ZÜRICH – «In Sion gab es nur eine Frage: Bekommst du Ende des Monats deinen Lohn oder nicht?» Die Worte des Neo-Luzerners Olivier Biaggi stehen stellvertretend für den Zustand des Schweizer Fussballs.
Und auch der FC Sion ist nur eines von vielen Beispielen, das aufzeigt, wie es finanziell um unsere Sportart Nummer 1 steht: Mies!
Doch damit steht die Schweiz weder alleine da – im Ausland ist es keinen Deut besser – noch weist die Branche Fussball konjunkturell massiv andere Verläufe auf als die kriselnde Wirtschaft. Doch das macht die ganze Sache auch nicht besser.
An praktisch allen Vorstandstischen dominiert das Thema Geld die Traktandenliste. Woche für Woche. In St. Gallen beispielsweise sprach man lange Zeit vor allem von den 2 Mio. Franken, die fehlten, um das Budget für die laufende Saison auszugleichen. Und weniger von der sportlichen Talfahrt.
Das hinderte die Espen aber nicht, in dieser Saison den Trainer zwei Mal (!) auszuwechseln. Und sich in letzter Sekunde den vielleicht besten Keeper der Liga zu angeln. Aktionismus, der sich bei fast allen Teams der Auf-/Abstiegsrunde breit machte.
Ein Handeln, das die Krux aufzeigt: Einerseits soll wirtschaftlich vernünftiges Gebaren die oberste Maxime sein. Andererseits gibt es keine grössere monetäre Katastrophe als sportlicher Misserfolg. Die vom (fehlenden) Geld diktierte Vernunft wird spätestens beim Gedanken an einen Abstieg – wohl zähneknirschend, nichtsdestotrotz ziemlich leichtfertig – über Bord geworfen. Ein Teufelskreis! Aus welchem in jüngster Vergangenheit einige Klubs nicht entrinnen konnten – oder nur äusserst knapp und mit allen möglichen Tricks:
Aarau rettete sich nur dank einer massiven Aktienkapitalerhöhung.
Die AGs von Sion und Luzern gingen Konkurs. Nur weil es bis zu dieser Saison möglich war, den Klub als Lizenznehmer weiterbestehen zu lassen, existieren die beiden Vereine noch.
Wil lebte in den letzten Jahren von den durch Ex-Präsident Andreas Hafen ergaunerten über 10 Millionen Franken. Jetzt denkt der Klub über einen freiwilligen Abstieg nach.
Helios Jermini, Präsident von Lugano, führte den Klub mit Millionen-Betrügereien an die Spitze. Als diese aufflogen, beging er Selbstmord. Auch dem Klub droht der Tod weiterhin, falls sich die Richter im Tessin gegen das Präjudiz eines Nachlasses mit der tiefsten Dividende aller Zeiten in der Schweiz (1%) aussprechen. © Bei Basel (bis zu dieser Champions-League-Saison), GC, YB und Zürich stopfen Mäzene Ende Saison die Millionenlöcher. Sie heissen Gigi Oeri, Rainer E. Gut und Fritz Gerber respektive CS (die ihr Engagement jetzt desillusioniert beendet haben), Nationalstadion AG respektive Bruno Marazzi – und Sven Hotz.
Servette musste wegen fehlender Liquidität seine besten Spieler Alex Frei (zu Rennnes) und Philippe Senderos (im Sommer zu Arsenal) verkaufen.
Xamax kämpft permanent ums Überleben. Nur dank der Gewitztheit von Verwaltungsratspräsident und Ex-SFV-Boss Freddy Rumo existiert der Klub noch.
Und auch in der NLB-Klassierungsrunde leben einige Vereine am oder schon unter dem Existenzminimum: das traditionsreiche Lausanne (7facher Meister), das wahrscheinlich ganz von der Fussball-Landkarte verschwindet; Winterthur und Baden.
«Besonders dramatisch ist die Situation in der Romandie», sagt NL-Direktor Edmond Isoz. «Denn dort sind die Vereine in der Bevölkerung weit weniger gut verankert als in der Deutschschweiz.»
Mit härteren Lizenzauflagen und der Vorschrift, Profiklubs als AGs zu organisieren, versucht die NL die Lage in den Griff zu kriegen. Positiv: Erstmals agiert sie, statt bloss, wie in den vergangenen Jahren, zu reagieren – und das meistens noch mit zu grosser Nachsicht.
Wohin führt der Weg? Der im Ausland wichtigste Teil des Einnahmekuchens, die TV-Gelder, wird in unserem kleinen Markt immer bescheiden bleiben. Entsprechend werden Budgets in den Dimensionen von Basel und GC (zwischen 20 und 30 Mio.) und damit die Akquisition von ausländischen oder das Im-Land-Halten einheimischer Superstars immer Utopie bleiben.
So bleibt nur eines: Das Rahmenprogramm um das Produkt Fussball herum so gut wie möglich zu gestalten. Dieser Weg führt über attraktive Stadien, eigentliche Erlebnisparks. Der Anfang mit dem St. Jakob-Park in Basel ist gemacht.
Im März folgt das «Stade de Genève». Später das neue Wankdorf und das Stadion Zürich. Sowie, hoffentlich, die neuen Arenen in Luzern, Neuenburg, Aarau und St. Gallen. Und die Euro 2008 als Katalysator. Hoffnung besteht.