30. Mai 2007, Neue Zürcher Zeitung
FCZ-Trainer Favre in Berlin?
Der Stadtklub bezweifelt einen Wechsel
rwe. Gemäss der «Berliner Zeitung» hat sich Lucien Favre am Dienstag in Berlin aufgehalten. Nimmt man die Meldung zum Nennwert, liegt der Grund des Besuches klar auf der Hand: Der Trainer des FC Zürich hat sich mit den Vertretern des örtlichen Bundesligaklubs Hertha BSC zu Gesprächen über einen Wechsel getroffen. Auf der Liste der Wunschtrainer stand in Deutschlands Hauptstadt offenbar auch der Belgier Eric Gerets. Er scheint jedoch der Hertha einen Korb gegeben zu haben, dies mit den Worten: Die Sache sei ohnehin gelaufen, ein Schweizer Trainer habe das Rennen gemacht.
René Strittmatter, Delegierter des Verwaltungsrates des FCZ sowie seit vielen Jahren engster Berater des Romand, will sich zu diesem Thema auf keine Spekulationen einlassen. Er sagt lediglich: «Favre ist ein erwachsener Mensch, er kann tun und lassen, was er will. Und wenn er sich anhört, was ihm Hertha BSC vorschlägt, kann man ihm dies nicht verbieten.» Strittmatter kann sich jedoch nicht vorstellen, dass sich Favre zu einer raschen Entscheidung durchringen wird. Der Romand sei viel zu intelligent und zu vorsichtig, um sich Hals über Kopf in ein solches Abenteuer zu stürzen.
Dass ein solches Engagement, falls es tatsächlich dazu kommt, zu einem Abenteuer für Favre wird, liegt auf der Hand. Denn der FCZ-Trainer ist kein blendender Kommunikator, der ein Kader sowie die Medien auf Anhieb zu begeistern vermag. Hinzu kommt, dass seinen Kenntnissen der deutschen Sprache Grenzen gesetzt sind. Im Weiteren beginnt er eine Arbeit stets so, als sei er in zehn Jahren immer noch am selben Ort. Mit anderen Worten: Er ist keiner, der Erfolg auf Anhieb vorweisen kann. Um sein Puzzle von einer kompetitiven Mannschaft zusammenzustellen, braucht er Zeit. Gelegentlich sehr viel Zeit. Wer die Bundesliga jedoch kennt, weiss, dass sich hier die (positiven) Ergebnisse sofort einstellen müssen. Andernfalls folgt die Trennung auf dem Fuss.
Dass der Berliner Klub ein Auge auf Favre geworfen hat, liegt an einer Begegnung der jüngeren Vergangenheit. Der Servette FC hatte in der Saison 2001/2002 mit einer starken Mannschaft im Uefa-Cup einen verblüffenden Lauf und eliminierte unter anderen auch die Hertha. Das Schweizer Team imponierte vor allem im Auswärtsmatch mit einer taktisch hervorragenden Leistung, was den deutschen Beobachtern nicht entging. Als Favres Trainerkarriere im FCZ weiterhin steil nach oben wies und der BSC spielerisch und resultatmässig nicht vom Fleck kam, erinnerte man sich in Berlin wieder an den interessanten Trainer aus der Schweiz.
Fredy Bickel, der Sportchef des FCZ, sagt jedoch: «Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass sich Favre in Berlin aufhält. Wir haben noch gestern über die Zukunft des Stadtklubs gesprochen, sind auf bestimmte Details eingetreten und haben uns viele Gedanken gemacht.» Er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Favre ihn und den FCZ auf diese Weise an der Nase herumführe. Dies entspräche in keiner Weise dem Charakter des Waadtländers.
http://www.nzz.ch/2007/05/30/sp/articleF80XA.html