergreifend seit Jahr und Tag an einer straffen Führung. Es mangelt an einer seriösen Fachkraft, die - mit grossen Kompetenzen ausgestattet und mit Standort Letzigrund - den Betrieb peinlichst genau überwacht und bei der geringsten Abweichung eingreift. Der langjährige Trainer Ponte wollte kein Kontrollorgan dieser Prägung über sich haben, das Gleiche galt für Gress - beide hatten (aus ihrer Warte verständliche) Gründe dafür. Nach der Verabschiedung von Vogel geniesst nun auch Bregy die Freiheiten in vollen Zügen. Dies nicht zugunsten des Vereins, wie die vergangenen Monate zeigten. Hotz leistet dieser Konstellation deshalb Vorschub, weil er als Geldgeber ganz gerne selber die Fäden in der Hand hält. Doch irgendwann müsste er sich die Frage stellen, weshalb der von ihm seit 16 Jahren geleitete und finanzierte Klub trotz hohen Investitionen in diesem Zeitabschnitt sportlich kaum vom Fleck gekommen ist. Derart Grundsätzlichem geht er dieser Tage aber aus dem Weg. Er sagt dazu nur: «Zuerst gilt es, das Team Aaraus zu besiegen und ohne Probleme die Finalrunde zu erreichen. Dann planen wir weiter.»
Zuletzt geändert von Philippescu am 16.11.02 @ 14:13, insgesamt 2-mal geändert.


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Florian
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Beitragvon Florian » 16.11.02 @ 10:16

Interessanter und informativer Bericht.

Also heisst das, dass der FCZ keinen Torwarttrainer hat? Und wir wundern uns über die schlechte Leistung von König....

Obwohl Grüter von den Hoppers kommt, scheint er mir mehr Sachverstand aufzuweisen als Bregy, wie ich jetzt langsam einsehe.

Gruess Florian

#10
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Klartext!

Beitragvon #10 » 16.11.02 @ 11:06

Ist schon erstaunlich, wie da wochenlang kein vernünftiger Ansatz einer Analyse an die Öffentlichkeit dringt, wie das einstige FCZ-Hoforgan Tagi ahnungslos vor sich hinschweigt und darüber hinaus ein Trauerliedchen für die Unaussprechlichen anstimmt und dann...

...die NZZ an einem nebligen Samstagmorgen plötzlich für den Durchblick sorgt!

Gratulation an die Falkenstrasse! - Und, liebe Freunde, lest den Bericht ein-, zwei- oder dreimal, dann zieht ihr wohl die richtigen Schlüsse. (Aber einmal wird den meisten reichen dazu...)

Gruss!
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Beitragvon K8 » 16.11.02 @ 11:27

habe den bericht soeben glesen.
ich finde den artikel sehr gut!
jedoch bin ich sehr erschtaunt dass die nzz so gut informit ist über die internen machtkäpfe bregy vs grüter.
greetz k8

realtiger
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Beitragvon realtiger » 16.11.02 @ 12:05

das ist der vorteil der nzz. nur wenn sie etwas genaues abgeklärt haben, kommt es in der zeitung.

bei einem blick oder tagi. weiss man nie ob es stimmt oder nur stimmungsmache ist.

yellow
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Beitragvon yellow » 16.11.02 @ 12:11

Nach dem ersten Absatz war ich ziemlich verstimmt. Ich dachte mir, dass das GC-Blatt einfach vom blamablen Ausscheiden seines Lieblingsclubs aus dem UEFA-Cup ablenken will.
Beim Weiterlesen erkannte ich aber die Qualität dieser Analyse. Viele unserer Probleme wurden hier sehr schön auf den Punkt gebracht. Hoffentlich bewahrt Sven Hotz diesen Artikel auf und zieht die nötigen Schlüsse daraus, auch nach einem, von uns allen erhoften und erwarteten Sieg gegen Aarau.

#10
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Da liegt das Problem

Beitragvon #10 » 16.11.02 @ 12:15

Das ist genau zu befürchten:

Dass der FCZ heute gewinnt, die Finalrunden-Qualifikation damit (gottseidank!!!) geschafft hat, dass dann aber die dringendst notwendige Diskussion um die Professionalisierung des Vereins wieder auf die lange Bank geschoben wird!

Der Horizont von 3 Wochen reicht einfach nicht mehr im Fussballgeschäft.

Deshalb immer zwei Ziele im Auge behalten: den Sieg im nächsten Strichkampf und die Zukunft des Vereins!

Gruss, D.
Membre du groupe Hassli


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