Der FC Zürich spielt mit dem Feuer
Heute empfängt der FCZ Thun - mit einem Torhüter Taini, der viele Fehler macht und keinen valablen Ersatz hinter sich hat.
Auf gestern Dienstagmorgen 11 Uhr waren die Medien in den Letzigrund eingeladen. FCZ-Trainer Lucien Favre war eigens zu diesem Termin ins Stadion gekommen, um vor dem Meisterschaftsspiel gegen Thun Rede und Antwort zu stehen. Die Medienpräsenz hielt sich indes in Grenzen, ein einziger Reporter war zugegen.
Es mag Zufall sein, dass nicht mehr Journalisten gekommen waren. Gründe für die Absenzen gäbe es durchaus. In der Zürcher Fussballszene sorgt momentan vor allem die Krise von Meister GC für Aufsehen, und der Stadtklub hat in Zürich (wieder einmal) sehr viele Leute enttäuscht. Acht Runden sind gespielt, der mit viel Vorschusslorbeeren in die Meisterschaft gestartete FC Zürich liegt auf dem vorletzten Platz. Immerhin verriet er jüngst leichten Aufwärtstrend. Dem ersten Sieg gegen Wil liess er ein 3:3-Unentschieden in Aarau folgen.
Die zweite Halbzeit gegen Wil und das Spiel in Aarau hätten ihm gut gefallen, sagt Favre - ohne deswegen gleich übermütig zu werden. Dafür kennt er die Probleme seiner Mannschaft zu gut. Nur vermeidet er es vor dem kapitalen Match gegen Thun tunlichst, über die vielen Schwächen und Mängel zu sprechen. Er will die Mannschaft stark reden, damit sie die Thuner schlägt und in der Tabelle überholt. Favre will weg vom Tabellenende.
Wenn sich Taini verletzt . . .
Des Trainers Ziele in Ehren, doch es muss selbst vor einem wichtigen Spiel erlaubt sein, Fragen zu stellen - zum spielenden Personal, zur Transferpolitik. Warum hat der FCZ Torhüter Miroslav König in die Türkei verkauft und ist allein mit dem in der höchsten Spielklasse ziemlich unerfahrenen Davide Taini in die Saison gegangen? Taini hat mit seinen Flops gegen St. Gallen und Aarau vier Punkte verschenkt. Und was passiert, falls er sich verletzt und Nachwuchsmann Romeo Leite, ein durchschnittlicher Erstliga-Goalie, ins Tor stehen müsste? Daran möge er nicht denken, sagt Favre, und am Torhüterproblem werde fieberhaft gearbeitet. Nur: Geschehen ist bis anhin nichts. Der FCZ spielt mit dem Feuer.
Warum, ist weiter zu fragen, hat Favre auf Stephan Keller als Captain und Abwehrchef gesetzt? Keller blieb vieles schuldig, er konnte die Lücke, die Urs Fischer auf und neben dem Platz hinterlassen hat, bis anhin nicht ausfüllen. Vergangene Woche hat die Klubleitung reagiert und mit dem Kroaten Stipe Matic und dem Brasilianer Sahdo zwei (kostengünstige) zentrale Abwehrspieler verpflichtet. Nur sind sie die Ausländer Nummer 7 und 8 - lediglich fünf können gleichzeitig eingesetzt werden.
Taini, Keller, das Überangebot an zentralen Mittelfeldspielern, die fehlenden Alternativen auf den Aussenpositionen, die Verletzungen der Stürmer Muff und Yasar - die Probleme des FCZ sind vielfältig. Doch Favre lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, er verwendet wie üblich seine beiden bevorzugten Ausdrücke, wenn er über seine Trainerarbeit spricht: Geduld und Arbeit. Und er stellt «minimale Forderungen», wie er sie nennt. Er appelliert an die Fans und das Umfeld des FC Zürich, die seit 22 Jahren auf einen Meistertitel warten: «Gebt uns ein wenig Zeit, bitte!»
Ferguson brauchte sieben Jahre
Der FC Basel habe fünf Jahre gebraucht, um eine konkurrenzfähige Mannschaft zu bilden, einem Mann wie Alex Ferguson seien in Manchester sieben Jahre Anlaufzeit bis zu den ersten grossen Erfolgen zugestanden worden. Natürlich will Favre den FC Zürich nicht mit dem FCB oder gar der grossen United vergleichen, sich selbst nicht mit dem Ausnahmetrainer Ferguson. Und doch denkt er unverdrossen, dass der FCZ zumindest auf nationaler Ebene schon in der kommenden Saison Erfolg haben werde, die Grasshoppers und sogar den FC Basel herausfordern könne. Lucien Favre sagt: «Nur dafür bin ich doch nach Zürich gekommen.»