Ein Augenzeuge berichtet
«Obschon ich renne, bin ich zu langsam»
VON ERICH MORGER
15.05.2006 | 08:13:15
BASEL – Meine Kollegen haben mich gewarnt. Aber als Fussball-Fan wollte ich mich nur freuen. Doch das Fest wurde zum Albtraum.
Eigentlich hätte ich schon 90 Minuten vor dem Final-Spiel tot sein können!
Am Basler Joggeli führt eine Bahnlinie vorbei. Auf einer Brücke rund 20 Meter über der Strasse. Vor dem Spiel stehe ich auf dieser Strasse, als der mit Fans vollgepackte Zug aus Zürich darüber donnert. Aus den Fenstern fliegen Glasflaschen Richtung Basler Fans. Volle! Wie Geschosse schlagen sie neben mir ein.
Auch im Stadion geschieht Unfassbares. Vorerst verbal. Ich muss mir rassistische Sprüche anhören, die nicht mal in der untersten Schublade Platz finden.
Beim Zürcher Führungstor wage ich es noch, leise zu klatschen. Beim Siegtreffer nicht mehr. Fans gehen auf Spieler los! Auch neben mir wird es handgreiflich. Ich flüchte sofort in die Stadion-Innereien, frage einen Polizisten nach dem sichersten Ort. Er rät mir, das Stadion schnellstmöglich zu verlassen. Obschon ich renne, bin ich zu langsam. Wieder fliegen mir Flaschen um die Ohren.
Nur weg. Endlich. Eine Tramhaltestelle. Um nicht als Zürcher enttarnt zu werden, frage ich auf französisch nach dem Trämli zum HB. Werde ich selber angequatscht, antwortete ich – zu meiner Sicherheit – mit Schulterzucken.
Mit zitternden Knien steige in den rettenden Zug nach Zürich. «Liebe Fahrgäste, wegen Fans auf den Gleisen muss ich die ersten Kilometer im Schritttempo fahren», meldet der Zugführer. Nimmt der Albtraum kein Ende? Fliegen wieder Flaschen? Unser Wagen bleibt verschont. Gesund, aber traurig treffe ich in Zürich ein. Auch hier fliegen Flaschen – im Freudentaumel.
Ich habe am Samstag in Basel Kinder weinen und Erwachsene schreien gesehen. Ich habe gezittert vor Angst. Und ich zittere noch. Jetzt muss man handeln!