Am Samstag ist es soweit. Im Hardturm findet das letzte Spiel statt. Ob dort wieder ein neues Fussball-Stadion gebaut wird ist fraglich.
Heute auch noch ein guter Rückblick im Tag:
31. August 2007, 22:31 – Von Niels Walter
Der traurige und einsame Tod des Zürcher Hardturmstadions
Im Hardturm gehen die Lichter aus. Das Stadion hatte mit GC zu Lebzeiten den falschen Klub und die falschen Fans. Ein Nachruf.
Der Hardturm hatte es eigentlich gut. Er war das Heimstadion des erfolgreichsten Fussballklubs der Schweiz, des Grasshopper-Clubs Zürich. Lange Tradition, 45 Titel. Grosse Namen haben auf dem Rasen und der Trainerbank des Hardturms gearbeitet. Trotzdem: Der Hardturm wurde nie zu einer Kultstätte des Fussballs. Zu reich und zu nüchtern war dafür sein Klub, zu fade dessen Fans, zu wenig fussballbegeistert die Stadt.
Der erste Hardturm — er wurde am 28. April 1929 eröffnet — war zu grossen Teilen aus Dreck gebaut. Aus der ganzen Stadt wurde tonnenweise Erde auf den Hardturm gekarrt und auf drei Seiten des neuen GC-Fussballfeldes zu Stehrampen angehäuft. Nur gerade auf einer Längsseite des Rasens wurde eine überdachte Tribüne gebaut. Das war die «grosszügig, monumental wirkende Anlage, mit der Zürich von einem Tag auf den andern um eine Sehenswürdigkeit reicher geworden ist, die ihresgleichen die Schweiz bisher nicht besass», wie die NZZ damals schwärmte.
Der Ruf des Bonzenklubs
Der Hardturm war eine profane, aber reine Fussballarena, wo die Zuschauer nah am Spielfeldrand standen. Die Erd-rampen boten Platz für 25 000 Personen, die Tribüne hatte 2400 Sitzplätze, zwei Reihen davon waren für die Pressevertreter reserviert; verstellbare Pulte sollten ihnen laut damaligem Zeitungsbericht «ihre Arbeit für die Sportpropaganda erleichtern».
Das erste Spiel im Hardturm verlor GC gegen die italienische Squadra der Union Sportiva Alessandria mit 1:3. Ab 1931 sammelten die Grasshoppers Titel um Titel und besiegten manch grosse europäische Mannschaft. 1956 fand im Hardturm das erste Länderspiel der Schweizer Nationalmannschaft bei Flutlicht statt. Das letzte denkwürdige Länderspiel war im November 1993, als die Schweiz sich mit einem 4:0 gegen Estland für die WM 1994 in den USA qualifizierte.
Im Gegensatz zum Erzrivalen FC Zürich vom Letzigrund hatte GC mit dem Hardturm ein reines Fussballstadion, also nicht noch eine störende Laufbahn für Leichtathleten, die Publikum und Fussballer auf Distanz hält.
Doch GC war nie nur Fussball, GC war immer auch Rudern, Hockey, Handball, Tennis und andere Disziplinen, der grösste polysportive Klub der Schweiz. Und an GC haftet seit langem das Image des Nobelvereins. Reiche Herren, Bankiers und Unternehmer hatten das Sagen und brachten Geld in den Klub, aber keine Stimmung ins Stadion. Auch wenn der FCZ und der FC Basel heute die grösseren Budgets haben als der Grasshopper-Club, den Ruf des unterkühlten Bonzenklubs ist GC nie losgeworden.
Spiele im Hardturm waren immer dann ein Genuss, wenn Basler, St. Galler oder FCZ-Fans Stimmung machten. Nicht einmal in seinen erfolgreichsten Jahren konnte GC die Stadt elektrisieren und die Massen mobilisieren, wie dies andere Klubs in der Schweiz schaffen. Letzte Saison kamen durchschnittlich 6900 Personen zu den GC-Spielen auf den Hardturm, nur bei den Kleinklubs Aarau, Thun und Schaffhausen waren es noch weniger.
Früher galten die GC-Fans als erfolgsverwöhnt und satt, heute macht die zusammengeschrumpfte Fankurve mehr mit einfallslosen Schlachtrufen als originellen Choreografien auf sich aufmerksam.
Heute: Leichenfledderei
Falls Zürichs Herz überhaupt ein bisschen für Fussball schlägt, dann eher für den FCZ. Jahrelanges Leiden in der Erfolglosigkeit, Fussball in einem Leichtathletikstadion (Letzigrund), Millionen von ein und demselben Bau- und Immobilienunternehmer (Sven Hotz) — das feuerte die Herzen der Fans anscheinend immer noch mehr an, schaffte mehr Identität als der Hochglanz der Hoppers — der in den letzten Jahren ziemlich verblasst ist.
Der Hardturm ist keine Schönheit. Stück für Stück wurde er immer wieder ausgebaut und neu gebaut — auch wegen zweier nie geklärter Grossbrände 1934 und 1968. Diese Feuersbrünste äscherten die Haupttribüne jeweils bis auf die Grundmauern ein. Mitte der 80er-Jahre wurde das Stadion letztmals erneuert.
Heute Abend findet das letzte Fussballspiel im Hardturm statt. Zur Abdankung spielen GC und Xamax. Ehemalige Grössen des Grasshopper-Club erweisen dem Stadion die letzte Ehre, die Fans dürfen nach dem Schlusspfiff die Leiche nach Belieben sezieren, alles mit nach Hause nehmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Das Stadion wird dann verriegelt und einsam und allein dastehen — solange, bis ein neues Stadion gebaut wird. Und das kann noch lange dauern.
Den guten, alten Hardturm wird das nicht kümmern. Seinen letzten echten Höhepunkt hatte er im Frühling ohne die Grasshoppers — die Meisterfeier des FC Zürich.
http://www.tagi.ch/dyn/news/zuerich/786307.html