Beitragvon din Vater » 12.01.11 @ 0:45
NZZ, 8.01.11
Böse Fackeln, gute Fackeln
Flurin Clalüna
Im Fussball werden die Bilder seit ein paar Jahren reflexhaft kommentiert: Sie zeigen Fans mit leuchtenden Fackeln in den Händen, die ein Stadion mit Rauch verhüllen. «Unverbesserliche» werden sie genannt, und immer, wenn die Gewaltdiskussion im Fussball wieder aufbricht, werden diese Bilder hervorgeholt, um zu illustrieren: Das sind sie, die Gewalttäter. Es ist die gängige Argumentationskette, und sie lautet: Pyrotechnik ist verboten, gefährlich, böse, und sie wird immer von Kriminellen gezündet.
Diese Deutung ist in der öffentlichen Meinung verbindlich geworden. Die Bilder unterliegen einem Interpretationswandel; es ist noch nicht lange her, da haben Fernsehkommentatoren von einer «grossartigen Atmosphäre» gesprochen, wenn die Kameras in die erleuchteten Fankurven schwenkten. Damals waren die Fackeln Teil einer nicht in Frage gestellten Fussballfan-Kultur. Seit der Kriminalisierung der Pyrotechnik im Stadion und ihrer Koppelung mit dem Gewaltphänomen gibt es diese Akzeptanz nicht mehr. Es wird gebüsst.
Auffallend ist, dass die öffentliche Wahrnehmung offenbar von Sportart zu Sportart unterschiedlich ist. Als am Donnerstag beim Skispringen an der Vierschanzentournee in Bischofshofen im dicht gedrängten Zuschauerraum Pyrotechnik-Fackeln gezündet werden und Rauch aufsteigt, spricht niemand von uneinsichtigen Besuchern oder sogar von Krawallanten mit krimineller Energie. Keiner sagt, diese Fackeln seien gefährlich, niemand hält entrüstet den Mahnfinger hoch.
In österreichischen Zeitungen wird von «bengalischen Freudenfeuern» geschrieben. Es stört sich offensichtlich niemand an den Leuchtfeuern, im Gegenteil. Im Skispringen wird ignoriert, was im Fussball verurteilt wird. Der Fussball kennt ein anderes Gewaltpotenzial als der Schneesport, aber darum geht es nicht. Es geht darum, wo Jubel-Inszenierungen geduldet oder geschätzt werden und wo nicht. Eine Fackel, die in der Hand brennt, bleibt eine Fackel, die in der Hand brennt. Nur das Auge des Betrachters ist anders. Es gibt keine guten oder bösen Fackeln, sie sind immer gleich, 2000 Grad heiss.
stolzer Träger der Arroganz-Kappe