Mit Nebenberuflern und Fussballfreunden für Ordnung sorgen
Die Rolle privater Sicherheitsdienste in Schweizer Fussballstadien
Gewalt im Umfeld von Fussballspielen findet nicht nur auf öffentlichem Grund, sondern auch in den Stadien statt. Dort trägt jedoch nicht die Polizei die Verantwortung für Ruhe und Ordnung, sondern private Sicherheitsfirmen sind damit beauftragt - eine heikle Aufgabe.
dau. Scharmützel zwischen gegnerischen Fangruppen oder zwischen Anhängern und Sicherheitsorganen sind heute beinahe an jedem Spieltag der obersten Schweizer Fussballligen zu beobachten. Auffallend ist dabei: Immer wieder kommt es auch innerhalb des Stadions zu Vorfällen. Diese reichen vom Abfackeln pyrotechnischen Materials bis hin zum Ausrauben von Verpflegungsständen und zum Attackieren von im Fansektor placierten Polizisten - so geschehen am 22. April anlässlich des letzten Gastspiels des FC Zürich in Basel. Für die Sicherheit im Stadioninnern zeichnen hierzulande die einzelnen Klubs verantwortlich. Die Swiss Football League (SFL), die den Spielbetrieb der Super und der Challenge League organisiert, schreibt den Vereinen lediglich den Einsatz eines Ordnungsdienstes vor - weitere Details zur Organisation oder Qualifikation dieses Dienstes finden sich im Sicherheitsreglement der SFL keine. Jeder Klub versucht daher auf seine eigene Art und Weise, für Sicherheit im Stadion zu sorgen.
Keine Eingreiftruppe
Der FC Zürich setzt im Zürcher Hardturmstadion auf die Dienste der Delta Group. Sicherheitstechnische Hilfskräfte, sogenannte Stewards, kontrollieren die Tickets auf ihre Gültigkeit, tasten die Matchbesucher auf unerlaubte Gegenstände wie Waffen oder Feuerwerk ab und weisen der sitzenden Kundschaft den Weg zu ihren Plätzen. Für brenzlige Situationen sind bei FCZ- Heimspielen die Delta-Männer zuständig. Von Gesetzes wegen sind die Delta-Männer dem Normalbürger gleichgestellt. Zwar dürfen sie dem Hausrecht des Veranstalters Geltung verschaffen und hierzu beispielsweise Zuschauern den Eintritt ins Stadion verweigern, die erwähnten Eingangskontrollen vornehmen oder pöbelnde Fans des Stadions verweisen.
Allerdings sind die Deltas keine polizeiliche Eingreiftruppe. Ihre Intervention hat, auch bei gewalttätigen Konflikten, immer gemäss der jeweils geltenden kantonalen Strafprozessordnung zu erfolgen, die im Kanton Zürich «jeden Privaten berechtigt, eine Person zu ergreifen, die 1. in seiner Gegenwart ein Verbrechen oder Vergehen verübt hat oder 2. nach seiner eigenen unmittelbaren Wahrnehmung eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt werden muss» - der Festgehaltene muss zudem «sobald als möglich» der Polizei übergeben werden, die auch die Aufnahme der Personalien übernimmt. Von dieser gesetzlichen Grundlage werden die Sicherheitsdienste auch nicht durch schwammig formulierte Reglemente der SFL befreit, in welchen der Heimklub beauftragt wird «nötigenfalls während des Spielverlaufs jegliche zusätzliche Sicherheitsvorkehren» (sic!) zu treffen.
Im Berner Stade de Suisse wie im Basler St.- Jakob-Park, deren Betreibergesellschaft keine Auskünfte zu Sicherheitsaspekten erteilt, verzichtet man auf einen behelmten privaten Ordnungsdienst; beiderorts sind Stewards im Einsatz. Dabei handelt es sich um «ausgesuchte Fussball- und Event-Interessierte, die sich aus allen Berufsschichten rekrutieren», wie Charles Beuret, Mediensprecher der Stade de Suisse Wankdorf Nationalstadion AG, erklärt. In Bern greife bei gewalttätigen Ausschreitungen der Ordnungsdienst der Sicherheitsfirma Broncos Security ein, die aus einem Motorradklub hervorging, während für den Schutz des Spielfelds Angestellte der Sicherheitsfirma Protectas zuständig seien. Alles in allem seien rund 150 bis 250 Sicherheitsleute pro Match im Einsatz. Nötigenfalls werden sowohl in Bern als auch in Basel Polizeikräfte hinzugezogen - im Stade de Suisse ist zudem die Polizeieinsatzleitung im Führungszentrum des Stadions placiert, und Zivilbeamte mischen sich unters Publikum. Indes wird die Kantonspolizei Basel-Stadt laut eigenen Angaben nach den oben erwähnten Übergriffen von Ende April im St.- Jakob-Park nicht mehr mit Bereitschaftsbeamten im Sektor der Auswärtsfans präsent sein.
Semiprofessionalität vorherrschend
Staatsrechtliche Bedenken gegenüber dem Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten hegt etwa die Polizeigewerkschaft Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB), daneben wirft vor allem die Ausbildung privater Sicherheitsleute Fragen auf. Dauert eine reguläre Polizistenausbildung ein ganzes Jahr und umfasst Hunderte von Ausbildungsstunden, so kommt ein Angestellter der Broncos Security lediglich in den Genuss von achtzig Ausbildungsstunden, bevor er in den Ordnungsdiensteinsatz geschickt wird. Ein Mitarbeiter werde jedoch langsam an diese Aufgabe herangeführt und müsse jährlich acht obligatorische Trainings absolvieren, erklärt Broncos-Security-Geschäftsleiter Peter Widmer. Bei der Firma Delta dauert die Grundausbildung, nach welcher der Mitarbeiter im Helmdienst eingesetzt wird, einen Monat, wie Christian Schöttli schriftlich mitteilt. In einem Interview mit dem «St. Galler Tagblatt» im Jahr 2004 äusserte er sich diesbezüglich etwas detaillierter. Das psychologische Fingerspitzengefühl ihrer Angestellten prüfe die Delta Security mit einem Kreuzchentest mit 40 Fragen, dessen Auswertung Aufschluss über diverse Persönlichkeitsmerkmale gebe. Laut Reto Casutt, Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungsunternehmen (VSSU), seien es vielfach austrainierte Studenten, die sich als Sicherheitskräfte anheuern liessen. Die Nebenberufler dominieren in der Branche.
Um die Qualität privater Sicherheitsdienstleistungen zu sichern, sei man zusammen mit der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) daran, die rechtlichen Voraussetzungen für eine schweizweit einheitliche Regelung der Zulassung von Sicherheitsfirmen zu schaffen - diesbezügliche Entscheide sind im kommenden Herbst zu erwarten, wie die KKJPD mitteilt. Bereits heute existiert in der Westschweiz ein solches Konkordat über die Sicherheitsunternehmen, dessen Hauptaugenmerk jedoch nicht Ausbildungsfragen gilt. Zudem kennen gewisse Kantone Vorschriften über die Zulassung von privaten Sicherheitsfirmen.
Auch die Ausbildung der Stewards ist völlig unterschiedlich. Die Stade-de-Suisse-Stewards erhalten eine Basisausbildung durch die Protectas, welche Stadionkenntnisse, praktische Psychologie, Felddienst, Eingangskontrolle, Funk und Führung umfasst - über die Länge der Ausbildung schweigen sich die Verantwortlichen aber aus. In einem internen Schreiben wird zudem festgehalten: «Wir erinnern daran, dass eine Teilnahme am Stadiondienst nicht primär wegen der Entschädigung, sondern aus Freude am BSC Young Boys und dem Stadion geleistet werden sollte.» Gleiches gilt für die Stewards im St.- Jakob-Park, wie aus einer Mitteilung auf der Homepage von Basel United hervorgeht. Die Entschädigung der einzelnen Stewards reicht in Bern von 25 Franken für einen zweistündigen Einsatz (Platzanweiser) bis hin zu 25 Franken pro Stunde für einen Sektorchef. Demgegenüber sieht der Gesamtarbeitsvertrag für die private Sicherheitsdienstleistungsbranche im Kanton Bern einen Stundenlohn von 20 Franken 40 vor (Basel-Stadt Fr. 20.90.; Zürich Fr. 21.40). Laut Reto Casutt steht dem Einsatz von voll ausgebildeten Sicherheitsleuten vielfach die Kostenfrage im Weg. Viele Vereine scheuten die Kosten für ausreichend Sicherheitspersonal.
Interessenkonflikte des FCZ-Sicherheitschefs?
dau. Es ist eine Randnotiz, die ins Bild passt: Der Sicherheitsverantwortliche des FC Zürich, Christian Schöttli, amtet gleichzeitig als Geschäftsleiter der für die Sicherheit im Stadion Hardturm zuständigen Firma. Schöttli sieht hierin keinen Interessenkonflikt: «Sämtliche Sicherheitskonzeptionen werden vor der Umsetzung zuerst mit dem Verwaltungsrat des FC Zürich abgesprochen», und auch der FCZ steht, wie er in einer Mitteilung beteuert, hinter Schöttli. Indes halten die Richtlinien der Swiss Football League (SFL) fest, dass ein Sicherheitsverantwortlicher eines Klubs, während er für seinen Verein im Einsatz steht, nicht gleichzeitig Aufgaben in einem vom Klub beauftragten Sicherheitsunternehmen wahrnehmen darf. Ausgeschlossen ist, laut Reglement, auch die Übernahme der Sicherheitschef-Funktion, wenn der Sicherheitsverantwortliche gleichzeitig bei einem von einem anderen Klub beauftragten Sicherheitsunternehmen Aufgaben erfüllt, was bei Schöttli der Fall ist. Seine Firma Delta ist auch beim Grasshopper-Club Zürich, beim FC Sion sowie beim FC Schaffhausen für die Sicherheit an den Heimspielen verantwortlich. Die SFL scheinen derlei Verbandelungen nicht zu stören; sie hat Schöttli jüngst ein Mandat im Bereich Sicherheit erteilt.
Private Sicherheitsfirmen an der Euro 08
dau. Auch im Rahmen der Euro 08 in der Schweiz werden zahlreiche private Sicherheitsfirmen im Einsatz sein. Noch ist unklar, welche Unternehmen in den einzelnen Stadien zum Zuge kommen. Einen Entscheid will die Veranstalterin Euro 2008 SA diesen Sommer fällen. Wie bei nationalen Ligaspielen werden während der Euro 08 die staatlichen Organe im Stadioninnern intervenieren, sobald die privaten Ordnungskräfte nicht mehr Herr der Lage sind oder strafbare Handlungen begangen werden. Die Verantwortung für die Sicherheit in den ausserhalb der Stadien (und teilweise ausserhalb der Austragungsorte) gelegenen Fanzonen und Public-Viewing-Areas liegt bei den jeweiligen Veranstaltern. In den Public- Viewing-Arenen der Grossbank UBS wird ein Konglomerat der beiden Sicherheitsfirmen Protectas und Securitas mit dem kryptischen Namen PriSec-E08 die Sicherheit der Besucher gewährleisten. Diese einheitliche Regelung der Sicherheit in den UBS- Arenen wird von Martin Jäggi, Teilprojektleiter Sicherheit öffentliche Hand Uefa Euro 08, begrüsst. Um die Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Sicherheitsdiensten zu optimieren, findet im Juni die Stabsrahmenübung «Live 07» statt, in die etwa das Konglomerat PriSec-E08 eng eingebunden sei, sagte Jäggi.
Quelle: NZZ