Tages-Anzeiger vom 28.06.2006
Quelle:
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/639888.html
Den Fans fehlen Unterschriften
Das Referendum gegen das Hooligangesetz wird aller Voraussicht nach scheitern. Gut zwei Wochen vor Ablauf der Frist sind noch nicht einmal zwei Drittel der Unterschriften da.
Von Verena Vonarburg, Bern
Bisher haben die Fanklubs die Zahl ihrer Unterschriften im schwierigen Kampf gegen das Hooligangesetz zur Geheimsache erklärt. Nun - kurz vor Ablauf der Referendumsfrist vom 13. Juli - räumt Ruben Schönenberger, Sprecher des Referendumskomitees, auf Anfrage ein: «Wir stehen leider erst etwa bei 35 000 Unterschriften.»
50 000 wären nötig. Und weil nie alle Unterschriften gültig sind, müssten die Sammler 55 000 bis 60 000 einreichen, also noch mindestens 20 000 Unterschriften hinzubekommen. Doch davon können die Fanklubs von Fussball- und Eishockeyvereinen nur träumen. «Es muss noch ein Wunder geschehen», sagt Schönenberger, und er sagt es pessimistisch. Man hoffe immerhin, dass «noch einige Leute die Bogen einschicken, die sie daheim herumliegen haben».
Der Bärendienst der Hooligans
Das Referendumskomitee kämpft ohne professionelle Struktur und ohne Erfahrung mit Referenden. Umso schwerer wog der Entscheid der SP Anfang Mai, das Referendum gegen das im Volk populäre Gesetz nicht zu unterstützen. Die Grünen wiederum haben den Kampf dagegen zwar im Prinzip begrüsst, aber ebenso wenig aktiv geholfen.
Am meisten geschadet haben den Fanklubs allerdings die Hooligans selbst: Nach den Krawallen am Ende des dramatischen Meisterschaftsfinals FC Basel gegen FC Zürich vom 13. Mai gaben zahlreiche Sammler auf. Schönenberger bestätigt, viele hätten danach schlicht «keine Lust mehr zum Sammeln» verspürt. Oder wie der grüne Nationalrat Daniel Vischer, ein vehementer Kritiker des Gesetzes, sagt: «Die Ausschreitungen haben dem Komitee das Genick gebrochen.» Freuen wird das Sportminister Samuel Schmid. Er hatte die Krawalle für seine Zwecke benutzt: Als Werbung für das Gesetz; nun müsse es erst recht her.
Vischer dagegen bedauert, dass nach einem Scheitern des Referendums «ein wichtiger Diskurs über Grundrechte nicht stattfinden kann.» Das Gesetz steht auch in der Kritik der Datenschützer. Der Zürcher Datenschutzbeauftragte Bruno Baeriswyl bemängelt, es werde sehr schwierig für Betroffene, sich gegen Einträge in der Datenbank zu wehren. Man könne sich zum Beispiel nicht gegen ein Stadionverbot wehren. Denn niemand habe ein grundsätzliches Recht, ein Stadion betreten zu dürfen. Darüber, wer hineindarf, kann der private Stadionbetreiber entscheiden. «Also bleibe ich unter Umständen verzeichnet, weil irgendjemandem meine Nase nicht gefallen hat», sagt Baeriswyl. Der Eintrag in die Datenbank sei deshalb rechtsstaatlich problematisch, er hoffe, dass das später von Gerichten ein Stück weit korrigiert werde.
Meinungsfreiheit in Gefahr?
Auch nach Ansicht des Basler Staatsrechtsprofessors Markus Schefer schafft die Datenbank eine Reihe rechtlicher Probleme: Dass man sich bei den Einträgen zum Beispiel weit gehend auf Angaben privater Organisatoren abstütze, die nicht überprüfbar seien. Und dass die Polizei die Daten wiederum an Private - an die Stadionbetreiber - weitergebe, «ohne wirksame Kontrolle, dass diese damit nichts Unrechtes anstellen». Ausserdem reiche schon die Gefahr, dass jemand Sachbeschädigungen begehen könnte, um ihn präventiv, vor Beginn eines Spiels, in Haft zu nehmen.
Auch die Möglichkeit der Polizei, Gewaltpropagandamaterial einzuziehen, ist nach Meinung Schefers zu unklar formuliert. Diese Bestimmung trage die Gefahr der Vorzensur in sich, denn die Polizei «könnte unter Umständen sämtliche Publikationen eines Fanklubs anschauen und einziehen».
Den Staatsrechtsprofessor stört vor allem auch Grundsätzliches: In weiten Teilen sei der Bund gar nicht berechtigt, ein solches Gesetz zu erlassen; das wäre an sich Sache der Kantone. Einige Bestimmungen gelten deswegen befristet bis Ende 2009. Doch der Bund will sie darüber hinaus behalten - und die Kantone unterstützen ihn dabei.