Dies hab ich im Fussball-forum.de gefunden: endlich ein objektiver Bericht eines türkischen Journalisten:
Endlich die Wahrheit sagen
Türkische Medien haben im Vorfeld der Spiele mit ihren Hasstiraden übertrieben
Von Mehmet Ali Birand
Für die Türken wäre es ein Leichtes gewesen, das Schweizer Team zu schlagen. Aber stattdessen schickten sie die Schweizer an die Weltmeisterschaft. Jetzt erkennen wir, dass hier zwei völlig verschiedene Länder gegeneinander spielten, in deren Gesellschaften sich die Prinzipien spiegeln, die sie im täglichen Leben und in ihrem Blick auf die Welt haben.
Die Schweizer hatten sich seriös auf die Barrage-Spiele vorbereitet. Vor allem ihre Leistung in Bern zeigte, wie gut sie unser Team analysiert hatten. Sie spielten mit System und Präzision, gewannen 2:0 und damit einen grossen Vorteil. Sie hatten keine besseren Spieler als wir; sie brillierten nicht wirklich; sie waren durchschnittlich. Aber weil sie ihren Auftritt so gut vorbereitet hatten, gewannen sie. Und nur das zählt.
Wir hingegen handelten in Übereinstimmung mit unseren Prinzipien. Das heisst, wir bemühten uns zu wenig im Hinspiel und vertagten die Arbeit auf das Rückspiel in Istanbul. Wir vergeudeten in Bern unsere Zeit und machten uns damit das Leben schwer. Wir machten genau das, was wir nicht machen sollten. Und jetzt können wir die Schuld dem Schiedsrichter zuschieben oder dem Pech. Wir werden natürlich auch nach anderen Schuldigen suchen - und schliesslich sagen, dass wir zwar verloren, aber unsere Ehre gerettet haben.
Diese Spiele haben uns wunderbar die Differenz zwischen den beiden Gesellschaften aufgezeigt, und zwar in Sachen Struktur, Mentalität und Berufsauffassung. Wir haben verloren, die Schweizer haben gewonnen. Anstatt die Schweizer zu schlagen, sollten wir uns selber schlagen. Nun, da die Entscheidung gefallen ist, können wir endlich die Wahrheit formulieren, ohne in Lügen abzugleiten. Schauen wir einmal die Vorgesetzten unserer Nationalmannschaft an, ebenso die Medien und Fans: In der Begegnung mit den Schweizern machten wir viele Fehler. Wir übertrieben. So wurde die türkische Nationalmannschaft in Bern nicht schlecht behandelt. Die «schreckliche Behandlung», von der berichtet wurde, fand nicht statt.
Ich sprach mit Journalisten, die mit dem Team nach Bern reisten und wieder zurück. So schrieb Cengiz Semercioglu für «Hurriyet»: «Hätte ich den Match in der Schweiz nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte ich den Berichten vielleicht geglaubt. Aber es gab nicht die geringsten Handgreiflichkeiten. Nationalcoach Fatih Terim beklagte sich, dass die Schweizer während der Nationalhymne gepfiffen hätten. Nun, dasselbe passiert in der Türkei bei jeder Partie und sogar an Europacup-Matches. Und während wir das Schweizer Team am Zoll 90 Minuten warten liessen, konnte das türkische Team mitsamt Fans innerhalb von fünf Minuten die Schweizer Passkontrolle passieren. Ich war schon in Dutzenden von Ländern, und die schnellste Zollkontrolle, die ich je erlebte, war im Schweizer Flughafen. Hinzu kommt, dass Aussagen von Terim und Davut Disli, dem Verantwortlichen für das Nationalteam, das Verhalten der Fans nur noch verschärften. Am Flughafen in Istanbul zeigten Leute Transparente mit Schimpfwörtern gegen Alex Frei. Ich kann mir vorstellen, was in den hiesigen Zeitungen abgehen würde, wenn dasselbe gegen unsere Spieler passiert wäre. Aber dieselben Medien, welche sich über die kleinsten Provokationen der Schweizer entrüsteten, haben beispielsweise «Dreckige Schweiz» getitelt. Ich war am Spiel in der Schweiz anwesend und muss sagen, dass sie diese Behandlung nicht verdiente.»
Cengiz ist einer der wenigen türkischen Journalisten, welche die Wahrheit schreiben, ohne Angst haben zu müssen. Wir waren vor diesem Rückspiel so angespannt als Gesellschaft, dass es in einer Katastrophe hätte enden können. Wir vergassen letztlich, dass es nur ein Spiel war. Wir machten es zu einer Begegnung, in der es um Leben oder Tod ging.
Vom ersten Moment an, als das Schweizer Team in Istanbul war, griffen wir zu allen möglichen Mitteln der Einschüchterung. Wir kreierten eine Atmosphäre, von der wir glaubten, sie würde uns helfen, die Schweizer zu schlagen. Diese Flüche, diese Eierwürfe, diese Tritte, diese Schläge . . . Die Arroganz, die einige Mitglieder des Schweizer Teams vor und nach den Partien zeigten, rechtfertigt jedenfalls keines dieser Mittel.
Nun, wir haben nicht nur die Qualifikation für die Fussball-Weltmeisterschaft verpasst, sondern auch eine Prüfung nicht bestanden.